Bauers Depeschen


Samstag, 20. Januar 2018, 1907. Depesche



STUTTGART GEGEN RECHTS

TREFFEN AM 10. FEBRUAR

Nach der eindrucksvollen Stuttgarter Demo vor der Bundestagswahl gegen die AfD und den Rechtsruck habe ich mich mit Mitgliedern der Initiative Stuttgart gegen Rechts, einem breiten Bündnis überwiegend junger Menschen, getroffen. Inzwischen haben wir zusammen ein offenes Treffen zum besseren Kennenlernen und Vernetzen organisiert. Auch für alle, die gern was tun würden - aber nicht wissen, wie und mit wem. Erst mal keine große Sache, ein Zeichen, ein Anfang: Information, Diskussion. Das Ganze findet statt am Samstag, 10. Februar, im Württembergischen Kunstverein. 14 UHR BIS 17 UHR. Zwischendurch spielen uns der Freestyle-Rapper Toba Borke und der Beatboxer Pheel den Soundtrack zum Thema. Für Anmeldungen zu besseren Vorbereitung sind wir dankbar:

stuttgart-gegen-rechts@freenet.de. 



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



Die aktuelle StN-Kolumne:

DAS LETZTE FOTO

Die Stuttgarter Fotografin Gerda Taro wurde nur 26 Jahre alt. Im Sommer 1937 starb sie als Reporterin im Spanischen Bürgerkrieg. Ihre Geschichte aber lebt.

Immer wieder tauchen neue Dokumente aus dem kurzen Leben dieser ungewöhnlich mutigen Frau auf. Erst diese Woche hat John Kiszely, ein hochrangiger englischer Offizier im Ruhestand, ein Aufsehen erregendes Foto im Internet veröffentlicht. Es zeigt einen Mann mit Schürze, der sich über eine leblose junge Frau auf einer Feldtrage beugt, um mit einem Tupfer das Blut zu stillen, das aus ihrer Nase fließt. Ihr Gesicht ist nicht vollständig zu sehen. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich um das letzte Bild, das von Gerda Taro gemacht wurde.

Zu diesem Dokument auf seinem Twitter-­Account schreibt John Kiszely: „Habe gerade dieses Foto eines jungen Arztes der Internationalen Brigade im Spanischen Bürger entdeckt – mein Vater.“ Unter seinem Posting antwortet ein Kommentator: „John, ich denke, diese Frau ist Gerda Taro, die Partnerin des legendären Fotografen Robert Capa. Sie starb an ihren Verletzungen, als ihr Auto am 26. Juli 1937 auf dem Rückweg von der Schlacht von Brunete mit einem Panzer kollidierte. Ergibt das Sinn?“ „Ja“, antwortet Kiszely, „auf der Rückseite des Fotos steht ,Mrs Frank Capa, Brunete‘. Gute Detektivarbeit!“

Wer die Nachricht einst auf dem Fotorücken hinterlassen hat, ist nicht bekannt, der falsche Name jedoch zu erklären: Frank Capra war ein berühmter Hollywood-Regisseur; man vermutet, dass die Fotografin den Künstlernamen ihres Lebenspartners in Anlehnung an den Filmemacher wählte, während ihr neuer Name an die Hollywood-Ikone Greta Garbo erinnern sollte.

Gerda Taro, am 1. August 1910 als Tochter jüdischer Eltern in Stuttgart geboren, wurde auf den Namen Gerta Pohorylle getauft. Ihr Partner, Sohn jüdischer Ungarn, hieß ursprünglich André Friedmann. Verheiratet, wie die Notiz „Mrs Frank Capa“ auf dem Fotorücken vermuten lassen könnte, war das Liebespaar nicht.

Erst seit 2008 erinnert die Stadt Stuttgart mit dem Gerda-Taro-Platz an die große Fotografin. 2014 wurde der zunächst lieblose Gedenkort an der Hohenheimer Straße/Ecke Alexanderstraße neu und eindrucksvoll gestaltet. Ins öffentliche Bewusstsein gerückt hat das Schicksal Gerda Taros und ihrer Familie die Exilforscherin Irme Schaber. Schon vor Jahrzehnten recherchierte die Expertin für Kriegsfotografie aus Schorndorf Gerda Taros Leben. 2013, nach vielen Arbeiten zu diesem Thema, hat sie die umfassende Biografie „Gerda Taro – Fotografin“ veröffentlicht. Ihre Untersuchungen und Auf­sätze sind international hoch geschätzt; 2007 hat sie als Kuratorin maßgeblich an der Gerda-Taro-Retrospektive im International Center of Photography in New York mitgewirkt. Diese Ausstellung würdigte Gerda Taro als eigenständige Reporterin und Fotokünstlerin, nachdem sie lange im Schatten des legendären, 1954 in Indochina gefallenen Robert Capa gestanden hatte. 2010, nach hartnäckigen privaten Bemühungen, war diese Schau auch im Stuttgarter Kunstmuseum zu sehen.

2007 habe ich als Tourist die Taro-Schau in New York besucht und kurz darauf Irme Schaber kennengelernt. Seitdem beschäftigt mich das Thema, was ich erwähne, um auf die Gegenwärtigkeit dieses Stoffs hinzuweisen. Regelmäßig tauchen neue Fakten auf. 2008 etwa wurde auf einem Dachboden in Mexiko ein Koffer mit zahlreichen Filmen und Fotos gefunden, die Experten eindeutig Gerda Taro zuschreiben konnten. Die Nachricht von diesem sensationellen Fund ging um die Welt. Das Material förderte bahnbrechende Erkenntnisse über das Werk der Fotografin zutage.

In diesem Jahr, mitten in der Auseinandersetzung um den bedrohlichen Antisemitismus in unserem Land, wird in Irme Schabers öffentlicher Arbeit auch die Geschichte der Familie Pohorylle wieder eine Rolle spielen. Am 9. November jährt sich zum 80. Mal die Reichspogromnacht mit den Überfällen der Nazis auf die Juden, dem Signal zum größten Völkermord der Geschichte. Niemand aus Gerda Taros Familie hat den Holocaust überlebt.

In den Zwanzigerjahren hält sich Vater Heinrich Pohorylle mit einer Eierhandlung in der Reinsburgstraße über Wasser, bis die Familie aus wirtschaftlicher Not zu Verwandten nach Leipzig umziehen muss. Dort wird Gerda 1933 nach ihrer Mitwirkung an einer Flugblattaktion von den Nazis verhaftet. Nach ein paar Wochen wieder frei, geht sie ins Exil nach Paris, wo sie André Friedmann kennenlernt.

Das jetzt auf Twitter veröffentlichte Foto aus dem Spanischen Bürgerkrieg zeigt mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit Gerda Taro nach ihrem tragischen Unfall. Bei der Schlacht von Brunete in der Nähe von Madrid steht sie mit ihrer Kamera auf dem Trittbrett eines Fahrzeugs, als ein Panzer den Wagen erfasst und ihre Beine überrollt. Der russische Tank gehört zu den Streitkräften der Republikaner, für die sich Gerda Taro wie andere Künstler und Aktivisten aus aller Welt im Kampf gegen Francos Faschisten engagiert.

Das Foto, das jetzt bei Twitter aufgetaucht ist, zeigt den aus Ungarn stammenden Mediziner John Kiszely. Er war im Spanischen Bürgerkrieg im Englischen Hospital der 35. Division der Internationalen Brigaden in El Escorial eingesetzt. Sein Sohn, der Ex-General John Kiszely, hat das Bild mehr als 80 Jahre nach Gerda Taros Tod ins Netz gestellt. Gestern Morgen habe ich mit ihm per E-Mal Kontakt aufgenommen, am späten Abend erreichte mich seine freundliche Erlaubnis, sein Bild zu verwenden. Ein spanischer Fernsehjournalist fragte am Freitag Irme Schaber, ob sie die Frau auf dem Foto als Gerda Taro identifizieren könne. Sie recherchierte und ist sich inzwischen sicher: Es handelt sich um die Fotografin. Ein Dokument im Londoner Imperial War Museum belegt, dass Dr. John Kiszely Gerda Taro im Juli 1937 behandelte. Ein ähnliches Foto wie das auf Twitter wurde zuvor in einem Band über die Sanitätsarbeit im Spanischen Bürgerkrieg veröffentlicht, allerdings ohne Hinweis auf Gerda Taro.

Ob sie schon tot war, als das Bild aufgenommen wurde, ist nicht vollständig geklärt. Ihre sorgsam verschränkten Hände auf ihrem Körper lassen darauf schließen. Vermutlich, teilte ein Experte Irme Schaber mit, entstand das Foto in der Leichenhalle des provisorischen Lazaretts in El Escorial.

Gerda Taro aus Stuttgart gilt heute als die erste Fotoreporterin der Welt, die im Krieg gefallen ist.



 

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