Bauers Depeschen


Freitag, 15. März 2019, 2075. Depesche



 



Unterstützt das Hausbesetzerkollektiv Forststraße 140, Stuttgart-West.



Liebe Gäste,

noch mal weise ich auf das 3. Offene Forum gegen Rechts am 14. April im JH West hin. Ist mir wichtig zu sagen, dass es da nicht um eine Veranstaltung in eigener Sache geht, wie in anderen Fällen. Bei diesem Forum vor den Kommunalwahlen bin ich halt, wie bei anderen Aktionen/Demos auch, Hilfsorganisierer & Ankündiger. So etwas müssen nun mal die Leute machen, die Zeit dafür haben - und die Möglichkeit. Kann man nicht von allen verlangen. Mit Blick auf die allgemeine politischen Lage gibt es Pflichten: So banal sehe ich das in meinem Fall. Bei Veranstaltungen wie dem Offenen Forum geht es ja nicht um Zuwendung oder Ablehnung wie beispielsweise bei einem beknackten Flaneursalon, sondern um die Notwendigkeit, was zu tun. Und gemeinsam was zu tun, ist grundsätzlich gut - auch für die Befindlichkeit jedes Menschen, der mitmacht.



TERMINE

Samstag, 6. April: Große Stuttgarter Demo gegen Mietenwahnsinn und Wohnungsnot. Kundgebung 14 Uhr auf dem Schlossplatz.



Sonntag, 14. April, von 14 Uhr bis 17 Uhr im Jugendhaus West: 3. OFFENES FORUM GEGEN RECHTS - fünf Wochen vor den Kommunalwahlen. 3 Workshops, Dialoge, Vernetzung. Anmeldungen (nicht zwingend): offenesforum@posteo.de



Montag, 15. April, 19.30 Uhr: Buchvorstellung "5 Jahre Die Anstalt" im Württembergischen Kunstverein. Filmausschnitte aus der Satireshow des ZDF zum Thema Bahn/S 21. Lesung, Live-Musik. Karten zu 6 Euro ab sofort im WKV am Schlossplatz.



VORVERKAUF FLANEURSALON

Sonntag, 12. Mai: Flaneursalon im Waldheim Gaisburg. 19.30 Uhr. Der Vorverkauf hat begonnen, Reservierungen sind möglich per Mail: flaneursalon@waldheim-gaisburg.de - und telefonisch: 0178/5554480



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



Neue StN-Kolumne:

TOTALSCHADEN

Über Vandalen, Pferde, Banksy

Der Märzsturm hatte sich gelegt, ich setzte meinen Hut auf und reiste nach Degerloch. Mein Ziel war die Tränke, ein gut 50 Jahre altes Gewerbepanoptikum im ländlichen Süden der Stadt. Als ich am Albplatz aus Gründen leiblicher Vorsorge die Bushaltestelle aufsuchte, sah ich an der Stahltür der öffentlichen Männertoilette dieses amtliche Schild: „Wegen anhaltendem Vandalismus vorübergehend geschlossen“. Wenn ein solcher Hinweis Panik in mir auslöst, dann sicher nicht, weil er den korrekten Genitiv durch den falschen Dativ ersetzt. Für den Mann auf Stadttour ist ein verriegeltes Klo so schmerzhaft wie eine ausgetrocknete Oase für den Wüstenwanderer.

Was aber bedeutet „Vandalismus“? Mein alter Brockhaus definiert Vandalismus (auch Wandalismus) als „rohe Zerstörungswut“. So gesehen müsste dieses Benehmen in einem volkseigenen Abort schwer bestraft werden. Die Zerstörung eines städtischen Klos bedeutet ja nichts anderes als absichtlich verhinderte Hilfeleistung in höchster Notdurftnot.

Der Begriff „Vandalismus“ ist allerdings mit Vorsicht zu behandeln, wie ich nach meiner unfallfreien Rückkehr aus dem Stadtteil Tränke ermittelte. Die germanische Volksgruppe der Vandalen, seit dem ersten Jahrhundert nach Christus im Oder-Warthe-Raum ansässig, war nach neuen Erkenntnissen anständiger, als es ihr Ruf vermuten lässt. Diese Menschen waren Flüchtlinge, vertrieben von den Westgoten, die wiederum den Hunnen und Ostgoten hatten weichen müssen. Auch früher, lernen wir, ging es nicht unmenschlicher zu als heute.

Nicht wahr ist jedoch, dass die Vandalen anno 455 Rom aus purer Zerstörungswut geplündert und plattgemacht hätten. Vielmehr raubten sie Schätze und Wertsachen mit einer gewissen Sorgfalt. Unsere heimischen Kolonialverbrecher-Ahnen brandschatzten brutaler. Das Degerlocher Kloschild strotzt deshalb vor politischer Unkorrektheit. Und die Degerlocher Toilettenterroristen haben vermutlich keinen Schimmer von der Geschichte ihrer angeblichen Vorbilder, und damit noch weniger als ich.

Angesichts dieser Erkenntnis könnte man heute glauben, es habe sich einst um Geschichtskorrektur und Wiedergutmachung gehandelt, als in Zuffenhausen eine Straße nach den Vandalen benannt wurde. Stimmt nicht. Die Vandalenstraße in der Nähe des Kelterplatzes erhielt ihren Namen 1933, im Jahr, als die Nazis die Macht übernommen hatten und überall in Stuttgart ihre braunen Zeichen setzten. Dass die Vandalen als Germanen von den deutschen Faschisten verehrt wurden und werden, belegt heute eine berüchtigte Berliner Gruppe von Neonazis und verbrüderten Mitgliedern einer Straßengang. Als selbst ernannte „ariogermanische Kampfgemeinschaft“ treibt sie ihr Unwesen unter dem Namen Vandalen. Besagte Adresse in Zuffenhausen gibt es bis heute. Voll cool, Alter, gehst du Vandalenstraße. In der Nachbarschaft liegt übrigens die Langobardenstraße, im anhaltenden Germanenwahn 1938 so benannt.

Soll bloß niemand denken, nach den Märzstürmen hätte ich meinen Hut aufgesetzt, um mich mit Germanen und Nazis zu beschäftigen. Ich wollte nur zur Tränke, an einen bizarren Ort mit unzähligen Firmen, darunter womöglich auch welche, über deren Beitrag zur Weltwirtschaft man nichts Genaueres wissen möchte.

Bekannt ist die Tränke vor allem durch den Hochland-Kaffee, der aus Überseeländern via Hamburg zum Firmensitz nach Degerloch geliefert wird. Auf Tränke­Terrain residieren auch so exotisch anmutende Unternehmen wie Paganino, ein Online-Handel für Streichinstrumente, oder Pro Heraldica, eine GmbH für Ahnenforschung.

Ja, die Ahnen. In der Julius-Hölder­Straße des Gewerbesatelliten findet man auf einem Briefkasten am Haus Nummer 48 neben mehr als 20 anderen klein gedruckten Namen einen „Verein zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit“. Dahinter verbirgt sich der Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten, der die AfD unter anderem in Wahlkämpfen unterstützte und in den Spendenskandal um die rechtsnationalistische Partei verwickelt ist. Die Ideologien dahinter führen einen zwangsläufig zu jener Sorte unserer Vorfahren, gegen die uns die Vandalen wie antike Humanisten erscheinen müssen.

Als ich aus Lust am Nichtstun in ausufernden Schlangenlinien zu Fuß zum Albplatz zurückging, kam ich zu einem Haus, hinter dem zwei Pferde ihre Köpfe in ihre Tränke hielten. Ich schaute ihnen beim Saufen zu und dachte darüber nach, ob man auch das geschredderte Bild „Love is in the Bin“ des Street-Art-Künstlers Banksy landläufig dem Vandalismus zuordnen könnte. Die Arbeit wurde zuvor von ihrem anonymen Schöpfer aus der Ferne zerstört und hängt jetzt in der Staatsgalerie.

Ich denke, in der Sache Banksy ist der Begriff „Vandalismus“ so angebracht wie beim Blick auf das geschlossene Degerlocher Klo. Das Bild hängt ja nicht in der Staatsgalerie, um ein menschliches Bedürfnis, in diesem Fall nach Kultur, zu stillen. Sondern in der kunstmarktschreierischen Absicht, Menschen mit Smartphones und Kameras im Anschlag zur Museumskirmes zu locken. Ähnlich wie an einem Unfallort wird auf diese Art ein Totalschaden-Gaffen inszeniert, das der Kunstfreund durchaus als geistigen Vandalismus sehen darf.

Ja, es sind konfuse Zeiten, ich mache mir meinen Reim darauf: Vandale, Vandale / Es riecht nach Randale.

 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·