Bauers Depeschen


Freitag, 25. Mai 2018, 1956. Depesche



 





WILLKOMMEN IM HAFEN, beim Tag am Neckar: Am Samstag, 16. Juni, feiern wir den Flaneursalon am Fluss. Zum 20-jährigen Bestehen meiner Lieder- und Geschichtenshow volles Programm: Eric Gauthier & Jens-Peter Abele, Dietrich Krauß, Rolf Miller, Hajnal & Friends, Toba Borke & Pheel, Chor rahmenlos & frei.

Hier geht's zum Vorverkauf mit allen Infos: MUSICCIRCUS - Kartentelefon: 0711/ 221105



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



Die StN-Kolumne vom 19. Mai - hier etwas zeitverzögert erstmals frei online:



VOLL DER KRACHER

Auch der Spaziergänger braucht hin und wieder eine Weile, um in Tritt zu kommen. Aber er wird immer wieder losgehen, solange das Gehen geht. Unterwegs lerne ich, dass Heslach, vom Marienplatz aus betrachtet, vor dem Erwin-Schoettle-Platz an der Adlerstraße anfängt. Wenn man nach rechts in die Adlerstraße einbiegt, sieht man das Schild der schwäbischen Gaststätte Alte Hupe. Ich bitte, den Namen Alte Hupe sofort unter Denkmalschutz zu stellen.

Vorbei an Matthäuskirche und Schoettleplatz stiefle ich links die Karl-Kloß-Straße hoch. Nach einer Weile geht die Fetzerstraße quer ab. Der Namen Kloß ist mir geläufig, der Mann war ein weithin bekannter Schreiner und sozialistischer Arbeiterführer. Bei seiner Beerdigung im Februar 1908 zog sich der Trauerzug von Heslach bis zum Pragfriedhof. Seit meinem jüngsten Spaziergang aber erst weiß ich, dass auch Karl August Fetzer ein fortschrittlicher, demokratischer Politiker war. Der Rechtsanwalt und Dichter saß von Mai 1848 bis zum Ende des Rumpfparlaments im Juni 1849 als Abgeordneter für Leonberg in der Frankfurter Nationalversammlung.

Nach der Fetzerstraße kommt die Wilhelm-Raabe-Straße, die berühmt ist – wie tout Heslach, seit die Medien bundesweit über die Besetzung von zwei Wohnungen in der Raabestraße 4 berichten.

Heslach, von Eingeborenen „Häslach“ ausgesprochen, ist in weiten Teilen ein Pflaster voller liebenswerter Buntheit und aufregender Geschichte. Weil es in diesem Stadtteil eine Hasenstraße gibt, dachte ich lange, sein Name leite sich vom Karnickel ab. Stimmt nicht. Heslach geht zurück auf den Haselnussstrauch, der am Nesenbach wuchs, als er noch nicht verbuddelt war.

Als ich in die Raabestraße einbiege, sehe ich im Schaufenster der kleinen Bäckerei an der Ecke die Erklärung der Hausbesetzer für ihre Aktion. Vor dem Laden, neben dem Schild der Raabestraße, stolpere ich bei¬nahe über einen Aufsteller mit der Schlagzeile: „Stuttgart plant eine Philharmonie“. In solchen Bildern spiegeln sich Politik und Gegensätze einer Stadt. Die Philharmonie soll nach dem Willen einer Mehrheit im Gemeinderat als Ersatzgebäude für die Oper gebaut und später als Konzerthaus genutzt werden. Das Opernhaus im Schlossgarten muss bekanntlich demnächst etliche Jahre lang für mehrere hundert Millionen Euro renoviert werden.

Die Staatsoper, ein Ort des Ideenreichtums und der handwerklichen Virtuosität, bespielt ihr Publikum auf einem Niveau, von dem im Rathaus nur eine spezielle Art von Lautstärke ankommt. In der Debatte schmetterte der Oberbürgermeister in den Saal, die neue Philharmonie müsse „ein Kracher“ werden. So redet man, wenn es um Schülerpartys oder den Marketinglärm der städtischen Event-Abteilung geht.

Die Provinzrakete aber soll steigen, weil die Parteien das ursprünglich vorgesehene Interimsquartier für die Oper im Paketpostamt im Rosensteinpark nach neuen Berechnungen für zu teuer halten. An dieser Stelle Zahlen zu nennen hätte keinen Sinn: Es geht um kalkulierte Millionen im dreistelligen Bereich, die erfahrungsgemäß im Bau¬gewerbe nichts Endgültiges haben – und dem Laien nichts verdeutlichen über einen Betrieb wie die Staatsoper, in dem 1000 Menschen arbeiten.

Weil sich Stuttgart bekanntlich weltweit mit der grandiosen Umsetzung geplanter Größenwahnprojekte einen einzigartigen Ruf vor allem in Psychiaterkreisen erworben hat, treten einige Stadträte auch jetzt, ein Jahr vor den Kommunalwahlen, mit entsprechendem Selbstbewusstsein auf: Kotz (CDU) und Körner (SPD) brachten zur besseren Einordnung ihrer Philharmonie schon mal die Hamburger Elbphilharmonie ins Spiel. Dieses Haus, ursprünglich mit 77 Millionen Euro geplant und am Ende für schlappe 800 Millionen realisiert, heißt meines Wissens vor allem deshalb Elphilharmonie, weil es an einem Fluss namens Elbe steht. Das Gebäude mit 26 Geschossen und 110 Metern Höhe auf dem Sockel eines ehemaligen Kaispeichers erhebt sich an der westlichen Spitze der neuen, ebenfalls spektakulär erbauten Hafencity. Da geht es eher nicht um eine Dreigroschenoper, und ich muss sagen: Sich einen solchen Bau zum Vorbild zu nehmen ist schlüssig in einer Stadt, die am überdolten Nesenbach seit jeher internationale Maßstäbe setzt.

Laut CDU geht es ja nicht nur um ein Konzerrhaus mit vorübergehendem Opernbetrieb. Vielmehr soll eine „Landmark“ errichtet werden – gewissermaßen ein weltweit strahlender Leuchtturm, der den abgehalfterten Fernsehturm locker ersetzt. Das englische Wort „landmark“ bedeutet zwar nichts anderes als „Wahrzeichen“. Klingt aber aus den Vollmündern schwäbischer Stadträte mit Gespür für Marketingpolitik und das eigene Denkmal irgendwie geiler, um nicht zu sagen: arschcool.

Noch gibt es keinen Standort für die Philharmonie, bevor sie vermutlich als bestgeplantes Bauwerk aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird. Im Gespräch ist überraschenderweise noch nicht der Boden unter dem ohnehin zerstörten Wahrzeichen Hauptbahnhof. Dafür das frühere Gaisburger Kohlelager. Unabhängig aller Logistikbedenken würde ich dieses Gebäude schon aus Gründen der Namensgebung favorisieren. Da in Anlehnung an die Elphilharmonie (Volksmund: „Elphi“) eine „Nesenbach-Philharmonie“ („Nesi“) womöglich nicht so richtig weltmarkenmäßig klingt, brächte eine andere Landmark Stuttgarts wahren Charakter auf den Punkt: Nennen wir das Ding „Kohlephilharmonie“ oder – mit Blick auf die Elphilharmonie – etwas präziser „Geldphilharmonie“ - Das umstrittene „Hamburger Weltwunder“, wie es oft genannt wird, hab ich mir übrigens vergangenes Jahr angeschaut. Durchs Gebäude lotste mich freundlicherweise Jack Kurfess, der kaufmännische Chef der Elbphilharmonie, geboren 1955 in Stuttgart. Von 1985 bis 1990 war er Verwaltungsleiter im Theaterhaus in Wangen, später unter anderem kaufmännischer Direktor am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Als wir auf dem Dach standen, die Schiffe der Elbe und die Türme Hamburgs vor meinen Fischaugen, sagte ich: Hey, Jack, voll krass der Kracher. Älles wie drhoim.





 

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