Bauers Depeschen


Sonntag, 24. März 2013, 1077. Depesche



 

ABSTIEGSKAMPF: Stuttgarter Kickers - Arminia Bielefeld 1:1



DAS LIED DES TAGES



FLANEURSALON LIVE:

FAMILIEN-BANDE IN DER RAMPE

Bald kommt der Frühling, und dann ist es so weit: Flaneursalon im Theater Rampe. Als kleine Geste zum bevorstehenden Abschied von Rampe-Intendantin Eva Hosemann, die das Theater im Zahnradbahnhof in der Filderstraße geprägt hat, machen wir am Freitag, 17. Mai, unser Familienfest. Der Entertainer Roland Baisch tritt mit seinem Sohn Sam auf, er singt Songs zur Gitarre, und unser Sänger/Songschreiber Zam Helga bringt seine Tochter Ella mit - auch sie eine hoch talentierte Sängerin. Ergänzt wird der Flaneursalon-Clan von dem fantastischen Rapper Toba Borke und seinem virtuosen Beatboxer Pheel. Beginn ist um 20 Uhr. INFOS UND VORVERKAUF



Die aktuelle StN-Kolumne: Ackermann, Schiller, Kellerschenke



DER FLUG DER KUGEL

Heute berichte ich von einer Stadtreise mit mehreren Etappen. Die Tour war nicht an einem Tag zu leisten, und ausgerechnet als ich auf dem Gipfel mit der guten Aussicht in den Talkessel ankam, regnete es in Strömen. Da war ich auf dem Frauenkopf, begleitet von Frau Saby Lazi. Die Galeristin zeigt noch bis zum 27. März in der Bopserwaldstraße 61 Bilder von Max Ackermann.

Au dem Frauenkopf wohnen die Reichen in Villen hinter hohen Hecken. Am Ende des Waldhügels, im Südosten der Stadt, landet man in einer Schrebergartenkolonie. Bei uns sagt man nicht „Schrebergärten“, ich sage es trotzdem, weil der große Stuttgarter Maler Max Ackermann 1887 in Berlin geboren wurde. Zwischen 1943 und 1957 hat er in seinem Gartenhaus auf dem Frauenkopf gelebt und gearbeitet.

Das Haus steht noch. In der Nähe der Fußballplatz des SKV Rohracker und der Speidelweg, der sich hinunterschlängelt nach Rohracker.

Klaus-Dieter Ackermann, 70, der Neffe des 1975 im Schwarzwald verstorbenen Malers, weiß noch, wie er als Kind den ­Onkel Max besuchte. Er erinnert sich an die dunkelroten Kirschbäume im Sommer auf dem „Wiesle“, wie man das Künstlerdomizil nannte. Lange hatte ich geglaubt, das Gartenhaus sei im Krieg zerstört worden. Ein Irrtum. Zehn Jahre vor seinem Tod, als er schon an der Witthohstaffel in Heslach wohnte, schlug Max Ackermann der Stadt vor, auf dem Wiesle ein kleines Museum mit seinen Werken einzurichten. Das Rathaus, erzählt Klaus-Dieter Ackermann, hatte kein Interesse. Das wundert nicht. Die eigene Geschichte ist dort selten ein Thema.

1912, nach seinem Studium in Weimar, schließt sich Max Ackermann an der Stuttgarter Kunstakademie den Schülern von Max Hölzel an. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitet er – fasziniert von der abstrakten Malerei – in Stuttgart. Ende der Zwanziger trifft er im Kunsthaus Schaller revolutionäre Künstlerkollegen wie Wassily Kandinsky und George Grosz. 1936 erteilen ihm die Nazis Arbeitsverbot, die Staatsgalerie entfernt seine Bilder als „entartete Kunst“.

Er zieht weg an den Bodensee, besucht den Frauenkopf noch sporadisch. Nach dem Zweiten Weltkrieg verweigert man ihm an der Stuttgarter Kunstakademie den Professorentitel, weil er früher mit den Kommunisten sympathisierte. Erst 1957 ernennt ihn das Land zum Professor ehrenhalber.

Das Gartenhaus auf dem Frauenkopf ist noch heute im Familienbesitz, so dass noch einige Ausflüge mit der Aussicht ins Tal und auf gute Geschichten drin sein dürften. Über den Speidelweg hinab in den historischen Ortskern von Rohracker – und weiter zur nächsten Stätte eines großen Künstlers. In der Rohrackerstraße 283, ein­gesäumt von schönen alten Wengerterhäusern, steht das Gasthaus zum Waldhorn mit seinem berühmten Schiller-Erker. Hier unter den Weinbergen, heißt es, habe Friedrich Schiller „Die Räuber“ geschrieben.

Der Dichter liefert mir das kriminalistische Stichwort für eine weitere, unaufschiebbare Station meiner Stadttour, die uns zurückführt aus der Landluft in ein Wirtshaus im Betonkessel. Dort gab es nie Tageslicht, und jetzt ist es für ­immer dunkel. Die Kellerschenke im DGB-Haus hat geschlossen. Es wird keine neue Kneipe mehr geben unter Tage an der Willi-Bleicher-Straße, wo große Kapitel in der Geschichte des Arbeitskampfes geschrieben wurden. Dreißig Jahre hat Edith Küster die Kneipe geleitet, nun geht die Wirtin in den Ruhestand. Alles über den Charakter der Kellerschenke hat uns der Schriftsteller Heinrich Steinfest aufgeschrieben. In seinem Kriminal­roman „Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte“ heißt es: „Das Lokal, das der Katholik Borowski auswählte, nannte sich Gewerkschaftskeller und besaß eine nüchterne, jedoch nicht kalte Rustikalität. Wirkte mehr ländlich als städtisch, trotz der Glasfenster im Stil des sozialistischen Realismus, durch die künstliches Licht drang. Tageslicht gab es hier nicht. Was in keiner Weise störte. Überhaupt ­vergaß man, wenn man dort unten saß, dass man sich mitten in Stuttgart befand. Aber das war es nicht, warum der Vielesser Borowski den Gewerkschaftskeller hoch schätzte. Was ihn anzog, war das erstaunliche Zusammentreffen ziviler Preise mit großen Portionen, anders gesagt: Hier wurden die Teller allen Ernstes bis zur Gänze gefüllt. ‚Und das nicht mit Dreck‘, so Borowski wörtlich.“

Nein, es ist kein Dreck, was einem die Stadt erzählt, wenn man den Flug ihrer Kugeln kreuzt. Was nicht heißen soll, einer hätte auf uns geschossen aus den Villen auf dem Frauenkopf.



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