Bauers Depeschen


Montag, 16. Dezember 2013, 1217. Depesche



KOMMENTARE SCHREIBEN IM LESERSALON



GROSSER FLANEURSALON IN DER ROSENAU

Mittwoch, 19. Februar 2014, ROSENAU: Auf vielfachen Wunsch tritt der Flaneursalon noch einmal in der Familien-Bande-Besetzung an. Mit Roland Baisch & Sohn Sam, mit Zam Helga & Tochter Ella Estrella Tischa, Toba Borke und Pheel. 20 Uhr. Vorverkauf läuft.



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LIED DES TAGES



MEINE REDE BEI DER MONTAGSDEMO gegen Stuttgart 21 am 16. Dezember 2013 auf dem Kronprinzplatz:



Guten Abend, meine Damen und Herren,

falls Sie es nicht wissen sollten: dieses städtebauliche Prunkstück hier namens Kronprinzplatz hat man einst in der Absicht angelegt, Theateraufführungen und andere kulturelle Ereignisse zu veranstalten. Sie sehen, was daraus geworden ist. Es ist also gar nicht so falsch, wenn wir diesen Ort heute Abend mal auf unsere Art bespielen. Das Theater am Bahnhof haben nicht wir ausgelöst.

Bei allem verständlichen Zorn, werte Protest-Versammlung: Sie müssen sich nicht mehr wundern, wenn ein Gericht die Montagsdemos am Bahnhof als Zumutung für die Bürger beurteilt. In unserem Fall sind juristische Zumutungen schon lange an der Tagesordnung. Ernst nehmen müssen wir allerdings diesen weiteren Versuch der Rathaus-Populisten, im Namen ihrer amtlichen Ordnung und ihrer bürgerfeindlichen Politik die demokratische Versammlungsfreiheit zu torpedieren. Es ist geradezu lachhaft, in diesem von Stadtautobahnen zerstörten Stuttgart das Demonstrationsrecht mit dem Hinweis auf die sogenannte Leichtigkeit des Straßenverkehrs massiv einzuschränken. Wo andererseits dieselben Politiker keinerlei Skrupel haben, ohne Rücksicht auf die Menschen den Charakter einer Stadt zu zerstören – und uns einem sich jetzt schon abzeichnenden Bahn- und Verkehrschaos auszusetzen. Auf einmal werden von den Erbsenzählern des Ordnungsbürgermeisters kilometerlange Staus gemessen, die es vor ein paar Wochen noch gar nicht gab. Und auf einmal sind laut Presse montags wieder Abertausende Demonstranten unterwegs, obwohl die Propaganda den Leuten all die Zeit untergejubelt hat, es stehe nur noch ein kleiner Haufen Widerspenstiger vor dem Bahnhof. Aber was in der ganzen Schmierenkomödie noch viel schlimmer ist: Juristisch ist es hierzulande nie ein Problem, den Nazis Versammlungsfreiheit zu gewähren, auch wenn dafür riesige Polizeitrupps zum Schutz der Faschisten eine ganze Stadt lahmlegen.

Trotz allem bin ich überzeugt: Wenn unsere Protest-Bewegung umzieht, ist das auch eine Chance. Es ist die Chance, sich neu zu orientieren und mit frischer Kraft loszulegen. Der Marktplatz ist ein guter, ein symbolischer Ort: Schließlich wehren wir uns permanent gegen einen Markt, nämlich gegen jenen Markt, der allein Profite im Auge hat, und zwar ohne einen Funken Respekt vor der Lebensqualität und der Identität unserer Stadt.

Ursprünglich sollte ich heute Abend bei dieser Montagsdemo aus aktuellem Anlass nur in einer speziellen Mission sprechen: nämlich als Vertreter meines Berufs und als Mitglied der Deutschen Journalisten Union in der Gewerkschaft Verdi. Am morgigen Dienstag sowie am Mittwoch treten viele Stuttgarter Journalistinnen und Journalisten der Tageszeitungen zum zweiten Mal innerhalb der laufenden Tarifverhandlungen in den Streik. Wir fahren zu einer zentralen Kundgebung nach München, wo wir u. a. die ebenfalls streikenden Kolleginnen und Kollegen der Süddeutschen Zeitung treffen. Wer es nicht wissen sollte: Die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten und die Süddeutsche Zeitung gehören neben anderen Blättern zum selben Konzern, der Südwestdeutschen Medienholding mit Sitz in Stuttgart.

Dieses Thema mag Ihnen jetzt angesichts der aktuellen S-21-Lage etwas befremdlich erscheinen. Und zuerst dachte ich daran, diese Rede heute nicht mehr zu halten. Aber dann ging mir auf: Streiks und Demos, die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit haben sehr wohl miteinander zu tun. Demnächst werden uns die herrschenden Politiker sagen: Ja, streiken dürft ihr, aber nur, wenn es keinen von uns stört. Streik-Kundgebungen sind gefälligst zu unterlassen, wenn sie den Verkehr auf den Stadtautobahnen beeinträchtigen. Und es wird sich ein Richter finden, der ihnen Recht gibt und uns als Zumutung abstempelt.

Nun ist mir in den vergangenen Jahren nicht entgangen, welchen Ruf Journalisten speziell bei den Stuttgart-21-Gegnern haben, abgesehen davon, welchen Ruf der Journalismus überhaupt genießt. Und der Pressefreiheit selbst scheint es zu ergehen wie der Versammlungsfreiheit: gewissen Herrschaften gilt sie als Zumutung.

Allerdings höre ich oft auch seltsame Mutmaßungen über den Journalismus, Klischees, die nicht viel mit der Realität zu tun haben. Man muss wissen: Manche Redakteure vertreten ihre stockkonservative Meinung nicht, weil der Verlag sie dazu gezwungen hat. Es gibt welche, die das freiwillig tun, aus welchen Gründen auch immer – und nicht, weil es ein Zensor von ihnen verlangt.

Doch nach wie vor gibt es Journalisten, die gute Arbeit und demokratische Aufklärung leisten, Menschen, die einiges riskieren, um die Wahrheit zu berichten. Nicht umsonst hat das Kommunikationsbüro von S 21 die Stuttgarter Zeitung verklagt. Aufrechte Berichterstatter sollen mundtot gemacht werden.

Der Begriff Kommunikationsbüro ist dazu da, die Leute zu täuschen. Kommunikation bedeutet Austausch, Dialog. Dietrichs Truppe aber verbreitet die Propaganda der Großprojekt-Profiteure. Und damit sind wir beim Journalismus: Schlecht bezahlte Reporter in Existenznot könnten den Angriffen solcher Kartelle viel weniger standhalten als selbstbewusste Kollegen mit ordentlichen Gehältern.

Bereits an diesem Mittwoch sind in Berlin die nächsten Tarifverhandlungen für Tageszeitungsjournalisten. Und auch diesmal geht es in dieser Branche de facto nicht um höhere Gehälter. Im Gegenteil. Der Bund Deutscher Zeitungsverleger stellt Minus-Forderungen; Journalisten sollen künftig weniger verdienen. Die Zeitungskrise, oft genug von unfähigen, konzeptlosen Managern hausgemacht, dient den Unternehmern als Rechtfertigung – dass die meisten Verlage nach wie vor stattliche Gewinne einfahren, verschweigen sie. – Nun können Sie, meine Damen und Herren, achselzuckend sagen: Es ist uns Protestlern wurscht, wenn die Zeitungsfritzen weniger Kohle bekommen. Sie tun ja eh nix für uns; in den Zeitungen finden sich immer mehr amtliche Verlautbarungen, viele Texte sind kaum verhüllte parteipolitische Propaganda.

Nur: Schlecht bezahlte Journalisten werden in Zukunft generell keine gute Arbeit mehr leisten können. Die Qualität wird vollends vor die Hunde gehen. Guter Journalismus ist ja nicht, wie viele hier glauben, eine Frage der richtigen Meinung. Qualitätsjournalismus ist vor allem eine Frage der Handwerklichkeit. Und gutes Handwerk kostet Geld. Wenn nur noch noch Kaufleute und Controller über den Journalismus bestimmen, verlieren wir eine demokratische Instanz. Es wird noch leichter sein, hohe Werte wie die Versammlungsfreiheit klammheimlich abzuschaffen.

Beim letzten großen, 30 Tage dauernden Zeitungsstreik vor zweieinhalb Jahren ist mir aufgegangen, was das Wort Arbeitskampf für uns bedeutet: Viele von uns Journalisten kämpfen um ihre Arbeit an sich, um den Inhalt, um den Sinn dieser Arbeit. Da geht es nicht nur um sogenannte soziale Besitzstände. Viele von uns verteidigen ein Instrument der Demokratie, wir nehmen die Sache ernst, und wir wollen den Leuten gute Geschichten erzählen. Meine Geschichte geht hiermit zu Ende. Es war mir wichtig, aus aktuellem Anlass ausnahmsweise mal in eigener Sache zu sprechen. Streiken Sie im Geiste mit uns mit – wir müssen ja nicht nur oben bleiben. Wir müssen standhaft bleiben und uns wehren gegen die da oben und die Abschaffung demokratischer Rechte. Ob wir uns am Bahnhof oder auf dem Marktplatz treffen, ist nicht entscheidend. Wichtig ist: Wir müssen auf der Straße bleiben. – Vielen Dank!



DER KLEINSTE FLANEURSALON ALLER ZEITEN

Dienstag, 17. Dezember: Flaneursalon Intim in der JAKOB-STUBE, Leonhardsviertel. Mit Dacia Bridges & Gabriel Holz. 20 Uhr. Karten (10 € inklusive Getränk) im Lokal.



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