Bauers Depeschen


Mittwoch, 10. April 2013, 1087. Depesche



DAS ENDE NAHT: Stuttgarter Kickers - Borussia Dortmund II 0:1

 

FLANEURSALON-ALARM

Freitag, 17. Mai, 20 Uhr, Theater Rampe: Die Lieder- und Geschichtenshow mit Roland Baisch & Sohn Sam, Zam Helga & Tochter Ella, Toba Borke & Pheel - und unsereins ist auch dabei. INFOS UND VORVERKAUF



DAS LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



GOLDENE LANZEN

Das Schlimme an einer langen nassen kalten Wetterperiode wie in diesem Frühjahr sind nicht die Tempera­turen. Auch wenn die Leute im Kessel eine gewisse Wärme vermissen: Was ihnen am meisten fehlt, ist das Licht. Es war dumm, nach der Schließung des Fernsehturms seine Beleuchtung abzuschalten. So verliert man zwischen den vielen hässlichen Bürokästen in der Stadt vollends die Orientierung.

Licht wird künstlerisch und psycho­logisch völlig unterschätzt, nicht nur bei der Bewertung von Bildern, Filmen, Shows. Auch der Trübsinn kommt von fehlendem Licht, wenngleich ein Scheinwerfer nicht generell vor geistiger Umnachtung schützt. Sonst ständen nicht so viele Unterbelichtete im Rampenlicht der Politik.

Neulich verspürte ich einen Drang nach Licht, eine Sehnsucht, die nicht elektrisch zu befriedigen war. Das beste Mittel, Licht einzufangen, ist selbst an Sauwettertagen das Herumgehen. Franz Hessel empfiehlt in seinem Aufsatz „Von der schwierigen Kunst spazieren zu gehen“ das Flanieren als letzte Möglichkeit, seinen „Über­mut“ auszuleben: „Es ist mehr als jedes andre Gehen zugleich ein Sichgehenlassen.“ Die Straße, schreibt er, sei eine Art Lektüre. „Lass dich auch ein wenig täuschen und verführen von Beleuchtung, Tageszeit und dem Rhythmus deiner Schritte. Das künst­liche Licht, besonders im Wettstreit mit einem Rest Tageslicht und Dämmerung ist ein großer Zauber . . .“

Diese Zaubertipps hatte ich noch nicht gelesen, als ich mit meinem Hunger nach Licht in der Bahn den Kessel hochfuhr. Im Osten der Stadt wollte ich eine Panoramastraße zu Fuß durchstreifen. Auch bei schlechter Aussicht eröffnen Panoramastraßen einen Lichtblick. Ich nahm die ­Richard-Wagner-Straße am Bubenbad. Sie führt vorbei an alten teuren Häusern und an der Villa Reitzenstein. Leider war noch nicht zu sehen, wie sich das Tageslicht einen Wettstreit lieferte mit den dahindämmernden Leuchten hinter den Mauern der Villa.

Von der Straße aus sieht man, wie sich Häuser der Stadt in den Kessel schmiegen. Man sieht den Bahnhof, das Rathaus, den Königsbau. Viel öfter schaue ich aus dem Café im ­Königsbau hinauf zur schlaffen Fahne auf der Villa Reitzenstein und denke mir den Rest. In diesem Gebäude hausen der Ministerpräsident und die Herrschaften des Staatsministeriums. Als Zaungast konnte ich nur zwei Polizisten sehen. Was für ein Zaun: Schwarze Lanzen mit goldenen Spitzen stehen aneinander­gereiht, als gelte es, ein Dorf von Ein­geborenen vor den Angriffen anderer Barbaren zu schützen. Hinter den Spießen liegen Stacheldrahtrollen im Gras. Fans und Groupies werden kaum ohne blutige Tattoos zum großen Häuptling vorstoßen. Andererseits muss der Spazier­gänger das Schlimmste befürchten, sobald die Aufgeblasenen in der Villa versehentlich einen ­Stachel ihres Schutzwalls streifen. Eine Menge heißer Luft wird da entweichen.

Es ist interessant in der Halbhöhenluft, wo seit 1925 die Regierungschefs des Landes logieren. Der Erste von ihnen war der aufgeblasene, ungehobelte Nationalist Wilhelm Bazille. Seinen Nachfolger Eugen Bolz, einen katholischen Zentrumspolitiker, ­haben die Nazis 1933 ein­gesperrt. Nach dem missglückten Hitler­Attentat vom 20. Juni 1944 haben sie ihn erneut verhaftet und am 23. Januar 1945 in Plötzensee erhängt. Die Villa Reitzenstein war bis 1945 Quartier der Stuttgarter NSDAP-Leitung; vor dem Nazi-Terror hieß die Richard-Wagner-Straße Heinrich-Heine-Straße.

Die Villa Reitzenstein hat ihre Geschichte. Erbaut wurde sie zwischen 1910 und 1913. Theoretisch könnte man in diesem Jahr wohl den 100. Jahrestag ihrer Fertigstellung feiern. Mancher heutige Insasse wirkt und redet so dynamisch, als sei er schon am ersten Tag dabei gewesen. Das liegt am Licht hinter Lanzen und Stacheldraht, fern der Realität.



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