Bauers Depeschen


Sonntag, 18. Dezember 2011, 834. Depesche



SOUNDTRACK DES TAGES



Eintrittskarten sind die schönsten Weihnachtskarten:

FLANEURSALON IM MARKT AM VOGELSANG

Zuerst war es der Bauernmarkt, jetzt ist es der Markt am Vogelsang, und mittendrin ist demnächst der Flaneursalon: Unsere erste Lieder- und Geschichtenshow im neuen Jahr findet am Samstag, 21. Januar, zwischen Café-Theke, Bio-Produkten und Büchern statt. Es spielen Eric Gauthier & Jens-Peter Abele, Dacia Bridges & Gabriel Holz, Tobias Borke & Pheel. Beginn ist um 20 Uhr. HIER GEHT ES ZUM VORVERKAUF



Die StN-Kolumne von diesem Montag:



DRAUSSEN IST ES UNGEMÜTLICH

Als der Regensturm vor meinem Bürofenster die Bäume auf dem Fasanenhof schüttelte, bekam ich Angst um den Festtag und das Zirkuszelt auf dem Wasen. Weihnachten beginnt für mich immer vor dem 24. Dezember. Der feierlichste Tag des Jahres ist, wenn ich den Weltweihnachtscircus besuche. Man hat mir in diesem Dezember schon einiges über die afrikanische Schlangenfrau in der neuen Show erzählt. Eigentlich wollte ich nichts darüber wissen. Das Beste ist, man geht ahnungslos in den Zirkus und schaut zu, wie sich die Wundertüte öffnet, Nummer für Nummer.

Wenn ich den Weihnachtscircus besuche, werde ich schauen, dass ich an den Knast-Containern vorbeikomme. Fünfzehn Blechzellen hat man auf den Wasen transportiert, um sich für die Proteste gegen die Zerstörung des denkmalgeschützten Bahnhof-Südflügels und die Bäume im Schlossgarten zu rüsten. Man kann die bedrohten Demonstranten und aufmüpfigen Mistkäfer nicht alle in der Jugendherberge arretieren. Nicht jeden Tag ist Schüler-Demo.

Zurzeit ist es nicht ganz einfach, im Schlangennest Stuttgart seinen Platz zu finden. Es geht rund in der Stadt, und das war schon so, bevor der Dezembersturm die Bäume schüttelte. Das Rathaus ist vor Weihnachten eine Experimentierküche für demokratische Garprozesse geworden, und die Protestierer zeigen wenig Lust, neuerdings auf Sparflamme zu kochen.

Der Stuttgarter Polizeipräsident hat wegweisend gesagt, die Gegner des Milliarden-Deals S 21 hätten „nach der Volksabstimmung ihre Legitimation in der breiten Bevölkerung verloren“. Zu Deutsch: Die S-21-Gegner besäßen keine Rechtfertigung mehr für ihre Haltung und ihr Handeln. Ein interessanter Gedanke: Wenn sich bei einer Abstimmung eine Mehrheit bildet, verliert die Minderheit ihr Recht auf Kritik. So gesehen hätte die CDU in einem Land, in dem sie nicht regiert, ihre Legitimation auf Opposition bei der breiten Bevölkerung verwirkt. Vielleicht bringt sich deshalb die FDP gerade selbst um.

Knast-Container gab es schon vor dem S-21-Konflikt, etwa bei Sportereignissen. Neben dem Platz der Stuttgarter Kickers steht seit Jahren eine Blechzelle als Dauereinrichtung. Leider ist sie nicht für die sträflichen Vorstellungen von Spielern, Trainern und Schiedsrichtern bestimmt. Die mobile Zelle auf der Waldau ist ein echter Kriminal-Zwinger, nicht unbedingt drei Sterne, nur vierte Liga.

Über den armen Teufel, der in der laufenden Regionalliga-Saison von Polizisten für eine Halbzeit in den Container gesteckt wurde, habe ich bereits berichtet. Er hatte sich in der Halbzeit vor einer Imbissbude neben dem Kickers-Gelände einen Joint angezündet. Die Polizei warf ihm vor, er stehe unter Drogen. Als die Sache mit der Tüte passierte, war gerade Volksfest auf dem Wasen. Zum Glück stand dort zwei Wochen lang keiner unter Drogen. Die Polizei hätte keine Extra-Container parat gehabt für die breite Mehrheit.

Der Volksmund, auch er ohne Legitimation im Volk, nennt das improvisierte Straflager für S-21-Delinquenten „Containamo“. Die nicht breite Bevölkerung, und damit meine ich nicht nur die Abstinenzler, muss verdammt aufpassen, wem sie sich zugehörig fühlt. Dummerweise haben die Wähler der Stuttgarter Randbezirke Mitte, Süd, West und Ost mehrheitlich gegen S 21 gestimmt. Jetzt laufen die Outlaws ohne Legitimation frei in der Stadt herum.

Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn die grün-rote Regierung Containamo errichten lässt. Schließlich waren es die Desperados selbst, die die neue Regierung legitimiert haben. Kretschmann hätte recht, würde er alle einsperren lassen. Dummheit schützt vor Strafe nicht.

Erhellendes über die allgemeine Wetterlage bei Demonstrationen und das Klima in den Knast-Containern hat dieser Tage der Polizeisprecher gesagt: „Draußen, bei einer Sitzblockade auf eiskaltem Boden, ist es erheblich ungemütlicher.“ Das ist wahr und erinnert irgendwie an den Satz des berühmten CDU-Politikers Bruno Heck, der nach seinem Chile-Besuch im Oktober 1973 in der „Süddeutschen Zeitung“ zitiert wurde: „Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm.“ Es ging um die Gefangenen im Stadion von Santiago, kurz nach dem Militärputsch. Später dementierte Heck seine Worte. Heute sind sie legendär.

Seit Wochen freue ich mich auf den Weltweihnachtscircus. Vielleicht habe ich Glück und treffe, wenn sich der Sturm gelegt hat, die Schlangenfrau. Sie heißt Lunga, und Lunga könnte mir zeigen, wie man mit einem guten Kobra-Trick einem Knast-Container entkommt. Vermutlich müsste man dafür in eine andere Haut schlüpfen, auch wenn man in diesen Tagen kaum noch eine ehrliche findet.



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