Bauers Depeschen


Donnerstag, 01. August 2013, 1150. Depesche



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LIED DES TAGES

 

LIEBE GÄSTE,

heute habe ich nichts zu sagen außer den Sachen, die ich sowieso dauernd sage:

Samstag, 21. September: eventuell Großdemo gegen S 21 auf dem Schlossplatz.

Montag, 4. November: ganz sicher "15 Jahre Flaneursalon" im Theaterhaus. Mit Los Santos, Uta Köbernick, Dacia Bridges & ?? (wird später verraten), Roland Baisch, Toba Borke & Pheel. Vorverkauf im Theaterhaus.



Die aktuelle StN-Kolumne:



WEGEN BAUSTELLE

Die Marienstraße ist zurzeit übel aufgerissen. An der Ecke, wo es zum Alten Schauspielhaus geht, hängt am Klamottenladen, vormals Schmitt-Kleidung, ein Schild: „Alles nur bis 10.- € wegen Baustelle“.

Mag diese Botschaft auf den ersten Blick langweilig wirken wie „Alles muss raus“. ­­­­­In Wahrheit birgt sie eine grandiose Ge­schäftsidee. Ganz Stuttgart ist eine scheußliche Baustelle. Es wäre ein Geniestreich der Propaganda, bis zur Beendigung von Stuttgart 21 irgendwann im 21. Jahrhundert Geschäftsleute und Kunden mit der Zehn-Euro-Dosis ruhigzustellen. Und die Stadtplanung hätte endlich ein Gesicht. Stuttgart wird „wegen Baustelle“ Deutschlands Ramsch- und Schnäppchenstadt Nummer eins: die schwäbische Zehn-Mäuse-Metropole zwischen Hängen und Würgen, wirtschaftlich sparsam, geistig arm, kulturell billig bis auf die Knochen.

Mit diesem Blick in die Zukunft widme ich mich der großartigen Geschichte dieser Stadt. Der Historiker Dietrich ­Heißenbüttel hat vor kurzem im Hampp-Verlag das Buch „Kunst in Stuttgart“ ­herausgegeben, ein umfangreiches Werk, das viel zum Verständnis der Stadt beiträgt. Schon der Klappentext verrät den Kern der Kessel-Politik: „Stuttgart gilt als eine Stadt, die ihren kulturellen Reichtum eher verbirgt als herausstreicht.“ Diese Einschätzung darf „wegen Baustelle“ getrost ergänzt werden: Stuttgart ist eine Stadt, die ihren kulturellen Reichtum lieber zerstört als pflegt. Weil nämlich, so heißt es in dem Buch, „ohne Rücksicht auf stadtbildprägende Bauten ganze Planquadrate abgetragen und durch nichtssagende Shoppingmalls ersetzt“ ­werden. Nicht nur in der Innenstadt, auch in den Stadtteilen, sogar am Killesberg sei diese Entwicklung „ein Schlag ins Gesicht der Stadtbaukunst der Stuttgarter Schule“.

Die Investorenhiebe ins Herz der Stadt verleiten den Herumgeher immer öfter, sich in die ­letzten urbanen Lebensreviere zurück­zuziehen. Ein Kollege schimpft mich schon, ich sei wie ein Hund, der zum Beinheben immer denselben Ort aufsucht. ­Na und, sage ich, dann bin ich halt ein Hund. Und dann gehe ich in die Pfarrstraße, an die Grenze zwischen Bohnenviertel und Leonhardsviertel in der Altstadt.

Die Pfarrstraße, erstmals im 15. Jahrhundert urkundlich erwähnt, verlief früher anders als heute. Während der Bombenangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg brannten die Häuser fast vollständig nieder; 1958 hat die Stadt die benachbarte Brunnenstraße in Pfarrstraße umbenannt. Auf der Seite des Leonhardsviertels, neben dem Nachtwächterbrunnen, steht das Züblin-Parkhaus, und wenn ich die Treppen hochsteige, dann sicher nicht, um mich von dem Gemüsegarten auf dem obersten ­Deck blenden zu lassen. Das seit geraumer Zeit von Gärtnern begrünte Parkhaus ist ein architektonischer Schandfleck, bietet aber von oben einen guten Blick auf eine urbane Nische im vernachlässigten Zentrum. Unter mir die Pfarrstraße, dieser liebenswert angeschmuddelte Sommernachtskiez.

Zehn Uhr abends. Auf dem Spielplatz, einem Metallkäfig zwischen Parkhaus und Straße, trainieren Skateboard-Artisten, ein Junge rennt neben ihnen her und dreht mit seinem Smartphone ein Video. Vor den Kneipen, sie heißen Bernstein, Drei Mohren, Paddy’s Irish Pub, sitzen die Menschen an den Tischen am Straßenrand. Die einst noble Insel-Bar, ein Überbleibsel aus den besseren Tagen des Rotlicht­milieus, hat geschlossen. Die älteren Bewohner im Viertel wissen noch, dass nebenan auch mal das Pussycat Zulauf hatte, in den Sechzigern und Siebzigern, als die ­Damen die Freier noch nicht für zehn Euro auf der Straße einfangen mussten.

Lange her. Damals war Stuttgart noch nicht so international wie heute. Vorhin, als ich die Pfarrstraße entlangging, habe ich Conny, die Chefin des Afro-Shops, getroffen; wir haben zusammen Fußball geschaut, bei der WM 2010, als die Deutschen in Südafrika gegen Ghana spielten. Das Team aus Connys Heimat verlor 0:1, wir sind trotzdem Freunde geblieben. Die Geschäfte könnten besser gehen, sagt ­Conny. Ja, sage ich, wir müssen unser Afrika im Auge behalten, damit eines Tages nicht dieses Schild am Eingang hängt: „Alles nur bis 10.- € wegen Baustelle“.



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