Bauers Depeschen


Freitag, 19. April 2013, 1091. Depesche



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FLANEURSALON IN DER RAMPE

Freitag, 17. Mai, 20 Uhr, Zahnradbahnhof Filderstraße, Theater Rampe: Die Lieder- und Geschichtenshow mit Roland Baisch & Sohn Sam, Zam Helga & Tochter Ella, Toba Borke & Pheel - unsereins ist auch dabei. Den Abend widmen wir der Rampe-Intendatin Eva Hosemann - sie verlässt die Bühne nach dieser Saison. Noch einen Tusch!

INFOS UND VORVERKAUF



DAS LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt":



FAMILIE UHLMAN

Es war Sonntag und Sommer. Tags zuvor hatte der Ber­liner Künstler Gunter Demnig fünf seiner  Stolpersteine vor dem Haus in der Hölderlin­straße 57 verlegt. Das schöne Naturstein­gebäude mit der Gaststätte Alte Wache im Erdgeschoss steht im Westen, gleich beim Hölderlinplatz. Auf dem Gehweg vor dem Eingang lagen frische Blumen neben einem Schwarz-Weiß-Foto, eine Kerze brannte, in der Mitte des Arrangements schimmerten die Stolpersteine, die der Künstler zum Gedenken an die jüdischen Nazi-Opfer in den Asphalt gegraben hatte.

Die Ehrung gilt den Toten der Stuttgarter Familie Uhlman: Oskar Uhlman (geboren 1875), seinem Bruder Ludwig ­Uhlman (geboren 1869), dessen Frau Hannchen (ge­boren 1879), der Tochter Erna ­(geboren 1903), dem Kind Tana (geboren 1942). Der sechste neue Stolperstein liegt in der ­Hegelstraße 62, gewidmet Fanny ­Löwen­­thal (geboren 1855), der Schwiegermutter von Oskar Uhlman. Vier der Familienmitglieder wurden im KZ ermordet. Erna warf sich auf dem Transport ins Vernichtungslager Theresienstadt mit ihrem Baby vor den Zug.

Stolpersteine weisen Wege in die Stadt­geschichte. Als ich in der Hölderlin­straße 57 stehen bleibe, dämmert es mir. Der Name Uhlman erinnert auch an einen großen Sohn der Stadt. Sein Leben hatte mich schon einmal beschäftigt. Vor fünfundzwanzig Jahren. Im Juli 1988 gingen wir in der ­Redaktion aufgeregt dem Gerücht nach, in Stuttgart werde ein internationaler Kinofilm gedreht. Vor einem Vierteljahrhundert versprach eine solche Geheimsache ein ­Ereignis für die Stadt zu werden. Zumal durch­sickerte, die Hauptrolle des Films spiele der Hollywood-Star Jason Robards.

Ein Jahr später beginnen in Stuttgart die Dreharbeiten. Die Crew nimmt das Hotel Interconti (heute Le Méridien) in Beschlag und ruft die Bürger auf, sich als Komparsen zu bewerben. Gesucht werden Nazi­-Typen. Der amerikanische Regisseur Jerry Schatzberg verfilmt Fred Uhlmans Erzählung „Reunion“. 1971 erschienen, wurde das Buch in elf Sprachen übersetzt, bei uns unter dem Titel „Der wiedergefundene Freund“. Es geht um zwei Schüler in Stuttgart Ende der zwanziger Jahre; ihre Freundschaft zerbricht, als sich einer von ihnen den Nazis anschließt. Jahrzehnte später stellt sich heraus, dass er sich zum Hitler-Attentäter gewandelt hat. Der Hintergrund: Fred Uhlman war ein Schulfreund von Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Am 19. Januar 1901 in Stuttgart geboren, wächst Fred Uhlman von 1913 an in der Hölderlinstraße 57 auf. Sein Vater Ludwig, ein Baumwollgroßhändler, kauft 1918 das neu erbaute Haus. Fred besucht das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, studiert Jura in Freiburg, München und Tübingen, wo er 1925 promoviert. Er wird Mitglied der SPD und ein Vertrauter Kurt Schumachers. Als der Nazi-Terror beginnt, muss er seine Arbeit als Anwalt aufgeben. Er wird Maler und Schriftsteller. Noch Ende Februar 1933 unterstützt er Schumachers Wahlkampf. Am 23. März gibt ihm der Nazi-Richter Gottlob Dill den Wink, sofort ins Exil zu gehen. Tags darauf flieht Uhlman über Freiburg nach Frankreich. In Paris arbeitet er als Maler, in Spanien schließt er sich einer Künstlerkolonie an. Er lernt die Engländerin Diana Croft kennen und heiratet sie 1936 in London gegen den Willen ihres vermögenden Vaters. Fred Uhlman lebt als Maler und Schriftsteller in London. In seinem Haus beherbergt er Exilanten. Die britische Metropole wird seine neue Heimat.

Mit Deutschland hat er gebrochen. Als Einziger der Familie überlebte er den Nazi-Terror. Die Sprache von Goethe, Hölderlin und Mörike, schreibt er, würden ihm in diesem Land „genauso fremd werden wie die Seen und Wälder und Städte Württembergs“. Dennoch hinterlässt er in seinem Buch „The ­Making of an Englishman – ­Erinnerungen eines deutschen Juden“ die Zeile: „Der Stadt Stuttgart. Trotz Allem“.

Kurz vor seinem Tod am 11. April 1985 in London reist er nach Stuttgart zur Vorstellung seiner zweiteiligen, neu bearbeiteten Erzählung „Mit neuem Namen“. Im Ausland ist er längst bekannter als in seiner Heimatstadt. 1989 hat in Cannes „Der ­wiedergefundene Freund“ Premiere.

Nachtrag: Am Mittwoch dieser Woche berichtete die „Stuttgarter Zeitung“, Kontrolleure der Stuttgarter Straßenbahn hätten ein Ehepaar aus Israel schikaniert und beleidigt. Der Mann, aufgrund seiner Kleidung und seines Barts als orthodoxer Jude zu erkennen, war ein Verwandter der ermordeten Uhlmans. Das Paar hatte an der Stolperstein-Verlegung in der Hölderlinstraße 57 teilgenommen.



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