Bauers Depeschen


Donnerstag, 29. November 2012, 1017. Depesche



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NOTIZ

Fahre am Freitag zu einer kleinen Lesung nach Berlin (Samstag, 20.30 Uhr, Club Monarch, Kreuzberg, Skalitzer Straße 134).



FLANEURSALON LIVE

Unsere kleine Show an diesem Sonntag mit Eric Gauthier, Dacia Bridges und Roland Baisch im Weilimdorfer WEIHNACHTSTIPI ist ausverkauft. -

Der erste Flaneursalon 2013 geht am Dienstag, 19. Februar, im Schlesinger über die Bühne, u. a. mit Uta Köbernick & Band.

NACHTRAG: ... da war am Montagabend noch ein stimmungsvoller Intim-Flaneursalon in der Uhu-Bar im Leonhardsviertel - mit dem Berliner Autor Klaus Bittermann und den Musikern Zam Helga (Vater) und Ella Estrella Tischa (Tochter) ... famos!



SOUNDTRACK DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



ALLES KUNST

Der Novemberregen und die frühe Dunkelheit sind Freunde des Spaziergängers, der Spazie­r-gänger ist bereit, jeder Sau­erei in der Stadt zu trotzen. Sonst bekäme er ja nichts mit, wäre überflüssig wie die Schönwetterfußballer des VfB.

In der Tübinger Straße hat man den Verkehr beruhigt. Als Herumgeher kann ich dort neben jedem Auto herlaufen und eine noch lächerlichere Figur machen als sonst. Der Flaneur kommt daher wie ein Bodyguard neben der Präsidentenlimousine.

Die Parole „Gleiches Tempo für alle“ in der Tübinger Straße gehört zu den wenigen demokratischen Errungenschaften der Stadt, wird aber bereits wie jeder andere humane Akt mit den Füßen getreten, wie immer von den Radfahrern.

Damit sind wir bei unseren Politikern. Wann immer sie über Kultur reden, also so gut wie nie, versprechen sie den Menschen eine „Meile“ oder eine „Achse“. Kein Wunder. Die Kultur muss dem Straßenverkehr angepasst werden, natürlich in überschaubarem Tempo. Aus der Kulturmeile an der Adenauerstraße ist nie etwas geworden, weil sich die Politiker so lange um die parteieigene Kulturachse im Radius der Wirtschaft drehten, bis die Pläne für die Überdeckelung der Autorennbahn zwischen Staatsgalerie und Staatsoper zwischen den Aktendeckeln kunstbeflissener Bürokraten verschwanden. Und der Sprengung neuer Kostendeckel Platz machten.

Seit es die Kunst gibt, reflektiert sie die Welt und deren Verhältnisse. Deshalb ist es Politikern ­lieber, mit einem Dienst-Mercedes im Tunnel zu verschwinden, als ihre gespaltenen Zungen im Vergrößerungs­spiegel der Künstler zu erblicken. Oscar Wilde sagte, das Leben ahme die Kunst nach – ähnlich wie Mafiosi die Mafia-Filme.

Gierig, die Kunst zu vereinnahmen, plant die Politik zurzeit eine Generaloffensive, die brutalste aller denkbaren Attacken: Die Landtagsbanausen wollen im Frühjahr das Kunstgebäude am Schlossplatz besetzen. Es geht um das Haus mit dem goldenen Hirsch auf dem Dach. Der Landtag hat entschieden, den Altbau des Kunstgebäudes als „Ausweichquartier“ zu beziehen, solange das Landtagsgebäude umgebaut wird. Wer sich erinnert, dass das Kunstgebäude zuletzt gründlich neu gestaltet wurde, begreift langsam, warum. In Wahrheit galten die Arbeiten nicht der Kunst, sondern dem Wohl der ­Abgeordneten. Ausgerechnet der schöne Kuppelsaal soll Plenarsaal werden, und das hat Gründe: Mit der Akustik in diesem Raum kommen die Herrschaften in den Genuss, ihr Palaver mit mehrfachem Echo zu hören. Das entspricht ihrer Art von Kunst, der Politik den Spiegel vorzuhalten.

Gewisse Politiker dürfen sich als Künstler sehen. Sie haben den Hauptbahnhof in einen Torso verwandelt und den Rest der Stadt mit dekonstruktivistischen Zeichen dekoriert. Zerstörerische Elemente ­gehören zu den wichtigen Errungenschaften der bildenden Kunst. Sie bringen die Wahrheit ans Licht.

Einige im Kunstgebäude geplante Ausstellungen mussten bereits abgesagt ­werden, damit die Politiker Platz haben. Aus Galerieräumen werden Büros – und aus der ohnehin kaputten Kulturmeile eine neue Achse des Bösen.

Die Besetzung des Kunstgebäudes hat etwas mit dem Selbstverständnis der Politiker zu tun. Ein Aufsteiger wie der Ministerpräsident Kretschmann, von Gegnern nicht nur wegen seiner fragwürdigen Existenz als VfB-Fan „Grätschmann“ geheißen, darf sich als lebendes Gesamtkunstwerk sehen. Es muss ein Geniestreich gewesen sein, sich vom roten Maoisten zum grünen Landesgevatter umzutöpfern, ohne dass es ihm beim Blick in den Mercedes-Rückspiegel die Gassenschuhe der Marke Bär auszog.

Kunst, hat man mir beigebracht, ist aufgrund ihrer Fähigkeit des Hinterfragens immer Humor, selbst dann, wenn sie kein bisschen lustig ist. Wohl deshalb wurde bisher nicht verstanden, warum Kretsch­mann eine Kunstfigur ist. Er verkörpert einen wandelnden Humor, über den kein Mensch lacht – und hat womöglich mit einer Witzfigur gar nichts zu tun. Als Baden-Württembergs erster grüner Ministerpräsident betrachtet er sich zweifellos als ein großes deutsches Ausstellungsstück. Allerdings wäre er besser aufgehoben bei den Dinosauriern im Rosensteinmuseum.

So oder so wird es ein grandioses Humor-Ereignis, wenn die Politiker im Kunstgebäude Einzug halten. Wir erleben Stuttgarts größte Karikaturen-Schau aller Zeiten. Ob es sich bei dieser Art Komik um Kunst handelt, wage ich dennoch zu ­bezweifeln. Kunst bedeutet, neue Gedanken auf- und anzunehmen. Da sehe ich beim Blick auf Grün und Rot schwarz – und leider steckt hinter meiner Wahrnehmung nicht die Kunst der Sinnestäuschung.



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