Bauers Depeschen


Donnerstag, 20. August 2015, 1509. Depesche



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LIED DES TAGES



LIEBE GÄSTE,

bald gibt es wieder Kolumnen - nur noch eine kurze Verletzugspause. Ich weiß, ich weiß: Werbung geht auf den Sack, so man einen hat. Andrerseits machen wir nach der Reklame ja gelegentlich ganz schöne Abende. Also: Großer Flaneursalon mit der Vorstellung meines neuen Kolumnen-Buchs am Sonntag, 18. Oktober, im Theaterhaus. Beginn: 19.30 Uhr. Wie immer bitte ich untertänigst um die rege Beteiligung der internationalen Bevölkerung unserer ehrenwerten Stadt. Kommen Sie zuhauf, die Karten sind günstig, fälschungssicher und schöne Geschenke für alle, die Sie lieben oder hassen. Hier der Ankündigungsext der Theaterhaus-Webseite zum Auswendiglernen und Verbreiten:



JOE BAUERS FLANEURSALON

Die Stadt-Revue mit der Buch-Präsentation: "In Stiefeln durch Stuttgart"

Mit Vincent Klink, Eric Gauthier, Eva Leticia Padilla Band, Toba Borke & Pheel. Durch den Abend führt Christine Prayon. -

Joe Bauer, Kolumnist der Stuttgarter Nachrichten, stellt mit einem kleinen Stadt-Spektakel seine neue Text-Sammlung vor: "In Stiefeln durch Stuttgart - Komakäufer und Rebellen" (EditionTiamat, Berlin). Der Autor und Vorleser geht als Spaziergänger durch die Stadt, schreibt Beobachtungen und Gedanken auf, erkennt Zusammenhänge. Mit seinem Flaneursalon spiegelt er die Stadt auf der Bühne wider, ihre politischen Abgründe und natürlichen Schönheiten. Seine Lieder- und Geschichtenshow mit ihren schnellen Schnitten und scharfen Kontrasten reflektiert die Buntheit des städtischen Lebens: Verschiedene Generationen, Nationalitäten, Kulturen treffen aufeinander. Und der Talkessel erscheint in neuem Licht: Zwischen Weinbergen, Baugruben und Neckarufer nimmt das Publikum ein Stuttgart wahr, wie es ihm vielleicht nie begegnet ist.

Gäste im Flaneursalon sind der Sterne-Koch, Musiker und Autor Vincent Klink, Joe Bauers langjähriger Wegbegleiter Eric Gauthier (mit dem Gitarristen Jens-Peter Abele), die in New York aufgewachsene Sängerin Eva Leticia Padilla & Band, der Freestyle-Rapper Toba Borke und der Beatboxer Pheel. Durch den Abend führt die Kabarettistin Christine Prayon, einem großen Publikum auch als "Birte Schneider" aus der "Heute-Show" und als Gast der "Anstalt" des ZDF bekannt.

Vorverkauf: THEATERHAUS - Kartentelefon: 07 11/4020-720.



IMMER FESTE DRUFF ...

... unter diesem Motto hat der Kabarettist und Aktivist Peter Grohmann am vergangenen Montag im Kunstverein einen bunten Abend zur Feier des 250. "BürgerInnenbriefs" veranstaltet, eine ziemlich ausgiebige Sache zum gelben Info-Blatt der Montagsdemos gegen Stuttgart 21. Unsereins hielt auf Einladung die "Begrüßungsrede" - auf Wunsch weiter Kreise der Bevölkerung jetzt hier zum Nachlesen:



Schönen guten Abend, verehrte Bürgerinnen und Bürger,

ich begrüße Sie in diesem unseren allen Bürgerinnen und Bürgern gehörenden Kunstverein, hier in der unmittelbaren Nachbarschaft des Landtags von Baden-Württemberg. Beim Landtag handelt es sich um einen Politiker-Haufen, der von einem Bruchteil der Bürgerinnen und Bürger gewählt wurde und dieses Gebäude ohne Rücksicht auf die Kunst besetzt hält. Grund der Invasion sind langatmige Umbauarbeiten, allesamt notwendig geworden wegen der chronischen Unterbelichtung im etatmäßigen Landtagsgebäude. Leider nicht nur eine technische Sache.

Meine Damen und Herren, Sie erkennen die politische Bedeutung dieses Hauses bereits an der Fassade des Kunstgebäudes: Am Eingang hat man eine Banane abgebildet: ein Hinweis auf den Zustand unserer Republik.

Meine Wenigkeit wurde beauftragt, heute Abend das Grußwort in diesem ehrenwerten Haus zu halten. Und ich begrüße auch alle, die nicht da sind. Anlass unseres Mitgliedertreffens der Jahrgänge 1925 bis 1945 ist unsere seit Jahren geplante Jubiläumsfeier zum Thema „250 Jahre Peter Grohmann“. (Ich bitte um gehörigen Applaus)

Liebe Bürgerinnen und Bürger, als amtlicher Festredenhalter unseres Vereins möchte meine große Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass Sie heute noch einmal so zahlreich gekommen sind, darunter so viele rüstige und auch lebende Mitglieder. Außerdem bin ich beauftragt, die Grußworte unseres hochgeschätzten Herrn Ortsvorstehers zu überbringen. Herr Kuhn teilt uns mit, ihm fehlten wie zu allen anderen Vorgängen in der Stadt die Worte. In seiner vollendeten Einfallslosigkeit arbeite er aber bereits an einem Masterplan.

Zu würdigen gilt es heute eine sagenhafte Leistung im zeitgenössischen Medienbetrieb, nämlich die 250. Print-Ausgabe des Bürger-Innen-Briefs. Dieses Produkt hieß in den Anfangszeiten seines Erscheinens in Stuttgart noch schlicht Bürgerbrief – musste dann aber in der anhaltenden Geschlechterdiskussion zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens umgetauft werden.

Der Bürgerbrief war ja ursprünglich ein Dokument, das vom Mittelalter bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts von europäischen Städten auf Antrag erteilt wurde, um zugewanderten Bewohnern die Möglichkeit zum Erwerb der bürgerlichen Rechte zu gewähren. Darüber wird ihnen später Frau Ohme-Reinicke Genaueres sagen. Sie sehen aber bereits jetzt, liebe Gemeinde: Der historische Bürgerbrief besäße heute eine ungeheure Aktualität, würde man ihn so wie früher anwenden: Man könnte ihn in diesen Tagen an die Geflüchteten aus aller Welt in der Schleyerhalle verteilen – danach wären sie schon bald alle verbriefte Bürger.

Schon öfter habe ich mir in der Vergangenheit Gedanken gemacht, warum der Bürgerbrief, inzwischen von den Anstiftern Peter Grohmann und Fritz Mielert gemeinsam herausgegeben, eigentlich so heißt. Irgendwie scheint sich der Schrieb an die Bürger zu richten, er ist also eine kommunikative Brücke zwischen den Bürgern Grohmann & Mielert und dem Rest der Bürgerinnen und Bürger. Tatsächlich kommunikativ insofern, als man den Autor ja gleich an Ort und Stelle im Dialog zur Rechenschaft ziehen kann – nach dem CDU-Motto: Ich habe überhaupt nichts gegen Schwule, Grohmann, aber normal ist das nicht!

Und jetzt zum Inhalt. Sehr oft findet man schon in der ersten Zeile des Bürgerbriefs das Ergebnis einer investigativen Recherche: Die Anstifter, lesen wir ganz oben, unterhalten klammheimlich bei der GLS-Bank ein Konto unter der Nummer 296 4700, die Bankleitzahl lautet 430 609 67. Ich wiederhole noch einmal langsam zum Mitschreiben: Kontonummer 2964700, Bankleitzahl 43060967.

Selbstverständlich wäre es ein bösartiger Gedanke, bei dem BürgerInnenbrief handele es sich in Wahrheit um einen Bettelbrief. Und falls doch, dann geht es auf jeden Fall um höhere Werte: Dieser Brief bettelt stets portofrei in jeder Silbe um Aufklärung, um die Aufdeckung der Wahrheit. Dafür, meine Damen und Herren, wurde dieser Brief erfunden und gemacht: Er ist ein Instrument der Aufrichtigkeit. Geschrieben mit Hingabe und Temperament. Formuliert mit orthografischen Besonderheiten und grammatikalischen Einzigartigkeiten, wie man sie selten findet. Entworfen mit Poesie und Polemik. Hingeschrieben stets mit Schweiß und Tränen, mit Hirnschmalz und Herzblut: Wir feiern heute also Stuttgarts einzigen und wahren Blutbürgerbrief.

Leider bin ich nie hinter das Rätsel gekommen, warum die Zettel Montag für Montag auf gelbem Papier gedruckt werden. Einerseits sieht es aus, als habe man sehr günstig die überflüssigen Papierbestände einer bankrotten Partei der Neoliberalen erworben. Andrerseits erinnert die Farbe Gelb an die Yellow Press, also an Sensationsblätter und Tratschzeitungen, die auch in unserem Fall wichtige Dinge aufdecken könnten, etwa warum manche Mitglieder der Stuttgarter Bürgerbewegung in ihren feuchten Träumen lieber Helene Fischer hören als den Soundtrack der Revolte. Aber lassen wir die Geschmacksprobleme heute Abend lieber weg.

In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, unterwandert Herr Grohmann mit seinen mal hellgelben, mal ockergelben Flugblättern die Überwachungssysteme der sogenannten Geheimdienste.

Er ist ein Mann der alten Manegen-Schule: Die von der NSA beherrschten Netze wie Facebook, Twitter, YouTube und so weiter bremst er mit der hinreißenden Rhetorik und umwerfenden Stimmbänderkraft des großen Jahrmarkts-Gauklers aus. Wenn Herr Grohmann montags um sechs seine Runden dreht und „Bür-ger-brief“ brüllt, dann kollabieren sämtliche Kameras der Bullen und Verfassungsschützer von Ulm bis Baden-Baden. Und im Stuttgarter Rathaus klagen sie über Schlafstörungen. ---

Warum Papier bei der subversiven Arbeit gelegentlich mehr taugt als die ganze Online-Elektronik, lehrt uns ja die italienische Mafia: Bis heute halten gut ausgebildete Gangster ihre globale Kommunikation allein mit beschrifteten Zetteln aufrecht, den sogenannten Pizzini.

Und dem grandiosen Marktschreier Grohmann, diesem politischen Marktplatz-Entertainer, gelingt mit seinen als Bürgerbriefe getarnten Pizzini noch ein weiterer Erfolg: Seiner Widersacher – diese stinklangweiligen, von Benimmlehrern und Reklame-Fuzzis gecoachten Parteiredner der Grünen, Sozen und so weiter – diese Typen werden gelb vor Neid, wenn sie die Wortgewalt des altvorderen Anstifters aus der Zettelwirtschaft hören. Da steckt man doch gern einen Euro in seine Spendendose, damit er sein gewaltiges Organ für ein freundliches Dankeschön kurz ruhen lässt.

So, und jetzt reden wir mal Klartext: Mag der gelbe, stets hinten und vorne beschriftete Zettel dem einen oder anderen Demonstranten auch nur als Devotionalie dienen, als Sammlerstücke für seinen Schuhkarton, der ihn an Robert Schlienz, Uwe Seeler und sein Fußballer-Album aus der Zeit der genagelten Lederstollen erinnert.

In Wahrheit aber ist der gelbe Zettel ein wichtiges Dokument voller ausgewählter Informationen über Ereignisse, Veranstaltungen, Aktionen, die man auch bei guten Digital-Kenntnissen gar nicht so leicht im Internet fände. Man würde sie nämlich gar nicht erst suchen. So gesehen ist das vermeintlich altertümliche Flugblatt bis heute extrem wirkmächtig und nachhaltig, wie der Soziologe sagen würde.

Jawohl, meine Damen und Herren, Papier ist geduldig – aber im Fall des Bürgerbriefs wird es mit Intelligenz, Schlauheit und mit reichlich gesundem Zorn bearbeitet. Nicht zu vergessen die psychologische Wirkung: Ohne die grellgelbe Signalwirkung des Zettels würden viele von uns den Weg zur Demo gar nicht mehr finden.

250 Ausgaben des gelben Nachrichtenmagazins stehen symbolisch für das Durchhaltevermögen, für die Trotzigkeit, für die niemals nachlassende Energie in den vorderen Reihen des Protests gegen das Großprojekt Stuttgart 21 und all seine verheerenden Auswüchsen.

Wer je die Botschaften Schwarz auf Gelb gelesen hat, weiß sehr genau, dass es beim Protest gegen Stuttgart 21 nur am Rande um einen historischen Bahnhof und eine neue Shopping Mall mit U-Bahnanschluss geht. Die gelben Zettel zeigen uns die Zusammenhänge auf: Was hat der von der herrschenden Politik bejubelte deutsche Wohlstand mit dem Elend von Griechenland zu tun. Was der deutsche Waffenexport mit der Not der Geflüchteten, die man mit verlogenen Begriffen wie „Flüchtlingsstrom“ oder „Menschenflut“ zur Naturkatastrophe erklärt. Wahr ist: Die Zahl der Geflüchteten in der Stadt macht zurzeit weniger als ein Prozent der Stuttgarter Einwohner aus.

Wer die gelben Zettel mit ihren Gedankenblitzen gelesen hat, begreift eine Menge, wie die Wohnungsnot, der Mietwahnsinn, die neuen Luxus- und Einkaufsklötze mit dem Immobilien-Geschacher namens Stuttgart 21 zusammenhängen. Gehen Sie mal ins Müllaneo, dann merken Sie schnell: Geld stinkt nicht bloß. Es sieht auch scheiße aus. Gelb ist im Übrigen die Karte, die man zur Warnung hochhält, bevor es die Arschkarte gibt.

So, liebe Altersgenossinnen und Altersgenossen, das waren meine Grußworte zu unserer heutigen Jubiläums-Zusammenkunft im Kunstgebäude. Mit Blick auf die unglaubliche 250. Ausgabe des Bürger- und Bürgerinnenbriefs aus der Propaganda-Werkstatt von Grohmann & Mielert könnten nur Fatalisten und Ahnungslose zu dem Schluss kommen: Die Stuttgarter Revolution hat sich verzettelt.

Ich aber sage Ihnen: Die gelbe Gefahr wird noch lange anhalten. Und schon bald könnte der nächste Brief der beste sein. Nämlich das Ende vom Lied.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Vielen Dank.



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