Bauers Depeschen


Dienstag, 13. November 2018, 2030. Depesche



 



HEUTE: EIN ABEND MIT BERND RIEXINGER

An diesem Dienstag stellt Bernd Riexinger im Linken Zentrum Lilo Herrmann, Böblinger Straße 105, sein Buch „Neue Klassenpolitik“ vor. Unsereins plaudert bei dieser Gelegenheit mit ihm. Beginn 19 Uhr.



Hört die Signale!

DAS LIED ZUM TAG



StN-Kolumne vom 8. November:

STAUB DER STERNE

Es war noch nicht mal vier Uhr in der Früh an diesem 7. November 2018, als ich aus dem Bett kroch. Ich fühlte mich wie damals in den Siebzigern, als ich mich, ziemlich angeschlagen, mitten in der Nacht vor meinen Schwarz-Weiß-Fernseher schleppte, um Muhammad Ali zu feiern. Ali stieg nicht nur gegen George Foreman oder Joe Frazier in den Ring. Er boxte für uns alle gegen Ungerechtigkeit und Rassismus, erhob seine Fäuste für all die Dinge, für die wir bis heute vergeblich kämpfen. Ali rappte schon mit gereimten Texten, als es noch keinen Rap gab, und er schwebte wie ein Schmetterling und stach wie eine Biene. Das war Amerika. Das war für uns Hinterwäldler irgendwie Rumble in the Jungle.

Diesmal ist alles anders. Der Kerl, der mich aus dem Bett getrieben hat, steht nicht mal selbst zwischen den Seilen. Diese solariumverfärbte Trampelvisage auf dem US-Thron hat das Spektakel nur befeuert, mit Krawall und gottverdammten Lügen. Und dann bricht es aus mir heraus: Yeah! Fuckin’ great! Diesmal, mieser, blondierter Föhnwisch, hast du keinen K. o. gelandet. Deine Erzfeinde, die Demokraten, haben bei den Midterm-Wahlen wenigstens das Repräsentantenhaus erobert. Es gibt einen Fingerhut voll Hoffnung vor der Apokalypse: Menschen in den USA, die nicht von deiner Propagandamaschine gefressen wurden.

Von Wahlen kann man ja heute nicht mehr reden. 5,2 Milliarden Dollar haben internationale Konzerne in die Midterm-Schlacht gepumpt, darunter deutsche Unternehmen, deren Geld zu 60 Prozent Donald Trumps Republikaner aufrüsteten. Fast dankbar nimmt man zur Kenntnis, dass der in unseren Gefilden ansässige IT-Konzern SAP seine Kohle vorwiegend den Demokraten zuschob. Bekanntlich dekoriert sein Logo die Trikots eines dörflichen Fußballvereins, der neulich den VfB wie einen nassen Sack mit 4:0 verdrosch.

Das Schmiergeld für die Wahlen erzählt uns, dass Politik heute nichts anderes ist als gigantisches Showgeschäft im globalen Casino. Das war es zwar auch schon früher, man hat es nur besser vertuscht. Wer sich heute für das Thema interessiert, dem sei das Standardwerk des amerikanischen PR-Mephistos Edward Bernays aus dem Jahr 1928 empfohlen. Das Buch heißt „Propaganda“ und klärt uns auf: „Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft. Wer die un­gesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist.“

So funktioniert das Geschäft namens Demokratie auch bei uns. Es wäre also dumm zu glauben, die Propaganda der heutigen Populisten sei auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Die krähen nur wie die Gockel auf den Haufen der dunkelsten Zeiten.

Warum aber muss ein friedlich zur Ruhe gebetteter Mann wie unsereins nächtens aus der Koje purzeln, bloß um zu schauen, was die Amis treiben? Ach, weil ihm steinschwer ein Hotdog im Magen liegt, seit ihm vor einer Ewigkeit der Rock ’n’ Roll und all das andere Zeugs aus den USA feuchte Träume bescherte.

Selbstverständlich hat sich das große Entertainment mit seinen Künstlern in die Midterm-Wahlen eingemischt – leider nicht nur Schriftsteller wie der erklärte Trump-Gegner Paul Auster, mit dessen Roman „Brooklyn Revue“ in der Tasche ich vor ein paar Jahren durch New York gestiefelt bin, nur um die Schauplätze im Buch auch im richtigen Leben zu riechen – und heraus­zufinden, was es mit dem ersten Satz des Romans auf sich hat: „Ich suchte nach einem ruhigen Ort zum Sterben. Jemand empfahl mir Brooklyn . . .“

Mit einer solchen Zeile lassen sich sterbensschöne Songs schreiben, wie sie Paul Austers Tochter Sophie singt. Längst habe ich mir eine Platte von ihr besorgt, schon weil mich unsere schwarz-weiß glasierten Bäckerstücke mit dem depperten Namen Amerikaner sauer aufstoßen.

Die Amerikaner machen mir es nicht leicht. Vor wenigen Jahren besuchte ich im Berliner Musikclub Lido, einem ehemaligen Kreuzberger Kino, den Auftritt des Schriftstellers und Countrymusikers Kinky Friedman. Im Foyer stand ein freundlicher älterer Herr mit Schnurrbart und dicker Zigarre und signierte mir meine frisch gekauften Platten. Diesen Gentleman nennt man auch Kinkster. Ein Texaner, der uns einst mit schwarzhumorigen Songs wie „They ain’t makin’ Jews like Jesus anymore“ und gewitzten New-York-Krimis wie „Ballettratten in der Vandam Street“ den Staub der Sterne ins Hirn blies. 2006 kandidierte er mit großen Gesten bei den Gouverneurswahlen von Texas – und holte 13 Prozent.

Und heute? Der Kinkster hat sich in­zwischen als Trump-Fan geoutet, hält diesen Lügenbaron gar für einen Mann wie Churchill: unansehnlich, aber tatkräftig. Was willst du machen mit solchen verrückten, ausgeflippten Amis? Ich kann doch nicht einfach meine Platten und Bücher verbrennen. Also muss ich wieder mal einen gewaltigen Hotdog schlucken. Das ging mir schon oft so, auch mit dem verehrten Trump-Verehrer Clint Eastwood. Der passt auch nicht mehr in einen meiner Cowboystiefel, hängt aber als Foto samt Autogramm in meiner Bude. Hängt ihn höher.

 

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