Bauers Depeschen


Samstag, 22. November 2008, 253. Depesche



WEIHNACHTEN IN LAS VEGAS



Als ich die dritte oder vierte E-Mail von Bekannten mit der Botschaft erhalten hatte, sie zögen es vor, Weihnachten in Florenz, Venedig oder Dubai zu verbringen, verließ ich meine Wohnung. Ich wusste, dass ich nicht weit kommen würde. Dann stand ich vor Las Vegas.

Es war Weihnachten 2005. Ich hatte in den Zeitungen die Glückwünsche zum 100. Geburtstag von Las Vegas gelesen, als ich die Treppe in den ersten Stock hochging und den Spielsalon betrat. Der Salon war menschenleer, leer wie der Billardtisch in der Mitte des Raums. An den Wänden blinkten die toten Augen der Automaten. Ich sah die Köpfe von James Dean, Humphrey Bogart und Marilyn Monroe auf einem Poster, dann den alten Mann an der Rezeption. Ein düsterer Laden, und ich war froh, dass der alte Mann rauchte. So wusste ich, dass er lebte.

Der Mann wollte wissen, ob ich jemanden suche. Ja, hätte ich beinahe gesagt, ich suche das Glück. Ich ging die Treppe hinunter und stand in der Holzstraße unweit des Stuttgarter Charlottenplatzes, der Heimat des Spielclubs Las Vegas, geöffnet ab morgens um sechs. "Gewinnen ist geil", steht an der Wand.

Es war Weihnachten, weit und breit keine Seele, auch keine verlorene. Ich dachte an Benjamin "Bugsy" Siegel, der vor 65 Jahren in der Wüste von Nevada stand, unweit eines Kaffs namens Las Vegas. Bugsy hatte eine Vision. 65 Jahre sind eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass 1940 neben Las Vegas, dem Las Vegas von heute, auch der Nylonstrumpf erfunden wurde. Ohne Nylonstrumpf wäre Las Vegas nicht Las Vegas geworden. Das große Showgeschäft hätte nicht stattgefunden. Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis jr. und die anderen sind ohne Nylonstrumpf nicht denkbar.

Keine Ahnung, ob der Gangster Benjamin Siegel darüber nachgedacht hat. 1947 wurde er, 41 Jahre alt, in Los Angeles hinterrücks erschossen. Er hatte sich mit dem Bau des Hotels Flamingo, seiner Vision vom großen Showgeschäft, übernommen. Der Luxusladen inklusive Casino war auf eine Million Dollar veranschlagt worden, verschlang aber sechs. Barry Levinson hat Benjamin Siegel mit dem Film "Bugsy" ein Denkmal gesetzt - der Film endet mit dem Hinweis, nach Bugsys Tod habe die Investition von sechs Millionen 100 Milliarden Rendite gebracht.

Vielleicht würde diese Geschichte den rauchenden Mann im Las Vegas, Holzstraße 17, interessieren. Die Geschichte von Macht und Geld, Sex und Hitze. Was daraus geworden ist, hat uns Martin Scorsese in seinem Film "Casino" - mit Robert De Niro und Joe Pesci - vorgeführt.

Auch in Francis Ford Coppolas "Der Pate", Teil 1, erfährt man etwas darüber: Michael Corleone lässt am Ende den Casino-Besitzer Moe Green ermorden - auch Green war ein realer Pionier in der Wüste von Nevada. Es gibt heute noch einen Laden namens Moe Green's in Las Vegas, und ich denke, es wäre weniger peinlich, dort einen Drink zu nehmen, als in Las Vegas zu heiraten wie die Touristen.

Das Prinzip Las Vegas hat längst die Provinz erreicht. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stand ein Hotel namens Stuttgart International (SI) in der Wüste von Stuttgart-Möhringen. Der Laden war nichts mehr wert; einmal hatte hier Harald Juhnke gesungen. Eines Tages baute ein Unternehmer namens Rolf Deyhle rund um das nutzlose Möhringer Hotel zwei Musicalbühnen - und ein Casino. Kann sein, dass er sich dabei übernommen hat, man weiß es nicht. Aber seitdem rollen die Touristenbusse.

Ich bin viel herumgekommen in Gedanken seit Weihnachten in Las Vegas, Holzstraße 17. Ich weiß nicht, ob ich so weit gekommen wäre in Florenz, Venedig, Dubai.



Neue Kolumnen, auch die über VfB-Veh, in den Stuttgarter Nachrichten:

www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer



- Joe Bauers Flaneursalon bestreitet das Jahresfinale:

Dienstag, 25. November, 20.30 Uhr, Lokalität Rosenau - Roland Baisch & The Country Boys (feat. Rudi Blazer), Los Gigantes, Michael Gaedt & Anja Binder und Dacia Bridges & Alex Scholpp. Karten-Info: 0711 / 6 61 90 90



- Für "Die Nacht der Lieder" am 9. und 10. Dezember im Schauspielhaus der Stuttgarter Staatstheater sind aufgrund stornierter Reservierungen wieder Karten frei geworden, speziell für den zweiten Abend. Eine empfehlenswerte Veranstaltung, für die von kommender Woche an noch einmal kräftig Werbung gemacht wird - und die dann bald ausverkauft sein dürfte.

Karten: 0711 / 20 20 90.

www.stuttgarter-nachrichten.de/nachtderlieder



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