Bauers Depeschen


Sonntag, 07. Dezember 2008, 259. Depesche



BETR.: DAS NICHTS ZUM SONNTAG



Das Depeschengeschäft hat nachgelassen, keine Frage. Weihnachtskrise. Es ist nicht so einfach, genügend Zeit in Depeschen zu investieren. Ich könnte darauf verzichten, im kalten Mineralwasser des Bad Berg zu schwimmen oder durch den verpissten Schlossgarten zu joggen. Aber so blöd bin ich nicht. Ein paar Rituale müssen bleiben, sonst gehe ich schneller unter, als meine Badeanstalt für 16 Millionen Euro „modernisiert“ wird. Man werde den „Charakter“ des Bades erhalten, sagen die Politiker. Ich könnte es glauben - würde ich auch nur einen einzigen Stuttgarter Politiker mit Charakter kennen.

Ich habe noch ein paar andere Stunden vergeudet, bin mit einem Ausflugsschiff auf dem Neckar gefahren. „Weihnachtssingen“ stand auf dem Programm. Deshalb aber war ich nicht dort, ich hatte eine andere Wasserstandsmeldung zu prüfen, über die ich zu gegebener Zeit berichten werde.

Tatsächlich war das Weihnachtssingen auf dem Schiff der Neckar-Käpt‘n-Linie eines der schlimmsten depressiven Erlebnisse meiner Existenz, zehn Krankenhaushalte, Hunderte von Stuttgarter-Kickers-Spielen und alle Damenkontakte inklusive.

Selbstverständlich nenne ich keine Namen. Diese Ausflüge werden von einer Dame organisiert, die irgendwann im „Musikantenstadl“ aufgehen wollte, dafür aber so viel Talent besitzt wie ich als Heiratsschwindler. Ihr Unternehmen heißt übrigens „Talentstall“. Auf dem Schiffe saßen außer mir und zwei weiteren Spionen 60 Rentnerinnen/Rentner. Es gab, im Fahrpreis von 21,70 enthalten, Glühwein/Früchteteepunsch und Christstollen. An den Keyboards stand ein Mann, der sich im Lauf der zweistündigen Nachmittagsshow auch als Songwriter und Sänger im Schlagergenre zu erkennen gab. Er komponiert und textet exakt so, wie er singt. Er hat nicht mal ansatzweise eine Stimme, aber Mut. Aus dem Talentstall kam auch eine Sängerin, die so klang, wie die Sängerinnen im SWR-Fernsehen klingen. Sie wog nur doppelt so viel wie eine SWR-Sängerin, sonst wäre sie heute ganz oben und nicht auf dem Schiff.

Ich hatte zuvor so etwas nie live erlebt, ich dachte nicht, dass man Menschen außerhalb von Altersheimen und anderen haftähnlichen Anstalten so etwas antut – auch wenn am Ende keine Heizdecken angeboten wurden.

Die Dramaturgie der Show war interessant: Man wurde ohne Pause zwei Stunden lang mit Weihnachtsliedern zum Mitsingen oder mit solistisch dargebotenen Schlagern beschallt. Es war sehr laut, ich hatte Angst, und es gibt keine Möglichkeit, sich über solche Ereignisse lustig zu machen.

Einmal war ich kurz davor, ins Wasser zu springen. Dann aber wäre ich anderntags nicht im Bad Berg aufgetaucht.

Ich kann mich an diesem Sonntag nicht mit den Stuttgarter Kickers befassen. Muss eine Fußballkolumne schreiben. Ich war mal in Hoffenheim. Eine Kaffeetasse mit Vereinsemblem im Fanartikelladen hat mich fünf Euro gekostet. Eine Kaffeetasse in der Ramschbude der Kickers acht Euro. Neulich habe ich für meinen Kollegen George den Griechen und mich zwei Kickers-Mützen für den Winter gekauft – als wir sie ausgepackt hatten, stellten wir fest, dass beide farblich völlig versaut waren. Zu lange gelegen.

Meine jüngste Publikumsbeschimpfung für die Missachtung von Veranstaltungen auf der Depeschenseite hat gefruchtet: Ich habe seitdem weniger Klicks. Das ist gut. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Die Schnorrer ziehen weiter.

Es gibt nurnor wenige Karten für „Die Nacht der Lieder“, die an diesem Dienstag und Mittwoch im Schauspielhaus der Staatstheater stattfindet (Telefon: 07 11 / 20 20 90). Manchmal wird mir vorgeworfen, auf meiner Website stünde zu viel Veranstaltungswerbung. Das ist der größte Unsinn, denn ich je gehört habe: Diese Seite wurde für den Flaneursalon, also für Veranstaltungswerbung erfunden. Aber sagen Sie das mal Frau Mirjam mit jott. Lebt werbefrei. Schläft vermutlich in neutraler Bettwäsche ohne VfB-Brustring und reißt das Quelle-Logo vom Kühlschrank.

Die Kundschaft glaubt, meine Homepage sei so etwas wie die Apotheken-Rundschau: Sie darf nichts kosten, soll aber den Zusammenhang zwischen Prostata- und Gehörschäden erklären. Und ein paar Witze sollten drauf sein. Wegen der Lachzwangsneurose. Fragen Sie den Arzt Ihrer Apotheken-Rundschau. Damit beende ich meine naive Publikumsschelte. Internet heißt: Schreiben ins Nichts. Ein Wunder, wenn etwas zurückkommt.

Und gehen Sie mal zum Singen auf den Neckar. Danach werden Sie Pirat.



- Letzte Karten für Die Nacht der Lieder: 07 11 / 20 20 90.

www.stuttgarter-nachrichten.de/nachtderlieder

www.staatstheater-stuttgart.de

- Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten:

www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer



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