Bauers Depeschen


Freitag, 10. Februar 2017, 1739. Depesche

 

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FLANEURSALON LIVE

Nach dem atmosphärisch sehr schönen Flaneursalon-Abend am Donnerstag in Esslingen sind wir am Montag, 20. Februar, im Sieglehaus. Es gibt noch Restkarten: online EASY TICKET und telefonisch 0711/2555555. Oder auch über das Kartenbüro der Stuttgarter Philharmoniker: 0711/21688990. - Am 6. April ist der Flaneursalon in der Friedenau in Ostheim - mit Thabilé & Steve Bimamisa, Roland Baisch & Frank Wekenmann.



Die aktuelle StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt":



KRETSCHMANN KRANK IM BETT

In meinem langen Berufsleben ist mir nicht entgangen, dass manche Leserinnen und Leser auf sogenannte witzige Texte stehen. Zumindest auf Textstellen, die etwas Heiterkeit, also eine Art Schmunzeln oder ähnliche entstellende Gesichtszuckungen, auslösen. Lachen ist eine individuelle Sache. Auch Affen lachen regelmäßig, allerdings dezenter und würdevoller als Menschen.

Nue schwer vorstellen kann ich mir, dass sich jemand beim Zeitungslesen vor Lachen den Bauch oder sonst was hält. Eher denkbar ist ein hysterisches Losprusten aus purer Verzweiflung. Schlechte Witze funktionieren ja ohnehin erst, wenn einer dazu Grimassen schneidet und Faxen macht. Oder aber seinen humorlosen Quatsch auf Schwäbisch herunterleiert. No wird’s honderdbro subberluschdig. Gilt für das Staatstheater wie die Fasnet im Fernsehen.

Neulich stand ich am Ufer des schönen Feuersees an der Autorennbahn Rotebühlstraße und schaute hinüber zur Johanneskirche. Auf den Schildern am Geländer las ich, was alles verboten ist, notierte mir aber die amtlichen Bekanntmachungen nicht. Es ging wohl um das Füttern von Enten, Nilpferden und Haifischen. Streng untersagt ist auf jeden Fall das Betreten der Wasseroberfläche – worauf ich seit jeher gern verzichte: Bin ja weiß Gott nicht Jesus.

Als ich die sich langsam auflösenden Eisplatten im Wasser beobachtete, kam mir eine etwas abwegige Frage: Kann eine Stadt eigentlich lustige Seiten haben? Kann sie irgendwo so aussehen, dass man lachen muss? Ich weiß nicht. Lächerlich wirkende Neubauten mit Serienteilen aus den globalen Plattenbau-Discountern sind  nicht zum Lachen, sondern zum Heulen, weil sie viel Originelles in der Stadt zerstören.

Doch, manchmal muss ich lachen, wenn ich durch die Straßen gehe. Beispielsweise im Stadtteil Berg, wo ich in der Klotzstraße diese Bittschrift an der Fassade lese: „Gott schütze dieses Haus / Vor Not und Feuer / Vor Stadtplanung / Und vor der Steuer.“

Die komischen Beiträge wichtiger Figuren der Stadt dagegen entstehen meist nicht durch Inhalte. Da macht der Ton die Musik. Schwäbische Politiker in Stadt und Land versuchen seit Jahren hartnäckig, ihren Landluft-Sound mit offenen Lauten und stimmhaftem „s“ auf weltmännisch zu trimmen.

Besonders komisch wirkt das bekanntlich bei Kretschmann, der mit seinen phonetischen Gewaltmanövern so hartnäckig die Luft aus den Stimmbändern presst, dass ihm die Haare zu Berge stehen.

Die generellen Versuche, den Dialekt mithilfe von Logopäden zu verdrängen, erzeugt allerdings auch einen dermaßen einheitlichen Klangbrei in Rathaus und Landtag, dass man um die Trompetenstöße der schwarzen Rhetorik-Perle Oettinger auf Brüsseler Parkett fast schon dankbar sein muss. Zumindest klingt sein Stakkato entschieden erdiger als etwa die weich gespülte Feuerwehrfolklore des Ministers Strobl. Dieser Herr aus Heilbronn  bemüht sich, mit seiner Dialektverdrängung den Ton des urbanen Weltenverstehers zu finden. Wie andere Polit-Hiptschter spricht er von einer „Erzählung“, wenn er Propaganda meint.

Zur Annäherung an gut klingendes Schriftdeutsch kann unsereins übrigens erstklassige orale Übungen empfehlen. Lektion eins: „Zwanzig Zwerge machen Handstand – zehn im Wandschrank, zehn am Sandstrand.“ Lektion zwei: „In dem dichten Fichtendickicht picken dicke Finken tüchtig.“ (Variieren Sie diesen Zungenbrecher bitte nicht mit Wörtern, die Sie für lustig halten.)

Vom Feuersee ging ich durch die Stadt Richtung Bohnenviertel, bis ich vor einem unterirdischen Kiosk den Werbe-Aufsteller der „Bild“-Zeitung sah. Darauf waren ohne Punkt und Komma folgende Schlagzeilen zu lesen: „Getötete Nadine / Ehemann erhängt sich in Zelle / Kretschmann krank im Bett“.

Da zwischen die Zeilen „Ehemann erhängt sich in Zelle“ und „Kretschmann krank im Bett“ nicht mal mein Daumen passte, stellte mein krankes Hirn umgehend einen Zusammenhang her. Typische  Beziehung von Ursache und Wirkung. In den Marketing-Erzählungen der Wichtigtuer (auch „Narrative“ genannt) ist die Verbindung von Ursache und Wirkung heute nur noch als „C & E“ bekannt: „Cause and Effect“. Ist englisch und klingt arschcool.

Um all diese modernen Kausalketten besser zu verstehen, empfehle ich an dieser Stelle noch mal entspannende Zungenakrobatik: „Zwischen zwei Zwetschgenzweigen zwitschern zwei Schwaben.“ Entschuldigung, muss heißen: „ … zwitschern zwei Schwalben“.

Weil aber zwei Schwaben noch keinen Sommer machen, nache ich auf einen Notstand aufmerksam, der in der Öffentlichkeit Kaum beachtet wird. Jedes Kind weiß heute, dass man das englische Wort Trump mit Trompete übersetzen kann.

Kaum jemand aber hat davon gehört, dass der im Schwäbischen tonangebende Blasmusikverband Baden-Württemberg (BVBW) und der im Badischen auf dem letzten Loch pfeifende Bund Deutscher Blasmusikverbände (DBD) von der Landesregierung zwanzig Millionen Euro fordern, um den Fortbestand ihrer Nachwuchströten zu sichern. Angesichts der bevorstehenden Haushaltsentscheidungen im Landtag geht es um die Finanzierung ihrer Akademien in Plochingen und Staufen.

Da sage ich als alter Freund kerniger Volksmusik: Völker, hört die Signale! Die ganze Welt riecht nach Aufbruch und Revolte. Ohne die Kampfmusik ehrbarer Bläser und Trommler haben wir keine Chance, die Barrikaden zu stürmen und die Zitadelle zu erobern. Zwanzig Millionen her! Der Marsch beginnt!

Damit zur Reklame: Bei der „Nacht der Lieder“, unserer Benefiz-Show am 5./6. Dezember im Theaterhaus, treten auch 25 Mitglieder des Posaunenchors Kornwestheim und des Ensembles Junges Blechs Schorndorf aus. Es dirigiert die Engländerin Sophie Pope. Noch (!) gibt es Karten.



 

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