Bauers Depeschen


Dienstag, 05. April 2016, 1611. Depesche



Der Klick zum

LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:

 

SCHWARZE ZUNFT

Der Frühling begann, und die Ereignisse überschlugen sich, was man auf den ersten Blick nicht sehen konnte, weil Ereignisse keine Autos sind. Auf den Frühling freue ich mich, da beginnt die Saison der Panama-Hüte. Im Lauf der Jahre habe ich es zu drei Panama-Hüten gebracht, und es ist wieder Zeit, sie über Wasserdampf zu befeuchten, damit sie ein langes Leben haben.

Panama ist in Verruf geraten. Ein Heer von internationalen Journalisten hat Millionen Daten geknackt und herausgefunden, dass Politiker und Superreiche, Sportstars und andere Banditen in der Steueroase Panama „Geheimgeschäfte in ungeahntem Ausmaß“ betreiben. Jetzt sind diese Geheimgeschäfte nicht mehr ganz so geheim, und im Grunde sind sie ganz ­normal: Was hinter dem Skandal steckt, nennt man Kapitalismus. Dieses Wort hört man im kapitalistischen System nicht so gern. Als Probleme des Kapitalismus gelten im Kapitalismus nicht die, die ihren Staat bescheißen und mit kriminellen Geschäften Reichtümer ansammeln, sondern die, die nichts haben und deshalb ein bisschen was abhaben wollen.

Doch diese Geschichte ist heute nicht mein Thema. Weil meine Panama-Hüte auf keinen Fall mit in den Dreck der Finanzgangster gezogen werden dürfen, stelle ich klar: Panama-Hüte kommen NICHT aus Panama. Sie heißen so, weil sie früher bei der Einführung von Südamerika in die USA wie andere Waren den Stempel der zentralen Zollstelle Panama tragen mussten. Diese Hüte werden von Hand aus dem Toquillastroh der Scheibenblume Carludovica palmata (Panama-Hut-Pflanze) gefertigt. Näheres erfährt man im Hutgeschäft Louis Lenz in der Poststraße, wo ich zwei meiner Exemplare gekauft habe. Das dritte hat mir eine Freundin aus Ecuador, dem wahren Ursprungsland des Panama-Huts, mitgebracht.

Es gibt die Legende, der Hut trage seinen Namen, seit man Politiker, Bonzen und Prominente bei der Feier zur Eröffnung des Panamakanals 1914 mit entsprechenden Hüten ausgestattet habe. In diesem Fall warne ich vor falschen Schlüssen: Die heutigen Geldhaie und Profitgeier, die in den gerade veröffentlichten „Panama Papers“ der Journalisten auftauchen, erkennt man nicht an Panama-Hüten. Sie tragen Camouflage-Deckel wie Putin oder Stollenschuhe wie Messi – den ich nicht zu den irdischen Gangstern zählen, weil er Fußballgott ist.

Ob es im Sinne des anderen Gottes ist, wenn bei uns auf Baustellen gearbeitet wird, während andere Leute ihre Sonntagshüte ausführen, weiß ich nicht. Als ich am Sonntag durch den Schlossgarten lief, ratterte neben unserem zerstörten Bahnhof eine stattliche Maschine, die Erde und Dreck ausspuckte. Ähnlich geht es auf anderen Baustellen von Stuttgart 21 zu. Die Herrschaften, die das Milliardenprojekt durchprügeln, müssen es eilig haben. Tag und Nacht zu arbeiten ist bekanntlich eine der großen deutschen Tugenden. Und diese deutsche Tugend entfaltet sich besonders prekär, seit immer mehr ausländische Arbeiter für niedrige Löhne bei uns schuften.

S 21 hat ohnehin eigene Gesetze, und man kann es nicht oft genug wiederholen: Der bei den Landtagswahlen abgeschmierte SPD-Politiker Schmiedel hat dem Monsterprojekt einst persönlich „Gottes Segen“ gegeben. Inzwischen fühlt er sich wohl als Gottes Stellvertreter: „Dass Stuttgart 21 kommt“, hat er neulich gesagt, „ist vielleicht nicht ganz unmaßgeblich mir zu verdanken.“ Diese Selbstherrlichkeit erinnert an Donald Trump, als er der Welt verkündete, er werde „der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat“.

Überhaupt scheint uns der Himmel sehr nahe, seit im Landtag über eine Grünen-CDU-Regierung verhandelt wird. Die „Süddeutschen ­Zeitung“ wählte kürzlich die Überschrift: „CDU muss durchs grün-schwarze Fegefeuer“. Man stelle sich vor, wie der schwarze Verlierer Wolf in der Hölle schmort und sich über Dantes Läuterungsberg quält, ehe er der Kanzlerin wieder seinen Plüsch-Wolf unter die Nase hält. Diese Schießbuden-Nummer dürfte demnächst fortgesetzt werden, wenn Wolf dem grünen Superelefanten Kretschmann als schwarzer Wadenbeißer hinterherdackelt. Da riecht man jetzt schon das Fegefeuer der Eitelkeiten.

Das ganze Gedöns um die Wichtigkeit der als „historisch“ gefeierten Landtagswahl kann ich nicht nachvollziehen. Für mich hat Kretschmann keine politische Wahl gewonnen, eher eine Art Folklore-Wettbewerb nach dem Motto: „Südwestdeutschland sucht den Super-Opa“. Dass er daraus wie eine Lichtgestalt hervorging, könnte einen simplen Grund haben: Sein Konkurrent Wolf trat im Wahlkampf auf, als würde er bei der Ravensburger Fasnet Büttenreden für die „Schwarze Veri Zunft“ halten. Auf bessere Rhetorik trifft man zur Not in jedem Kleintierzüchterverein.

Die Wahl ist Geschichte, merkwürdig aber, dass die AfD – im Wahlkampf noch dominierendes Thema – in der Landespolitik schon so gut wie integriert zu sein scheint. Als seien 15 Prozent der Stimmen für diese Partei in diesem Land nicht mehr der Rede wert. Der Blick auf die rassistischen und rechtsextremen Entwicklungen und vor allem deren Ursachen (wie Armut und eingestellter sozialer Wohnungsbau) sind wichtiger als die Frage, ob ein Herr Strobl Minister wird. Strobl hat ja schon 2013 eine neue, voll ­hippe Großstadt-CDU ­erfunden, als er ­sagte, „dass wir unsere erfolgreiche wirtschaftspolitische Erzählung, die wir als Union haben, verbinden mit einer Erzählung von ­Ökologie, von Emanzipation, von Gleichberechtigung“. Die „Erzählung“, bei größerem Hang zur plumpen Angeberei auch „Narrativ“ genannt, geistert seit Jahren in der Politik als cool klingender Ersatz für das Wort „Partei-Propaganda“ herum.

Da sage ich mir: Kein Panama-Hut ist so alt wie der Versuch von Politikern, aus Kuhfladen Veilchenduft zu gewinnen.



BEITRÄGE schreiben im LESERSALON



FRIENDLY FIRE:

APABIZ - die Seite der Antifaschisten

INDYMEDIA LINKS UNTEN

BLICK NACH RECHTS

INDYMEDIA

STÖRUNGSMELDER

FlUEGEL TV

EDITION TIAMAT BERLIN

VINCENT KLINK

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND



 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·