Bauers Depeschen


Dienstag, 18. April 2017, 1779. Depesche



 



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Die aktuelle StN-Fußballkolumne:



ALLES NORMAL

Zurzeit begegnet uns sehr oft das Wort „Normalität“ – und langsam ahne ich, was damit gemeint ist: Als Normalität gilt neuerdings die Zeit zwischen Terroranschlägen. Terror habe zum Ziel, heißt es im jüngsten „Spiegel“-Leitartikel, „den Alltag mit Ängsten zu spicken, die Normalität zu unterbrechen oder abzuschaffen. Wenn Attentätern das gelingt, haben sie einen Sieg davongetragen.“

Gleichzeitig erzählt uns „Bild am Sonntag“, mit seinem umjubelten Treffer zum 2:1-Zwischenstand gegen Eintracht Frankfurt – einem 108 km/h schnellen Ball aus 23 Metern ins lange Eck – habe der griechische BVB-Verteidiger Sokratis einen „Schuss zurück in die Normalität“ abgefeuert. Schließlich seien ihm noch zuvor, nach dem Champions-League-Spiel gegen Monaco, die Tränen gekommen.

Ob sich ein Spieler nach einem glücklich überstandenen Sprengstoffattentat mit einem schönen Tor in die „Normalität“ zurückschießen kann, mag ich nicht zu beurteilen. So wenig wie den psychischen Zustand eines Menschen nach einem solchen Erlebnis wie vergangene Woche in Dortmund. Gehörige Zweifel allerdings habe ich, ob sich „Normalität“ mit dem „The show must go on“-Prinzip herstellen lässt. Man kann doch nicht einfach so tun, als ließe sich eine ganze Gesellschaft durch Gewalt so wenig beeinträchtigen wie deren Geschäfte, die im Übrigen oft genug von Gewalt profitieren.

Die Frage zu beantworten, ob es „falsch“ oder „richtig“ war, das abgesagte Spiel in Dortmund schon einen Tag später nachzuholen, halte ich deshalb für unsinnig: Die sogenannte Normalität bleibt ohnehin so lange gestört, wie die Diskussion über diese Entscheidung andauert und die Auseinandersetzung mit dem Anschlag und die Suche nach den Tätern weitergehen. Überhaupt schafft der pausenlose Medienbeschuss nach jedem terroristischen Verbrechen das Gefühl, „wir“ würden tagtäglich mit Terror konfrontiert – also ungleich häufiger, als es in Wahrheit der Fall ist.

Noch merkwürdiger klingt es, wenn der BVB-Präsident Rauball die viel gerühmte zivile Wehrhaftigkeit mit dem Satz unterstreicht, seine Fußballspieler seien „Profis“. Als garantiere eine gesunde Berufseinstellung totale Abgezocktheit, Gefühlskontrolle und vor allem Angstfreiheit (bekannt auch als kriminelle Energie). Die ständige Beschwörung der menschlichen Überlegenheit im Profitum des Fußballs erinnert mich an einen Satz des berühmten griechischen Dirigenten Teodor Currentzis: „Professionell ist nur ein anderes Wort für Mittelmaß.“

Im „Spiegel“-Leitartikel heißt es auch, die Dortmunder Spieler seien „für die Gesellschaft nicht nur Individuen, sondern auch Repräsentanten“, die „politisch-gesellschaftlich Vorbild“ sein sollten, „wenn es darauf ankommt“. Diese Forderung entbehrt nicht einer gewissen Komik: Sollen wir uns an der politischen Haltung eines 22-jährigen Lamborghini-Fahrers orientieren, der im Alltag seinem Ferrari-Kollegen beweisen muss, wo der Hammer hängt? Das bedeutet andrerseits nicht, dass sich einzelne Spieler nicht auch mal vorbildlich verhalten können – so wie jeder Mensch: Wohltuend war in einigen Stadien die Solidarität vieler namenloser Fans mit einem konkurrierenden Club. Sie sind die Repräsentanten der Anständigkeit.

Was aber bedeutet schon Normalität? Normal war, dass ich nach den Anschlägen auf das World Trade Center und den fortwährenden Katastrophenbildern im Fernsehen tagelang jedes Flugzeuggeräusch am Himmel mit mulmigen Gefühlen wahrnahm. Und normal ist, dass ich nach dem Dortmunder Vorfall am Samstag vor dem Spiel der Stuttgarter Kickers beim Anblick eines einsam am Waldau-Bahnsteig stehenden Rollkoffers seltsame Gedanken hatte. Mit dem 3:1 gegen Pirmasens aber haben mich die Blauen in die Normalität meiner Viertklassigkeit zurückgeschossen. Diese Leistung, um nicht zu sagen: diese professionelle Performance, ist für mein weiteres Leben im politisch-gesellschaftlichen Abstiegskampf vorbildlich.



 

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