Bauers Depeschen


Dienstag, 21. Juni 2016, 1641. Depesche



 



ES GIBT NOCH KARTEN:

FLANEURSALON IM GALERIENHAUS

Am Donnerstag, 14. Juli, ist der Flaneursalon im Galerienhaus Stuttgart, Breitscheidstraße 48. Beginn: 19.30 Uhr. - Es machen mit: Vater & Tochter, nämlich die Musiker Zam Helga und Ella Estrella Tischa, sowie - erstmals - der Dichter und Bühnenkünstler Timo Brunke. Karten gibt es direkt im Galerienhaus - dienstags bis freitags von 14 Uhr bis 19 Uhr und samstags von 11 Uhr bis 16 Uhr. Galerienhaus: 0711/65 67 70 68. Tickets diesmal 10 € - Jubiläumspreis zum Elfjährigen des Hauses.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



NASSES HANDTUCH

Es war Sonntag, die Fußball-EM langweiliger als der Blick auf eine schimmelnde Tapete, mich zog es wieder hinaus zu dieser Hängebrücke über den Neckar. Wenn ich auf dem Max-Eyth-Steg mit seinen mehr als zehn Zentimeter starken Tragseilen übers Wasser gehe, komme ich mir vor, als würde ich schweben. Es ist ein ­wahres Vergnügen, gleich mehrmals hintereinander den Max-Eyth-Steg zu überqueren – im Körperkontakt mit einem Kunstwerk aus dem Hause Schlaich Bergermann Partner (spb), erbaut in den Jahren 1987 bis 1989.

Das Ingenieurbüro residiert heute in der Schwabstraße und ist auch in Berlin, Paris, New York, São Paulo und Shanghai vertreten. Der Firmenmitbegründer Jörg Schlaich, 81 Jahre alt, lebt seit Jahren in Berlin – wie sein Sohn, der 1961 in Stuttgart geborene Filmemacher Frieder Schlaich; der hat zuletzt den Kurzfilm „Three Stones for Jean Genet“ mit der amerikanischen Schriftstellerin und Rocksängerin Patti Smith produziert. In Stuttgart hat er einst mit Irene von Alberti die Filmgalerie 451 gegründet, die legendäre, leider nicht mehr existierende Videothek in der Leuschnerstraße beim Berliner Platz.

Es kommen eine Menge Geschichten zusammen, wenn man über einen Steg geht, hinter dem der Name Schlaich steckt. Eigentlich war es nicht meine Absicht, solche Geschichten zu sammeln, ich wollte nur im Neckarufer-Gasthaus Keefertal einkehren und cool in den Fluss spucken, weil mir zuvor ein Vogel im freien Flug erfolglos auf den Hut geschissen hatte: Innerhalb von Sekunden war mein Deckel im Max-Eyth-See gewaschen. Das Neckar-Lokal allerdings war geschlossen, weil man die Zufahrtsstraße für den Stuttgart-Lauf gesperrt hatte.

Die Keefertal-Immobilie gehört seit einigen Jahren dem Wirtsehepaar Zachmann. Als Käufer war früher mal der Stadtrat Alexander Kotz, der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat, im Gespräch. Wie’s der Teufel will, komme ich auf dem Rückweg von meinem Brücken-Ausflug in Cannstatt an einem Auto der Firma Kotz vorbei. „Sanitär Heizung Flaschnerei“ steht auf der Tür des Kleintransporters. Über dem Hinterrad ist über die gesamte Karosseriehöhe eine junge Frau mit CDU-kompatiblen schwarzen Haaren abgebildet. Aus unerfindlichen Gründen lächelt sie mit leicht geöffneten Lippen, bekleidet ist sie nur armselig mit einem Handtuch, das ein bisschen was von ihrer linken Brust freigibt. Vermutlich hat sie gerade zum ersten Mal seit Langem geduscht, über dem Firmen-Logo liest man den Slogan: „Alles fließt . . .“

Beim Blick auf diese durch und durch stilvolle Kotz-Werbung reizt es mich nicht unbedingt aus Sexismus-Gründen, die Karre aus der Gas-Wasser-Dingsbums-Branche mit gutem Flaschnerwerkzeug nachzubearbeiten. Meine wahre Sorge ist vielmehr: Wenn ein umsatzgeiler Politiker sein Firmenauto mit so viel Gefühl für gutes Design lackieren lässt, was verbricht er dann erst als CDU-Chef im Rathaus bei der Gestaltung unserer Stadt? Vielleicht könnte man sein sanitäres Geschmackszentrum gelegentlich mit einem nassen Handtuch sensibilisieren. Danke.

Alles fließt in der Stadt, vor allem das Geld. In der Eberhardstraße hat sich neben dem irgendwie halb nackt und angefressen herumstehenden Tagblattturm ein Loch aufgetan, wie man es von den Bildern der Bombenangriffe aus dem Zweiten Weltkrieg kennt. An diesen Anblick haben wir uns in der Stadt längst gewöhnt. Diesmal traf es das ehemalige Gebäude der Teppichgalerie mit seiner denkmalgeschützten Fassade. Die Front des Hauses soll später wieder im Original hergestellt werden. Diese Stadtverschandlung nach dem Disneyland-Prinzip nennt man in Fachkreisen Fassadismus. Ich ­wünsche einen Haufen Vogelkacke.

Etwa so originell wie die Flaschnerreklame „Alles fließt . . .“ ist der Name des Neubauprojekts neben dem städtebaulich vergewaltigten Tagblattturm: Es heißt „Eberhardhöfe“ und bietet laut Werbung „hochwertige Büroflächen, Handels- und Gastronomieflächen“ sowie „46 City-Apartments“. Die Titulierung „Höfe“ für gentrifizierte oder neu gebaute Stadtquartiere (siehe Pariser Höfe usw.) macht unfreiwillig deutlich, wie sich der handelsübliche Kapitalismus immer tiefer vor dem Feudalismus verbeugt. Dies gilt vor allem für den höfischen Wahnsinn auf dem Immobilienmarkt. Da klingt es wie Hohn, wenn die Stadtverwaltung per „Amtsblatt“ meldet: „Immer mehr Neubauten in Stuttgart“. Tatsache ist, dass immer mehr Normalverdiener die Mieten in der Stadt nicht mehr bezahlen können. Von den Armen zu schweigen. Fakt ist auch, dass die verheerende Immobilienpolitik zugunsten der Investoren wie in Stuttgart zu einer eklatanten Wohnungsnot geführt hat. Erinnert sei nur an den Verkauf von mehr als ­20 000 LBBW-Wohnungen 2012 an die Augsburger Patrizia AG, eine Heuschrecke, die diese Immobilien innerhalb kürzester Zeit mit astronomischem Gewinn weiterverscherbelte.

Angesichts dieser Politik braucht sich keiner zu wundern, wenn die „Bürgerbeteiligung“ zur Gestaltung eines sogenannten Rosensteinviertels im Zuge des Immobilienprojekts Stuttgart 21 kaum noch jemand ernst nimmt. Dass zuletzt zu diesem Forum nicht mal mehr hundert Bürger ins Rathaus kamen, kann weiß Gott nicht an der Fußball-EM liegen: Bei dieser Veranstaltung mit dem Störfeuer aus den Blocks rechter Hooligans entsprechen die Vorführungen auf dem Platz nicht mal mehr annähernd ihrem Medien- und Marketing-Gedöns. Da ist es spannender, auf einer Hängebrücke übers Wasser zu schweben, als Ronaldo beim Herumstolpern im Abseits zuzuschauen.

 

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