Bauers Depeschen


Dienstag, 08. August 2017, 1827. Depesche



 



FLANEURSALON mit ROLF MILLER

in UNTERTÜRKHEIM

Am 17. Oktober ist der Flaneursalon in Untertürkheim, an einem eher unbekannten Ort. Bei unserem Gastspiel in einem bizarren, zum Club ausgebauten Industriekeller machen der Halbsatz-Komiker Rolf Miller, das Folklore-Duo Loisach Marci und die Sängerin Anja Binder mit. Vorverkauf - auch telefonisch: EASY TICKET



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



Die aktuelle StN-Kolumne:



SCHNECKENTEMPO

Ich hab den Bugwellen, den Enten und anderen schrägen Vögeln zugeschaut. Zweimal habe ich einen einsamen Angler am Ufer und später einen noch einsameren Schwimmer im Neckar erspäht.

Auf den Straßen der Stadt liegen schon wieder Kastanien und ihre stacheligen ­Verpackungen, was nur heißen kann: Die Tage des Jahres sind gezählt. In Gedanken fuhr ich schon mal einem Ereignis des kommenden Jahres entgegen: 2018 feiert der Stuttgarter Neckarhafen sein 60-jähriges Bestehen. Bis heute wissen viele im Kessel nicht, dass sie in einer Hafenstadt leben. Oft genug habe ich mitleidiges Lächeln geerntet, wenn ich ihn erwähnte.

Die Geschäfte an den Kais zwischen Unter- und Obertürkheim, Wangen und Hedelfingen gehen gut. „Trotz Niedrigwasser wächst der Hafen Stuttgart bei Bahn und Schiff“, hab ich in der Fachzeitschrift „SUT“ (Schifffahrt, Hafen, Bahn und Technik) gelesen. Mehr als 3000 Menschen arbeiten an den Neckarufern, und seit die „Lange Nacht der Museen“ mit spektakulären Lichtinszenierungen zwischen Schrottbergen viel Publikum lockt, dümpelt der Hafen etwas weniger im Dunkel der Öffentlichkeit. Der Event-Organisator Johannes Zeller, vielen noch als Mitbegründer des „Unbekannten Tiers“ – einem Club mit hohem Seegang – und der Kleinkunstbühne Rosenau bekannt, ist seit einiger Zeit Angestellter der Hafen GmbH und wird sich auch um das Jubiläum kümmern.

Der heimische Binnenhafen ist aber nur eine Randnotiz in meinem Hinterkopf, als ich zu meinem Sonntagsausflug aufbreche: Muss dringend raus aus der Stadt, in der zurzeit so heftig wie noch nie über Glanz und Elend des Automobilauspuffs gestritten wird. Als Täter in diesem Stinker-Fall komme ich nicht infrage: Ich besitze keine Karre und wähle diesmal für meinen Trip eine klassische Entschleunigungskutsche. Diesel, versteht sich, „aber umweltfreundliche Motoren“, sagt mir Jürgen Raff, Schiffsführer auf dem Ausflugsboot „Wilhelma“. Der Mann hat Erfahrung. Anfang des Jahres hat er mit Kollegen das Neckar-Käpt‘n-Schiff „Stuttgart“ über den Rhein und die Maas nach Holland gelenkt. Es wurde verkauft.

Vormittags um elf gehe ich im Cannstatter Baustellenchaos des Rosensteintunnels an Bord der „Liberty“. Die erste Etappe auf der Neckar-Käpt‘n-Route wird uns in drei Stunden rund 30 Kilometer nach Marbach führen. Nach dem raschen Umstieg in Schillers Geburtsstadt auf die „Wilhelma“ habe ich noch einmal zwei Stunden für die knapp 20 Kilometer nach Besigheim vor mir. Die Rückfahrt mit der Elektrischen, auch S-Bahn genannt, wird kaum mehr als eine halbe Stunde dauern.

Selbst ein altes Ausflugsschiff ist ein beflügelndes Instrument. Du sitzt mitten in der Geräuschkulisse schnatternder Reisegruppen und Familien, und regelmäßig gehen die Konservenansagen aus den Lautsprechern über Land und Leute der Umgebung in der Erregung an Bord unter. Manchmal komme ich mir vor wie bei Loriot, nicht nur wegen der Enten.

Obwohl ein Passagierschiff auf dem Neckar nur 18 Kilometer die Stunde fahren darf, vergeht die Zeit auf dem Wasser schneller als im Flug. Dieses seltsame Tempogefühl hat Gründe: Während man durchs Fenster eines Fliegers die meiste Zeit nicht mehr sieht als ein verschwommenes Nichts, fliegen beim Blick von einem schwimmenden Boot auf die Landschaft die Gedanken durch die Welt.

Auch Besigheim ist eine Welt: Als „schmutziges Landstädtchen“ hat es einst ein gewisser Goethe abgetan. Aber der hatte noch nicht so viel Ahnung von der Welt wie wir Gegenwärtigen, die seit langem nicht nur auf Goethe, sondern auch auf dessen Zukunft zurückblicken. Heute erhebt sich der touristische Erholungsort Besigheim „prächtig wie eine Filmkulisse über den Ufern des Neckars und der Enz“, schreibt Jan Bürger in seinem Buch „Der Neckar – Eine literarische Reise“ (C. H. Beck Verlag). Nach Prüfung der Historie unterwegs auf meinem Taschentelefon kann ich bestätigen: Dieses Besigheim ist so alt und so gut erhalten, dass ich vor lauter Respekt nicht laut zu schnaufen gewagt habe, als ich mich von der Anlegestelle über die steile Treppe zu den mittelalterlichen Bauten der Altstadt hochkämpfte. Doch könnte ich hier beim besten Willen nicht viel vom – man sagt wohl: malerischen – Besigheim erzählen, ohne mich zu ­blamieren. Nach nur zweistündigen Landgang darf ich reinen Gewissen bestenfalls von den guten Maultaschen im Restaurant Hirsch berichten – und von den tapferen Bauernkriegern, die einst Besigheim besetzt hielten, leider aber noch vor meiner Ankunft von den Tyrannen vertrieben wurden.

Zurück zum Bordleben. Die Deutung der vorbeiziehenden Landschaften, der wunderschönen Weinberge, fällt mir trotz unseres Schneckentempos schwer. Zu wenig weiß ich von den Dingen da draußen, darf aber nach etlichen Schiffstouren behaupten: Dem Neckar geht es überall besser als in unserer Stadt. Und mag der Ortsname Poppenweiler angesichts der Codes aus den Tiefen des Trieblebens für manchen Komiker witzig klingen: Das Neckarnaturschutzgebiet des Ludwigsburger Stadtteils zeigt uns beim Vorbeischippern, was für eine unerotische Popelbeziehung Stuttgart zu seinem Fluss unterhält.

Ein Ausflugsschiff ist kein Kahn oder Floss, weder Kajak noch Kanu – allesamt besser geeignet, das Wesen des Wassers und seiner Landschaft unmittelbar zu erfahren. Aber wenn ich am Bug im Fahrtwind stehe und Steuerbord hinaufschaue zu den berühmten Hessigheimer Felsengärten, dann ist der Tag gerettet, selbst wenn nicht mehr viel zu retten ist.

Eine Bootsfahrt weckt immer Erinnerungen, irgendein Name schwebt übers Wasser. In Besigheim wurde 1928 die große Malerin Luisa Richter geboren. Das Kunstmuseum am Schlossplatz hat noch 2014 ihre Bilder ausgestellt. Im Oktober 2015 ist die einstige Schülerin von Willi Baumeister in Caracas gestorben. Mit ihrem Mann, dem Ingenieur Hans Joachim Richter, lebte sie in Venezuela und wurde international geschätzt. Der Frankfurter Kulturmanager Hilmar Hoffmann hat sie einmal die „Brückenbauerin zwischen den Kulturen“ genannt.

Huck Finn wird mir zustimmen: Am Fluss entdeckst du immer Brücken zwischen den Kulturen.



 

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