Bauers Depeschen


Dienstag, 30. November 2010, 629. Depesche



SCHLICHTERSPRUCH

"Politik ist die Unterhaltungsabteilung der Wirtschaft." (Frank Zappa)



NOTIZ

Meine Fußballkolumne habe ich gestern mit der Bemerkung beendet, Marica habe den Schiedsrichter ein Arschloch genannt - was nichts Besonderes sei, mein Turnlehrer habe mich auch so geheißen. Neugierig war ich, wie viele intelligente StN-Leser die Volley-Vorlage versenken würden: "Ihr Turnlehrer hatte recht." Es war nur einer, ein Pro-Stuttgart-21-Mann.



Weißwurst-Matinee im Maulwurf:

FLANEURSALON MIT ZAM HELGA

Zum ersten Mal begrüßen wir Zam Helga im Flaneursalon: Der Sänger/Songschreiber/Gitarrist bereitet zurzeit seine Wiederkehr auf die Bühne vor. Am Sonntag, 19. Dezember, machen Zam, Dacia Bridges und ich eine Matinee in der Kneipe Maulwurf. Schöne Frühschicht-Weißwurst-Atmosphäre. Stuttgart-Vaihingen, Möhringer Landstraße 9. Beginn: 11 Uhr. Telefon: 07 11 / 6 73 24 06. Reservierungen ab sofort.



Die aktuelle StN-Kolumne:



SCHNEE VON GESTERN

Seit der erste Schnee in großem Stil gefallen ist, hat das große Rätseln begonnen: Was wird er diesmal unter sich begraben, bevor es die Sonne an den Tag bringt?

Im ersten Schnee muss man so schnell wie möglich in die Stadt und auf die Hügel. Das ist eine Frage der Ehre und des Trotzes, auch wenn ich heute nur eine große Schnauze habe. Weiter als bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle bin ich nämlich nicht gekommen im ersten Schnee.

Im Straßenbahn-Netz stehen einige revolutionäre Änderungen bevor. Meine Hauslinie etwa, die Nummer zwo, fährt demnächst nicht mehr von Neugereut zum Hölderlinplatz. Am Höderlinplatz wird die Nummer vier verkehren und nicht wie die Zwei das Bad Berg anfahren.

„So geht’s nicht weiter!“, würde Herr Geißler sagen. Dieser Satz ist falsch. Seit jeher geht es weiter und dem Ende zu. Jetzt da der Schnee die Stadt geadelt hat, geht das Stuttgarter Schlichtungsspektakel in die letzte Runde. Und wie immer, wenn im Fernsehen eine Talkshow zu Ende geht, wissen wir, was dabei herauskommen wird: die Leute, die hineingegangen sind.

Erstaunlich dennoch, wie viele Leute sich für die Sache interessiert haben. Ganz egal, wie das Sportergebnis im deutschen Nachbesserungsfernsehen lauten wird. Eines müssten die Bosse der TV-Anstalten gemerkt haben: Es gibt großen Hunger auf Information. Die Menschen setzen sich nicht nur vor die Kiste, weil der SWR seine Mäulesmühle-Komiker für die Königsklasse der Unterhaltung hält.

Selbstverständlich zählt auch die Übertragung der Schlichtungsrunden mit Gegnern und Planern von Stuttgart 21 zum Unterhaltungsfach. Auch wenn Maybritt Illner, Hans-Olaf Henkel und Alice Schwarzer diesmal nicht dabei sind, haben wir es formal mit einer Talkshow zu tun. Entsprechend zeigen sich im Schlichtungsfernsehen manche Propagandisten kamerageil und unecht. Diesmal aber, auch aufgrund der langen Sendezeiten, haben es die Politiker schwerer, das Publikum mit ihrer Maskerade, ihren Tricks aus den Kommunikationskursen der Scharlatane zu täuschen.

Hin und wieder müssen sie nämlich etwas wissen und sagen, sonst kommt der Zampano Geißler und verteilt schlechte Haltungs- und Verhaltensnoten. Diese Oberlehrernummer erscheint sogar Sarkasten unterhaltsamer als die Masche, Phrasen am TV-Stammtisch mit Geldspenden ins Benefizschwein zu bestrafen.

Ganz egal, wie man die Talkrunden bewertet, ob als inhaltlich aufgemotzte Quiz-Show oder als Bühne politischer Gaukler: Als Zuschauer glaubt man zu ahnen, dass auch Quasselstrippen-Fernsehen hie und da einen Zentimeter unter die Oberfläche gehen kann. Selbst wenn man dies nicht so sieht, etwa weil Stuttgart 21 durchgängig als bloßes Verkehrsprojekt und nicht als gigantisches Immobiliengeschäft durchleuchtet wurde, so freut man sich doch über die Erkenntnis: Das Volk hat große Lust auf demokratische Spielarten. Und so doof, Fernsehen mit Realität zu verwechseln, sind die Zuschauer der Schlichtungsshows nicht.

Schon während der ersten Kundgebungen gegen S 21 konnte man sehen, dass die Leute nicht nur auf eintrittfreie Open-Air-Events scharf sind. Sie wollen sich, mit Geduld und Konzentration, informieren. Erstaunlich, wie viele Menschen sich die oft trockenen Fachvorträge auf der Live-Bühne mit großer Disziplin anhören.

Bei aller Skespsis gegenüber der neuen Scheinwerferdemokratie mit Geißler, dem Guru des Mediatoren-Zeitalters, hat mich die Schlichtungsserie zumindest eins gelehrt: Nicht nur das Publikum ist schuld, wenn immer mehr Schrott im Fernsehen gesendet und Qualität vernichtet wird. Es sind die Chefs des Fernsehens, die – arrogant wie ihre parteipolitischen Einflüsterer – sich und ihre Interessen zum Maßstab der Dinge erheben.

Morgen ist Schlichtungsfernsehen Schnee von gestern. Stuttgart 21 nicht.

SOUNDTRACK DES TAGES



Vielleicht mal, wenn es S 21 erlaubt, einen Blick auf:

GLANZ & ELEND



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