Bauers Depeschen


Dienstag, 23. April 2013, 1094. Depesche



 



Vorverkauf läuft ...

FLANEURSALON IN DER RAMPE

Freitag, 17. Mai, 20 Uhr, Zahnradbahnhof Filderstraße, Theater Rampe: Die Lieder- und Geschichtenshow mit Roland Baisch & Sohn Sam, Zam Helga & Tochter Ella, Toba Borke & Pheel - unsereins ist auch dabei. Den Abend widmen wir der Rampe-Intendantin Eva Hosemann - sie verlässt die Bühne nach dieser Saison. Noch einen Tusch!

INFOS UND VORVERKAUF



DAS LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



ALTSTADT, LIBERO, SCHOCKEN

Am 29. April werden Arbeiter am Leonhardsplatz Poller in den Asphalt rammen. Unsereins besitzt keine Poller-Professur, so viel aber könnte stimmen: Es handelt sich bei diesen Dingern um Metallpfosten zur Sperrung einer Straße. Poller gibt es auch in der Schifffahrt, man stellte sie schon auf, bevor man Schifffahrt mit drei f geschrieben hat. Wenn der Schiffer sein Schiff vom ­Poller befreit, zieht er Leine – ein Einsatz, den sich die Rathaus-Politiker künftig öfter von Männern wünschen, die bisher in den Altstadt-Puffs vor Anker gingen.

Die Metallpfosten sollen die Leonhardstraße von motorisierten Freiern befreien. Geöffnet ist Stuttgarts Halbseidenstraße dann nur noch für Lieferautos. Es geht um die Verkehrsberuhigung – und Sie, hoch verehrtes Publikum, sind mir nicht böse, wenn ich Ihnen alle weiteren, seit Jahr­zehnten abgeseilten Rotlicht-­Kalauer zum Thema Verkehr und Beruhigung erspare.

Die Poller werden wie Phallussymbole im Leonhardsviertel herumstehen und einige Herren aus den Kreisstädten daran erinnern, dass es Bedürfnisse gibt, die man im Notfall auch zu Fuß erledigen kann. Und mancher wird wohl nicht mehr kommen, wenn ihn die Rohre seines Doppelvergasers nicht entsprechend stimulieren.

So viel zum kürzesten Stadtstrich der Welt. Es gibt auch positive Bewegungen im Quartier. Weil die Eckkneipe Libero in der Olgastraße 137 Ende Mai der Haussanierung weichen muss, wird sie ins Leonhardsviertel umziehen, in die Hauptstätter Straße 45. Dieses Gebäude gehört der Stadt und beherbergt zurzeit das Internet-Café Baran, eine Bude für allerlei lustige Spiele.

Der Libero, ein traditionsreicher ­Laden, pflegt gute Musik und Fußball. Und immer wenn ich das Wort Libero höre, muss es raus: Der VfB hatte von 1969 bis 1975 einen Präsidenten namens Hans ­Weitpert, wegen seines gefärbten Haars auch ­„Lila Hans“ genannt. Als Verleger verstand er mehr von Büchern als von Bällen, und so erzählt man sich noch heute, wie er einst verzweifelt einen neuen „Librio“ suchte. Zum Verständnis: Libero nannte man früher den freien Mann in der Abwehr eines Fußballteams; zu großer ­Berühmtheit auf dieser Position brachte es ein gewisser Franz ­Beckenbauer – bis man die ­Viererkette erfand.

Damit zurück in die Altstadt. Deprimierend ist der Anblick der Unterführung zwischen Rotlichtbezirk und Schwabenzentrum, der Nahtstelle zwischen Leonhardsviertel und Hans-im-Glück-Brunnen. Bar-Flaneure erinnern sich an das Litfaß, die Tag- und Nachtkneipe des unvergessenen Ali Taner. Der türkische Wirt hatte seinen Laden 1985 eröffnet. Mit Gastfreundschaft und Rockbands belebte er das Revier. Bei ­gutem Wetter gab es keinen freien Platz auf der Treppe zum Lokal, die Freiluft-Gastro brummte. Alis Sohn Hasmet verlegte das Litfaß ­später auf die andere Seite des Platzes, eröffnete eine weitere Bar, war aber nicht erfolgreich.

Als Ali Taner im Januar 2006 starb, war ins alte Litfaß Meyer’s Lounge eingezogen. Seit kurzem ist auch diese Bar geschlossen, das Gelände vollends tot. Einziger Lichtblick in der Betonwüste des hässlichen Schwabenzentrums ist der kleine Zeitungskiosk, wenn er den Tunnel mit Klassik flutet. Als Kandidaten für die freien Räume in der Rotunde – für dieses städtebauliche Loch – werden die Gastro-Profis des ­Schocken gehandelt. Der Club im benachbarten Kaufhof hat sich nach dem ehemaligen Kaufhaus Schocken benannt. Ein verdienstvoller Akt der Erinnerungskultur.

Nach den Plänen des Architekten Erich Mendelsohn wurde das Kaufhaus Schocken 1928 ­eröffnet, in den Tagen, als der Weißenhof und der Tagblattturm entstanden. Die Nazis enteigneten die jüdischen Besitzer Salman und Simon Schocken. Im Krieg wurde die großartige Architektur von Bomben getroffen, aber nicht völlig zerstört. Nach 1945 hat man das Haus wieder auf­gebaut. Salman Schocken verkaufte es 1953 an den Unternehmer Helmut Horten, und der neue „Kaufhaus­könig“ und das Rathaus betrieben den Abriss. Am 2. Mai 1960 war es so weit: Unter heftigen internationalen Protesten fuhren die Bagger auf. Den Denkmalschutz hatten die Behörden verweigert.

Hätte sich der Club an der Hirschstraße nicht den Namen des von den Nazis „arisierten“ Schocken gegeben, wüssten heute einige Leute weniger von der Geschichte ihrer Stadt. Eine Kneipe kann leisten, ­wozu die Poller-Politiker nicht fähig sind. ­Deshalb ist es gut, wenn Wirte mit Stil und Verstand die Altstadt aufwerten.



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