Bauers Depeschen


Dienstag, 06. August 2013, 1152. Depesche



WERTE GÄSTE,

noch mal kurz zu unserer Show "15 Jahre Flaneursalon" am Montag, 4. November, im Theaterhaus. Wir vermelden mit großer Freude und nicht ohne Stolz: Unsere amerikanische Sängerin Dacia Bridges wird zusammen mit dem großen Pianisten Wolfgang Dauner auftreten. Was sie als Duo machen? Verrate ich später. Vorverkauf läuft.  



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Die aktuelle StN-Kolumne:



DUCHGEMETERT

Der Spaziergänger lernt schon etwas über die Stadt, wenn er prüft, wer oder was sich hinter den Straßennamen verbirgt. Beispielsweise Bürgerrechtler, antimilitar­istische Juristen wie die 1857 in Stuttgart geborenen Zwillinge Friedrich und Conrad Haußmann, die ­Namensgeber der Haußmannstraße im ­Osten. Oder der Baumeister Nikolaus Friedrich von Thouret, Namens­geber der Thouretstraße; sie geht von der unteren Königstraße ab. Thouret, 1767 ­geboren, vollendete das Neue Schloss, baute unter anderem den Cannstatter Kursaal und das Katharinenhospital.

In der Thouretstraße ist das Integrationsministerium der Landesregierung und ­davor seit mehr als zwei Wochen das Protest­lager von Asylsuchenden. Ihren Hungerstreik haben sie unterbrochen, als die Stadt Amtsärzte schicken wollte, um den Protest zu beenden. Die Asylsuchenden sind aus dem Main-Tauber-Kreis geflohen und demonstrieren vor dem Ministerium gegen die Bedingungen in ihren Lagern für Asylsuchende. Sie kämpfen unter anderem für die Abschaffung der Lagerpflicht und für die Möglichkeit, Deutsch zu lernen.

Die Situation der Asylsuchenden trägt groteske Züge. Selbst bei guter Quali­­fi­kation dürfen sie nicht arbeiten. Die Bundesarbeitsministerin van der Leyen reist unterdessen in Europa herum, um Arbeitskräfte für Deutschland anzuwerben.

In der Thouretstraße war ich am Sonntag, als gegenüber im Schlossgarten das Finale des Sommerfests begann. Jede Party hat ihre Berechtigung: Hoch die Tassen, wenn man sie schon nicht alle im Schrank hat. Kontrastreiche Bilder sind Alltag in einer halbwegs städtischen Stadt. Eine städtische Haltung ist es, gelassen mit Kontrasten umzugehen. Es gibt die gesunde Gleich­gültigkeit. Die Eigenschaft, ungewohnten Dingen zu begegnen, ohne sie an Ort und Stelle moralisch oder sonstwie zu bewerten. Für Urteile bleibt genügend Zeit, nachdem man etwas gesehen und geprüft hat.

Manches Straßenbild hat sich für mich verändert, als ich las, wer der Namensgeber war. Danach erzählte die Straße eine andere Geschichte. Womöglich roch und klang sie sogar anders, und beim nächsten Mal hat sie den Rhythmus des Spaziergängers beim Gehen verändert.

Es braucht viele Wege, sich ein Bild von der Stadt zu machen. In Stuttgart mit seiner zerstückelten, zusammengeflickten, von Autobahnen zerteilten Innenstadt ist dies besonders schwierig. Einfach ist es nirgends. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Der Freitag“ sagt der Schauspieler und Autor Hanns Zischler: „Ich will mich in der Stadt wiedererkennen . . . Wenn ich all diese durch­gemeterten Neubauten sehe, wo ich immer genau ausmachen kann, wie die am PC entstanden sind, dann erkenne ich mich eben nicht wieder.“ Zischler sagt dies über seine Stadt, Berlin. Gerade hat er, in der Tradition der Flaneure, das Buch „Berlin ist zu groß für Berlin“ geschrieben. Im Interview dazu hinterlässt er eine Erkenntnis, die weit über Berlin hinausreicht: „Die Stadt, die Kommune tritt nicht mehr als Baumeister auf.“

Die Stadt von heute hat nicht mal einen Baumeister, nicht irgendeinen Thouret. Stuttgart stattet Investoren mit Freibriefen aus und überlässt damit die Stadt Architekten, die keine Rücksicht auf das Bedürfnis der Menschen nehmen, sich in ihrer Stadt wieder­zufinden. Investoren bauen in verschiedenen Städten mit immer gleichen, austausch­baren, billigen Dekor-Teilen ohne Bezug auf die Umgebung. Ihre Häuser sind „durch­gemetert“. Sie riechen nach PC.

Es sind nie die Menschen, die das Stadtbild stören. Menschen kommen und gehen. Es sind die baulichen Eingriffe, die den Charakter der Stadt, ihre Identität zerstören. Verantwortlich dafür sind die Politiker, die diese vom Profit gesteuerten Umtriebe unterstützen, warum auch immer.

Der Stuttgarter Ingenieur und Architekt Werner Sobek sagt in einem Interview mit der Denkmalstiftung Baden-Württemberg: „Ich beobachte, seit ich als junger Mann hierher gekommen bin, in Stuttgart viele Dinge, die ich nie richtig verstanden habe. Je älter ich werde, desto mehr verstehe ich zwar, wo sie herkommen, aber ich akzeptiere sie immer weniger. Dazu gehört, dass es hier nicht gelingt, ein Bild der Stadt zu formulieren, geschweige denn zu bauen. Wenn man, wie ich – häufig mit ausländischen Gästen – durch Stuttgart geht, erlebt man eine Ansammlung von jeweiligen Modeerscheinungen, denen ein großer, über­geordneter Gedanke, ein Duktus fehlt. Man hat hier ein Gebäude nach dem anderen, das vielleicht, architektonisch gesehen, für sich sehr gut gemacht ist, aber in der Aneinanderreihung, in der Ausformung des Stadtbildes, fügt sich das eine nicht zum anderen. Ich sage das ganz offen: Ich vermisse sowohl eine bürgerschaftliche wie auch eine professionelle Diskussion in Politik und Administration über das Bild unserer Stadt.“

Werner Sobek, 60, ist Befürworter, ein Mitplaner von Stuttgart 21. Dies erwähne ich in aller Gleichgültigkeit, damit keine falsche Aufgeregtheit entsteht.



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