Bauers Depeschen


Montag, 06. Mai 2013, 1103. Depesche



 



DAS LIED DES TAGES



LIEBE HOMEPAGE-GÄSTE,

leider hab ich im Moment keine neue Kolumne im Speicher, plage mich mit einer Bronchitis herum. Wäre schön, wenn wir noch einige Neugierige für den Flaneursalon am Freitag, 17. Mai, im Theater Rampe mobilisieren könnten. Es gibt noch Karten. Wir haben ein originelles Programm: Unsere Jüngsten auf der Bühne sind achtzehn, die Ältesten achtundfünfzig. Vater trifft Tochter, Sohn trifft Vater: Zam Helga & Ella, Roland Baisch & Sam. Auch im Zwischenbereich ist was los: Toba Borke rappt mit seinem Beatboxer Pheel, große Sache. Unsereins liest Geschichten und aktuelle Glossen - und passt auf, dass der Komiker Baisch keine Scheiße baut. Ich weiß: 15 Euro sind 15 Euro, dafür kann man zweimal ins Kino und eine halbe Stunde in die Kneipe – bei uns aber ist alles live und sauber eingeschenkt. Ich drängle ein wenig, weil wir uns danach um den Flaneursalon am Neckarufer kümmern müssen: 2. Hafen-Picknick am 6. Juli.

THEATER RAMPE: INFOS & VORVERKAUF - KARTENTELEFON: 0711 / 6 20 09 09-16

Nächste Notiz: Mein Spendenaufruf zur Verhinderung der Privatinsolvenz im Fall der alternativen Zeitung „einund20“ fand große Resonanz, viel mehr, als ich erwartet hatte. Dafür herzlichen Dank! Die Chancen sind jetzt gut, den GAU zu verhindern. Diese Woche fällt die Entscheidung. Wer noch helfen will und kann: siehe Depesche vom 29. April.



Hier noch etwas aus meinen Beständen:



IM BUNKER

An einem Nachmittag vor Pfingsten 2005 fuhren mich Freunde in einer betagten Saab-Limousine mit dem Ziel auf die Alb, in der Nähe von Kirchheim unter Teck ein Landschaftsschutzgebiet aufzusuchen. Dortselbst hätte ich Gelegenheit, etwas frische Luft zu schnappen. Meine angeschlagene Gesundheit, sagten sie, werde es mir danken. Gleichzeitig könnte ich auf dem Weg in die Natur eine Idee finden zum Thema: „Die Kunst der dekadenten Küche“. Wenige Tage später war ich in dieser Sache mit dem Stuttgarter Koch Vincent Klink und dem Berliner Verleger Klaus Bittermann zu einer Lesung ins Theater Rampe bestellt und hatte außer einem Text über ein Heslacher Grillhühner-Taxi nichts auf Lager.

Nach einer knappen Stunde Fahrt landete ich im Vorhof eines Kaffs namens Beuren, das neben einigen Hektolitern Thermalbadewasser und guter Landschaftschutz-Luft auch über ein Freiluftmuseum verfügt. Die Verwaltung des Freiluftmuseums ist in einem großen, von der Öffentlichkeit abgeschirmten Landschaftsschutzgebiet untergebracht, das der Wanderer eigentlich gar nicht betreten darf. Unter dem Verwaltungsgebäude, im Stil einer zivilen Baracke errichtet, befindet sich ein Atomschutzbunker, den eigentlich keiner sehen soll. Kaum erwähnenswert sind die dreißig Munitionsbunker auf dem Gelände des Landschaftsschutzgebiets. Diese Depots hatte Ende der sechziger Jahre die Nato angelegt. Dahinter steckte der strategische Gedanke, den Russen im Fall einer weltrevolutionären Offensive im Großraum Beuren kräftig Feuer unterm Arsch zu machen.

Ende der neunziger Jahre allerdings wurden die Munitionsdepots stillgelegt. Offenbar gab es keine triftigen Gründe mehr, der Roten Armee vor Beuren Einhalt zu gebieten. Was von den Knallern übriggeblieben ist, weiß man nicht so genau. Womöglich lagert das Zeugs heute in den Depots russisch sprechender Herren aus den Bahnhofsvierteln deutscher Großstädte.

Das Beurener Freiluftmuseum, einige Fußminuten vom Verwaltungsgebäude entfernt, bietet dem weit gereisten Gast auch eine vorzügliche Gartenwirtschaft. Vom Biergarten aus kann der Tourist Rinder beobachten, die mit ihrer langen Hörnern an amerikanische Bisons erinnern und nach fachgerechter Bearbeitung über einem Lagerdauerfeuer aus Nato-Beständen recht gut schmecken dürften.

Darauf will ich aber nicht hinaus.

Vor meinem Wirtshausbesuch hatten mich militärische Insider mit einer kleinen, offenbar mit guten Militär-Kontakten ausgestatteten Besuchergruppe in den Atomschutzbunker geführt. Diese Einrichtung muss sich der Tourist als Knast mit extrem engen Zellen und übereinandergebauten Plastikbetten vorstellen. Der Besucher fühlt sich wie in einem Mausoleum für lebende Leichen. In diesem unteridischen Hochsicherheitstrakt zog ein Schild an der Wand meine Aufmerksamkeit auf sich, als ein Mann aus unserer Gruppe mich anrempelte. Er trug eineb schwarzen Anzug und hatte sich nach seiner Ankunft in einem Porsche als Steuerberater aus Metzingen vorgestellt. An seiner Stirn leuchtete eine Grubenlampe, und im Licht seines Kopfschmucks machte er sich daran, die Qualität der stoßsicheren Sitze mit ihren eisenharten Nackenstützen in der Zelle zu prüfen. Er war zufrieden, sie erinnerten ihn an Produkte der Firma Recaro.

Das Schild an der Wand, von dem mich der Mann abgelenkt hatte, informierte über „Die Verhaltensregeln im Schutzraum“. Es gelang mir im Gedränge, eine der wichtigsten Anweisungen zu notieren: „Schlaflosigkeit, Hunger, Durst, Erschöpfung sind zu vermeiden.“

Ich wurde stutzig. Nach meinen neu gewonnenen Erfahrungen auf dem Gebiet der atomaren Kriegsführung ist es ernährungswissenschaftlich anscheinend ein existenzieller Unterschied, ob der Mensch hungrig oder satt ist, wenn ihm eine Pershing die Birne aus der Nackenstütze bläst. Kein noch so fein gegrilltes Bisonsteak würde sich demnach in Erwartung eines atomaren Nachschlags in meinem Magen wohlfühlen. In Atomschutzbunkern rufen Atomraketen vor allem dann Schlaflosigkeit und Erschöpfung hervor, wenn sie während des Essens angesegelt kommen.

Doch auch für den Fall gesteigerter Unruhe gab es im Bunker Verhaltensregeln: Nach Panikausbrüchen, las ich auf dem Schild, müsse sich der Bunker-Insasse sofort "als Führer zeigen“. Das leuchtet ein: Sechzig Jahre nach dem Ende des Führerbunkers brauchen die Deutschen einen Bunkerführer. Ich schätze, das wäre ein Job für unseren Metzinger Steuerberater. Männer mit Grubenlampen vor dem Hirn (wie man sie nachts auch beim Nordic Walking beobachten kann) haben so gut wie immer Führerqualitäten.

Als wir die Depots, den Zeig-uns-den-Führer-Bunker und die Gartenwirtschaft von Beuren hinter uns gelassen hatten, sagte uns die Hirnleuchte, sie müsse auf der Fahrt in ihre Heimatgemeinde unbedingt eine Rast einlegen. Es sei ihr ein dringendes Bedürfnis, sich umgehend bei „Key Ef Si“ zu verköstigen. Hinter der Abkürzung KFC – die Gourmets unter Ihnen wissen es – verbirgt sich die Firma Kentucky Fried Chicken, das dekadente Krautsalat- und Hühnerkacke-Imperium des amerikanischen Führungsoffiziers Colonel Sanders.

Verstehen Sie mich nicht falsch, verehrtes Publikum, ich schulde Ihnen noch meine strategische Analyse der Kriegslage:

Wenn ein Steuerberater aus Metzingen mit einer Grubenlampe vor dem Hirn nach dem Besuch eines Beurener Atomschutzbunkers Lust bekommt auf die Panade-Keulen von Kentucky Fried Chicken, kann es keine Zweifel geben: Die Atombombe wurde nicht umsonst erfunden.



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