Bauers Depeschen


Dienstag, 29. April 2014, 1278. Depesche



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ACHTUNG, VORVERKAUF

Der Flaneursalon gastiert in Stuttgarts ältestem Live-Club, im Laboratorium im Osten: Mittwoch, 28. Mai 2014. 20 Uhr. Mit Stefan Hiss & Freunden, Dacia Bridges & Uwe Metzler (g), Roland Baisch. Karten im Internet: LABORATORIUM



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



PLUNDER

Stuttgart hat wieder ein Thema, das vom Schmutz der Stadt ablenkt. Müll. Es gibt Müll, den wir nicht riechen. Es ist der geistige Müll (man kann ihn in Zeitungskolumnen verbreiten). Wir kennen auch hoch qualifizierten Müll, man nennt ihn Trash-Kultur: die künstlerische Hingabe zum Primitiven, zum Billigen, in der Musik, im Film, in der Literatur, im Theater, in der bildenden Kunst.

Der Maler und Dichter Kurt Schwitters hat schon vor fast hundert Jahren Collagen aus Müll gefertigt. Plunder und Abfall, ­Gerümpel und Unrat wurden wertvoll. Schwitters erkannte auch den Unrat in den Köpfen. In seinem Aufsatz „Komplimente für den Weißenhof“ über die Stuttgarter Ausstellung „Die Wohnung 1927“ verteidigte er das Flachdach, machte sich über das Plattfuß-Denken der Kritiker lustig und entwarf angesichts der neuen Baukunst ein schönes Bild von den „Behörden in Stuttgart und Württemberg“. Die kamen ihm vor, „als wären sie Hühnerglucken, die falsche Eier ausgebrütet haben, und nun stehen sie am Ufer des Teichs und sehen mit Stolz und mit Grauen, wie die Entenküchlein, die sie aber doch für ihre Kinder ansehen, weit hinaus auf die Wasserfläche schwimmen, wo sie ihnen nicht folgen können.“

Bis heute gibt es Behörden-Gockel, welche die Avantgarde-Architektur des Weißenhofs für Schrott halten, den Plattenbauplunder im neuen Europaviertel dagegen als Fortschritt sehen. Leider können sie nicht wie Schwitters Hühnerglucken am Teichufer stehen, weil man das geplante Wasserbecken an der als „Library“ verbrämten Stadtbibliothek mit dem Kleingeist von Entenhausen gestrichen hat.

Der aktuelle Kampf der Hühnerglucken im Rathaus gilt nicht dem städtebaulichen Müll, den sie als Investoren-Lobby absondern. Es geht um den Abfall, den die Menschen in den Straßen, auf sogenannten Plätzen oder in zerstörten Parks hinterlassen. Und der Müll türmt sich nicht nur, wo Flaschen, Coffee-to-go-Becher und Pizzaschachteln den öffentlichen Raum zieren. Im Leonhardsviertel lag neulich neben der U-Bahntreppe acht Tage lang ein Haufen Sperrmüll, der eine Dreizimmerwohnung gefüllt hätte. Nichts Ungewöhnliches. Zum Glück gibt es Leute in der Altstadt, die ihr Quartier lieben, es trotz aller Widrigkeiten und Vorurteile verteidigen und die Behörden um Hilfe bitten, bis die sich rühren.

Inzwischen appelliert Fritz Kuhn an die Verantwortung der Bürger. Er ist ja eine Art Oberbürger. Nach dreihundert Jahren Krieg um die Kehrwoche hat Stuttgart erstmals ein ernsthaftes Besenproblem.

Wo aber kommen die Achtlosigkeit, die Rücksichtslosigkeit der Müllmenschen her? Sie haben ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Stadt. Gelegentlich leiste ich mir ein paar Tage New York und wundere mich, wie blitzsauber die Leute ihre Plätze im Freien verlassen, egal, ob in Manhattan, Brooklyn, Queens. Grund dafür kann nicht nur die Angst vor den Null-Toleranz-Polizisten sein. Der Stolz auf New York und der Respekt vor der Umwelt bringen die Leute dazu, ihr Milieu, ihr Quartier zu schützen. Als Tourist würde man sich hüten, die Regeln dieser Stadt zu brechen (für Zugereiste aus der Kreisstadt gilt das nicht überall).

Ich weiß nicht, wie man es anstellt, das Bewusstsein der Menschen für ihre Stadt zu schärfen. Womöglich gelingt dies nicht so gut bei den Kollektivrausch-Abstürzen der Trachtengruppen in den Wasen-Zelten. Oder in den Fast-Food-Burgen der Einkaufszentren. Der eine oder andere zwischen Bahnhof und Tübinger Straße wird sich auch sagen: Auf einen Sauhaufen mehr oder weniger kommt es nicht an auf der Großbaustelle Stuttgart.

Wenn jetzt jeder Amateurpsychologe die „Wegwerfmentalität“ beklagt, dann muss man auch fragen, wie der Unrat in die Köpfe kommt. Ein Teil der Wirtschaft lebt doch davon, den Leuten dauernd Scheiß anzudrehen, den kein Mensch braucht. So wundert der Egoisten-Zeitgeist nicht: Ich schlucke genügend Fast-Food-Müll. Da entsorge ich nicht auch noch die Pappe der Pampe.



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