Bauers Depeschen


Samstag, 20. Juni 2015, 1479. Depesche



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TERMIN:

Gegendemo am diesem Sonntag um 12.30 Uhr auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Wider die "Demo für alle" - Aufmarsch der Homophoben und Rechten "gegen sexuelle Vielfalt".



Flaneursalon am Samstag, 4. Juli, am Neckarufer:

STUTTGARTS 3. HAFENPICKNICK

VORVERKAUF: MUSIC CIRCUS - Kartentelefon: 07 11 / 22 11 05.

Unser Hafen-Gelände ist überdacht.



Hier noch eine StN-Kolumne vom vergangenen Dienstag, mache ohnehin gerade Pause



EIN BISSCHEN KUHN

Werte Event- und PR-Agenturen, schicken Sie mir bitte nicht dauernd E-Mails mit dem Betreff „Reminder“. Mir ist das deutsche Wort „Erinnerung“ noch geläufig, und Ihre Reklamefuzzi-Angebote werden nicht gewichtiger, wenn Sie einen englischen Begriff als Gedächtnisstütze für Ihre Opfer bemühen.

Rein Reminder-technisch muss ich heute darauf hinweisen, dass Fritz Kuhn, in Fachkreisen auch als Stuttgarter Oberbürgermeister bekannt, Ende Juni seinen 60. Geburtstag feiert. Dann ist er seit fast zweieinhalb Jahr als Rathaus-Chef im Amt, und keiner kann ihm vorwerfen, er habe seine Arbeit nicht mit größtmöglicher Diskretion erledigt. Manchmal ist er dank seiner ans jeweilige Fußvolk angepassten Kostümierung dermaßen inkognito unterwegs, dass man ihn glatt für den Stuttgarter Amtsboten halten könnte.

Da Herr Kuhn vor seiner OB-Tätigkeit an vorderster Stelle als grüner Realo und Propagandist gearbeitet hat, wäre es weltfremd, von ihm Dinge zu erwarten, die sich auch nur ansatzweise von der Politik seines Vorgängers Schuster und dessen Befehlshabern unterscheiden. Seinen Wahlkampf-Erfolg hat Kuhn in erster Linie seinem von der CDU unterstützten Gegner zu verdanken. Der Stuttgarter Marketing- und Shopping-Feldzug hatte bei der OB-Wahl 2012 noch nicht so viel geistigen Flurschaden hinterlassen, dass die Bürger Lust auf ein Stadtoberhaupt aus der Reklamebranche hatten. Der Gegenkandidat Turner war – wie zuvor der schwarze Rambo Mappus im Fall Kretschmann – Kuhns bester Wahlhelfer (ich habe den amtierenden OB übrigens auch gewählt, das wird man ja wohl mal sagen dürfen, in einem freien Land).

Die Entscheidung für Kuhn war für etliche seiner Unterstützer an der Urne nicht immer politisch begründet. Sie dachten auch an die armen Menschen, etwa aus dem Kulturbetrieb, die regelmäßig Pflichttermine im Rathaus absolvieren müssen. Ihre Devise: Mit einem nur von Marketingfiguren gecoachten Pragmatiker lässt sich womöglich etwas leichter reden als mit einem totalen Marketing-Schreier im Dienste der Neoliberalen. Der eine oder andere glaubte wohl auch, mit Kuhn, auch Fritzle genannt, kehre eine neue „Bürgernähe“ ein, eine Politik, die Grüne gern mit der Floskel „Transparenz“ verkaufen.

Wir Lebensrealos haben dabei nicht erwartet, der OB werde wie weiland König Wilhelm II. mit zwei antirassistisch getauften Hunden namens Ali und Rubi durch Stuttgarts Straßen spazieren. Wir hofften höchstens, er könne auch mal auf unbürokratische Weise seine Bürotür öffnen und auf unorthodoxe, gar coole Art ein Problem lösen. Zum Zeichen seiner Bürgernähe aber setzt er sich lieber mit Joppe in die Kutsche beim Volksfest-Umzug oder mit Rucksack auf die VIP-Tribüne bei Kulturereignissen.

So viel ist klar: Politisch gerissen hat er bisher so gut wie nichts. Weder beim Bau von Wohnungen, noch beim Abbau von Feinstaub. Bei der Renovierung der Staatsoper (einem der weltweit größten Dreispartenhäuser) operiert er bisher so ziellos wie gegenüber den Kulturarbeitern im Schatten der Subventionsbühnen. Und die Kritik an Stuttgart 21 spielt er zum Problem der „Tiefbahnhofsgegner“ herunter. Als ob er, ein versierter Machtpolitiker, nicht wüsste, dass S 21 nur am Rande mit einem Bahnhof zu tun hat. Dass es in Wahrheit um Immobiliengeschäfte geht, die Stuttgarts städtebauliches Gesicht und soziale Strukturen schon jetzt gravierend verändern.

Als Baustellen-Buchhalter nicht unbedingt geeignet, führe ich Kuhns Mängelliste hier nicht weiter. Interessant finde ich eine andere Frage: Wie repräsentiert der Oberbürgermeister diese Stadt? Wie verkörpert er sie? Als Charmeur oder Zirkusdirektor hat er wenig Talent. Der Hinweis, es gäbe Wichtigeres zu tun, als den Entertainer zu spielen, wäre angesichts des PR-Rummels in der Politik unglaubwürdig: Der OB ist sich ja auch nicht zu schade, seine Präsenz bei der Kneipenübertragung eines Fußballspiels von seinen Werbeleuten organisieren und verbreiten zu lassen.

Die meiste Zeit allerdings wirbt der OB für seine Politik mit Schweigen. Abwarten. Aussitzen. Patzer vermeiden. Hin und wieder auf einem läppischen Nebenschauplatz wie der Altstadt-Prostitution einen „Masterplan“ verkünden, ohne das stadtplanerische Desaster des Viertels auch nur anzusprechen.

Diese Strategie des Schweigens ist kein Zufall bei einem gelernten Linguisten, der für die Grünen jahrelang die Programme, die Parteientaktik formulierte. Sein wichtigster Job, lässt sich daraus schließen, ist zurzeit nicht der Einsatz für die Lebensqualität seiner Stadt, sondern die Wahlkampfhilfe für den grünen Ministerpräsidenten. Dessen Beliebtheit als schwäbischer Landesgroßvater mit Folklore-Bonus darf das grüne Rathaus der Landeshauptstadt auf keinen Fall schwächen. Ganz Parteisoldat und Grünen-Stratege, blockiert der OB deshalb regelmäßig jede Opposition gegen seine Politik der kalkulierten Nichtpolitik nach dem Motto: „Ihre Kritik, meine Damen und Herren, kann ich verstehen. Aber die herrschenden Verhältnisse werden wir nicht ändern, solange ich im Sinne der Herrschenden herrsche.“

Dies heute nur mal zur Erinnerung.

 

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