Bauers Depeschen


Samstag, 08. April 2017, 1773. Depesche



 



Etwas aus den Beständen:



ARMER DARM

Es war schon Herbst. Eine lange Arbeitspause lag hinter mir. Das Warum ist eine eher private Sache, auf die Sie, wertes Publikum, auf keinen Fall mit Nachsicht oder Mitleid reagieren dürfen. Ich sage Ihnen nur so viel: Ein läppisches Stück Darm kann sich um das ganze Leben eines Menschen herumschlingen, einen Mann einschnüren, seinen Geist strangulieren.

Ich hoffe, Sie können mit dieser Steilvorlage etwas anfangen und haben von Giulia Enders’ Bestseller mit dem womöglich dümmsten Buchtitel aller Zeiten gehört: „Darm mit Charme“.

Gott erbarm. Es ist nicht einfach, sich in der Gegenwart zurechtzufinden und das fortschreitende Leben zu akzeptieren. Ich meine damit nicht die blühenden Herbstzeitlosen, die reifen Äpfel und die Tonnen gefallener Kastanien, die in den Tagen, von denen ich erzähle, vor und in der Stadt zu bewundern waren. Ich spreche auch nicht von der Eisdiele Pinguin am Eugensplatz, die schon Anfang September ihre „Winterpause“ ankündigt, während schon der erste Weihnachtsramsch in den Supermarktregalen herumgammelt. Was einen vollends fertig macht, ist die extrem schnelle Entwicklung auf dem Gebiet des geheimdienstlichen Überwachungsgrauens.

Vor meiner Arbeitspause hatte ich beiläufig in einer Kolumne erwähnt, beim Heimspielbesuch der großen Stuttgarter Kickers in unserem Reutlinger Exil in der Umbau-Saison 14/15 sei es für jeden anständigen Mann eine große Ehre, sich in einem fremden Schalensitz eine blutige Hämorrhoide zu holen. Keine fünf Sekunden erhielt ich über zwei verschiedene E-Mail-Adressen kommerzielle Angebote zur spirituellen Hämorrhoiden-Behandlung. Einer der Wunderheiler konnte das Wort Hämorrhoide nicht mal richtig schreiben. Offenbar ist die Orthografie wesentlich schwieriger als die Therapie.

Sie merken, liebes Publikum, heute geht es um ein delikates Thema. Um Darm-Alarm.

Was soll ich machen. Das menschliche Füllhorn der Fäkalien hat Unmengen Überraschungen zu bieten. Bis heute hält sich das Gerücht, Paganini habe aus dem Darm seiner ermordeten Geliebten die G-Saite seiner Geige gefertigt. Leider handelte es sich nicht um Veronica Ferres, die später in dem Film „Der Teufelsgeiger“ eine kleine Rolle spielte. Wer diesen Schrott gesehen hat, begreift die Tragweite von Giulia Enders wichtigstem Buchkapitel: „Wie der Darm das Hirn beeinflusst“.

Und das Urteil über die Menschheit verändert für immer dieser Satz: „Darm und Hirn arbeiten schon sehr früh zusammen.“

Die ganze Wahrheit darüber sehen wir auf ARD und ZDF, der öffentlich-rechtlichen Darm-Statt von Meinungspupsern wie Sigmar Gabriel und Ursula von der Leyen, Wolfgang Bosbach und Dieter Nuhr.

Warum der Darm das Sein prägt, lehrt uns auch die Lust auf die neuen Bedürfnisanstalten des Konsums. Dahinter verbergen sich organische Ursachen, und Veränderungen“ in der Stadt reichen weit ins Innere dieser Häuser hinein.Selbstverständliche sind des „strukturelle“ Veränderungen, weil alle Veränderungen ohne die angedockten Wörter „strukturell“ und „strukturiert“ zurzeit vollkommen wertlos sind.

Nicht lange her, da suchte ich in der Langen Straße neben der Königstraße ein kleines, mir unbekanntes Restaurant auf. Ich musste austreten. So nennt man diesen, nicht unbedingt darmgesteuerten Vorgang bis heute, auch wenn dieser Art des Austretens nichts Heroisches hat, eher etwas Erleichterndes wie ein Austritt aus der SPD.

Auf der Herrentoilette schaute ich während meiner Arbeit in ein zeitgenössisches Urinal, auch als Pissbecken bekannt. Dieses Urinal entsprach dem digitalen Standard unserer Zeit; am oberen Beckenrand war es mit einem Bildschirm ausgerüstet. Dieses High-Tech-Teil erklärt dir nicht nur – Zita – „Die saubere Lösung ohne Wasser und Chemie“, die eine anscheinend revolutionäre Technik des Wasserlassens ohne Wasser. In einer Bildschirmecke fand sich auch der Hinweis: „Mich kann man als Werbefläche mieten.“ Bei diesem „Mich“ handelt es sich nicht etwa um ein traditionelles Klo-Graffito mit der Telefonnummer eines sexuellen Dienstleisters. Mit „mich“ war das Urinal selbst gemeint. Unter den harten Abschlägen zielbewusster Männer muss das Pissbecken im Lauf der Zeit als eine Persönlichkeit geformt, gewissermaßen eine Existenz in Ich-Form gegründet haben, die ihm irgendein bepisster Marketing-Chef attestierte.

Keine Frage, dieses Miet-Angebot habe ich sofort notiert. Ich werde mir die Werberechte im Pissoir sichern, ehe ein Pharma-Manager an diesem Ort Reklamevideos für Pillen zum Abbau von Nierensteinen und Blasenentzündungen schaltet. Mit der Marketing-Strahlkraft eines Urinals könnte man nicht nur stilgerecht die neuen Einkaufszentren pushen. Es müssten sich auch große Propaganda-Erfolge in der Politik erzielen lassen. Wer etwa in besagtem Lokal in der Langen Straße beim Strullen in die gütigen Augen eines verschlafenen Ministerpräsidenten schaut, weiß noch vor dem Einpacken, auf wen seine nächste Wahl fallen wird: eindeutig auf die saubere grüne Lösung ohne Saft und Energie.

Eine virtuell wie urinal gesteuerte Personality-Show in Kneipen hätte für alle Politiker eine nachhaltigere Wirkung als beispielsweise die fortwährenden Versuche des CDU-Flötisten Strobl, die Linken mit der Bemerkung anzupissen, sie seien „die Nachfolgepartei der SED“ - und damit, wie ich meine, der Darmfortsatz von Frau Merkels Mutterpartei.

An dieser Stelle bin ich endgültig im Enddarm angelangt, verehrtes Publikum, ich wünsche Ihnen einen erregenden Restwinter und einen sauber funktionierenden Darm in Ihrer Stadt mit Charme.







 

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