Bauers DepeschenDonnerstag, 12. März 2009, 296. DepescheBETR.: SIEG Wir haben das Spiel am Mittwoch gewonnen. 2:1. Am Morgen hatte ich lange überlegt, welche Mütze den Sieg der Stuttgarter Kickers am Abend retten könnte. Ich wählte die dunkelblaue Mütze von Arsenal London mit der goldenen Kanone, dem Symbol der Gunners. Ich trug sie während des gesamten Spiels. Der 11. März 2009 war Gunners-Tag. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Meine Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten tauchen im Moment aus technischen Gründen nicht im StN-Netz auf: www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer Deshalb eine der jüngsten hier: DIE STAHLPLATTE Es war der 11. März 2009, als sich die Dinge vermischten und es fast unmöglich wurde, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit der Realität. Am 11. März 2009 lief ein 17-jähriger Junge unweit der Stadt Amok und tötete mit der Waffe seines Vaters fünfzehn Menschen. Es passiert mir oft, dass ich aus dem Kino komme und glaube, die Fortsetzung des Films spiele sich vor meinen Augen ab. Als ich am Tag, bevor der Junge Amok lief, aus dem Kino kam und in der Königstraße zur U-Bahn hinunterstieg, war mir, als redeten die Passanten Chinesisch, Vietnamesisch, Koreanisch. Jedenfalls in Sprachen, die ich für asiatisch hielt. Vor der Filmvorführung hatte ich in einem Asia-Imbiss im Stuttgarter Norden zu Mittag gegessen, Curryhuhn mit Reis. Ich sah den Männern und Frauen im Lokal zu, wie konzentriert sie arbeiteten. Die beiden Männer trugen Tücher auf dem Kopf, wie wir sie von der Piratenmode kennen, und mir wäre es schwergefallen zu sagen, welcher von beiden gerade den Boden wischte und welcher in den Wok-Pfannen hinterm Tresen hantierte. Sie arbeiteten so flink, als würden sie beides gleichzeitig tun. Asiaten, dachte ich, sehen alle gleich aus, und auf dem Tresen stand, bewacht von zwei weißen Tulpensträußen, eine goldene Buddha-Figur. Ich saß im Asia-Imbiss, um wie ein kleiner Junge in dem Film mitzuspielen, den ich nach dem Essen sehen würde: "Gran Torino". Es geht um Walt Kowalski, einen Veteranen aus dem Koreakrieg. Er lebt als letzter Amerikaner im Asiatenviertel eines Mittelwesten-Kaffs, er ist Witwer, und vor seinem Haus steht sein 72er Ford Gran Torino. 1972, überlegte ich, war ich 18. Einen Gran Torino hatte ich nie gesehen, nur einmal saß ich in einem blauen Chevrolet Corvette, daran erinnere ich mich heute noch mit Stolz. "Gran Torino" ist ein lustiger und trauriger Film über Vorurteile und Fremdenhass. Walt kann "Bambusfresser" nicht leiden. Es bedarf einer langwierigen Annäherung, bis er die "Sumpfratten" als "Frühlingsrollen" akzeptiert. In einem Interview hat der Regisseur und Hauptdarsteller Clint Eastwood gesagt, in jedem von uns stecke ein Walt. Und wenn schon kein Korea-Veteran, so doch ein Idiot, der nicht unterscheiden kann, ob der Mann im Asia-Imbiss gerade den Boden wischt oder in der Wok-Pfanne hantiert, weil sie alle gleich aussehen, wie Walts "gelbe Rüben", die Nachbarn. Da ist diese Gang im Viertel, sie ist bewaffnet, und wenn nicht einer kommt und hilft, wird Walts 17-jähriger Nachbarsjunge Thao so wenig eine Chance haben wie das Mädchen Sue. Walt überwindet seinen Hass, er hat noch etwas zu erledigen, und Clint Eastwood brilliert noch einmal mit seinen Schlitzaugen, die er bekommt, wenn er ein Ziel visiert. "Ich bin einer, der die Dinge zu Ende bringt", sagt er, und das bedeutet nichts Gutes. Ich weiß nicht, warum man so blöd sein kann, sich in einem Asia-Imbiss bei der Betrachtung eines Tresen-Buddha auf einen guten Film einzustimmen. Als könnte man die Dinge vermischen, als wären Klein und Groß dasselbe. Der Showdown des Films begann, und ich hoffte, Clint Eastwood würde die kugelsichere Stahlplatte unter seinem Poncho tragen, wie damals in "Für eine Handvoll Dollar". "Walt", sagte ich, "zieh auf jeden Fall den Poncho an." Hier endet meine kleine Geschichte. Ich muss lachen, wenn ich daran denke, wie Walt Kowalski sagt: "Man kann mir vieles nachsagen, aber nicht, dass ich witzig bin." Dann lief dieser Junge Amok, und kein Walt Kowalski war da, der die Dinge rechtzeitig zu Ende bringt. REKLAME: Joe Bauers Flaneursalon: Mittwoch, 18. März 2009, 20 Uhr. Restaurant-Theater Friedenau, Rotenbergstraße 127, Stuttgart-Ost. Mit Stefan Hiss, Dacia Bridges, Michael Gaedt. Karten: 07 11 / 2 62 69 24. Es gibt noch Karten. „Kontakt“ |
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