Bauers Depeschen


Samstag, 30. Januar 2010, 435. Depesche



ACHTUNG, ACHTUNG: Seit heute Nachmittag gibt es auf dieser Homepage direkt neben "Bauers Depeschen" den Link LESERSALON - den habe ich hier nicht verlinkt, damit Sie ihn GEFÄLLIGST auf der Seite suchen UND FINDEN. Also, ran an die Arbeit, gottverdammte Heimatdichter. Jeder kann jetzt schreiben, sofern er was auf den Tasten hat.



Nächster Flaneursalon: Mittwoch, 24. Februar, Theater Rampe

Karten: 0711 / 620 09 09 - 16.

Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten



BETR.: SALZ DER ERDE



Schon wieder keine Zeit, Depeschen zu schreiben.

Die Leute sind auffallend freundlich geworden in diesem Winter, auf offener Straße sagen sie:

Könnten Sie mir bitte Salz reichen?

Leckt mich doch am Arsch, ich hab auch keins.

Das Bad Berg hat geschlossen, mein Wochenende ist versaut.

Am Donnerstag dieser Woche war ich bei James Ellroy, und da habe ich noch die heutigen StN-Kolumne, die versehentlich nichts ins Netz gewandert ist:



KALTE TAGE



Nicht die Sonne, der Schnee bringt es an den Tag. Kalte Tage erzählen etwas über den Geist der Stadt und ihrer Menschen. Bahnen und Busse sind überfüllt, es ist eng geworden, seit sich Horden moralischer Trittbrettfahrer entschlossen haben, ihre Autos einzufrieren, bis Schnee und Eis verschwunden sind.

Man merkt sofort, wenn Anfänger und Amateure Haltestellen und Bahnen in Beschlag nehmen. Man kann sie an ihrem Gang und Gehabe erkennen, wenn sie einem sperrig wie ein Geländewagen und unbelehrbar wie ein Investmentbanker auf der linken Treppenseite der Unterführung entgegenkommen. Sie veTrstehen nicht, dass hier das Leben nach den Gesetzen des Ganzjahresfußgängers und nicht im Dorftrampeltakt des Wintertouristen funktioniert. Sie lassen sich via iPhone anweisen, wie man eine Fahrkarte von Kaltental nach Heslach aus dem Automaten zieht, und die Menschenschlangen sind bedrohlich.

Ein paar kalte Tage im Schnee haben Chaos ausgelöst. Bald werden Blauhelme in den U-Bahnhöfen einmarschieren, um Ordnung zu schaffen. In den Bahnen ist es heiß. Manche sagen, das komme vom Kuschelkurs in den überfüllten Zügen. Doch jetzt, wo das Zusammenspiel der freien Kräfte gefordert wäre, regiert Respektlosigkeit. Die Eindringlinge in der Bahn tun so, als ginge es um nichts anderes als ihr lausiges Leben. Sie sind im Herzen rabenschwarze Passagiere. Sogar das Englisch des Ministerpräsidenten als Tratsch der Saison ist vergessen.

Die Sprache dieses Winters ist die der Ellbogen.

Glauben Sie bloß nicht, ich übte mich als Blockwart. Noch sind die Bahnennicht in der Hand jener Ignoranten, die auch ohne Auto hupen. Schlimm die Erkenntnis, dass die Eindringlinge ihre Unwichtigkeit über alles stellen, was um sie herum passiert. Sie hören nichts, sie sehen nichts, sie riechen nichts. Und telefonieren mobil.

Die U-Bahnstation ist das Abbild der Stadt.

Auf der Bühne im Literaturhaus auf dem Bosch-Areal liest der amerikanische Schriftsteller James Ellroy aus seinem Roman "Blut will fließen". Der große Mr. Ellroy ist zum ersten Mal in Deutschland. Die langen Beine gespreizt, baut er sich am Stehpult auf. Er schnippt mit den Fingern gegen das Mikrofon, als wollte er wissen, ob die Kanone geladen ist. Er schleudert Sätze in den Saal, die auch eine kugelsichere Weste nicht stoppen könnte. Gegen Magie ist kein Kraut gewachsen.

Was für ein Sound, was für ein Vortrag. Mr. Ellroy Schädels ist kahl, und Mr. Ellroy ist böse. Seine Gangster sind härter als andere Gangster, ihre Kugeln tödlicher als andere Kugeln. Mr. Ellroy sagt, warum er Rock'n'Roll und Präsidenten hasst, er erzählt, warum er ein Strauchdieb war und wie er der größte aller Schriftsteller geworden ist.

Seine Vorstellung ist famos, so einzigartig, dass man ihm als Souvenir den Hemdzipfel abschneiden möchte, der ihm aus der Hose hängt. Und bei allem, was er treibt, zeigt Mr. Ellroy so viel Haltung und Humor, dass man vergäße, in welchem Teil der Welt man ist, hörte man hinter sich nicht die Geräusche von Trampeln, die man für eine Wintererscheinung in der Stuttgarter U-Bahn hielt.

Mitten im Vortrag lautes Gerede und Geraschel von Selbstdarstellern, die nicht mitbekommen, was um sie herum passiert. Wichtigtuer sind überall. Sie sind nur bei sich. Ein Übel. Und sie telefonieren mobil.

Am Ende schreibt der große Mr. Ellroy auf der Bühne Autogramme. Jedem, der ihm ein Buch hinhält, gibt er die Hand wie ein alter Freund. Würde er doch lieber eine Kanone ziehen, um uns etwas amerikanischen Stil und Respekt beizubringen gegenüber denen, die was können.

Aber das wäre nicht sein Stil.



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