Bauers Depeschen


Mittwoch, 06. Februar 2008, 113. Depesche



In der Stuttgarter Zeitung, dem Konkurrenzblatt meines Arbeitgebers, war am Dienstag dieser Woche eine Geschichte über den Flaneursalon zu lesen:



COWBOYS, SCOUTS UND FALLENSTELLER

Joe Bauers Flaneursalon wird zehn Jahre alt



Von Michael Werner



Ein Treffen mit den Protagonisten der Lieder- und Geschichtenshow "Flaneursalon" morgens um zehn kann so verlaufen: Der Hausherr Michael Gaedt hat im Büro seiner Kleinen Tierschau zwar Kaffee, aber keine Brezeln, also geht der "Flaneursalon"-Chef Joe Bauer welche holen, weil die Musiker Stefan Hiss und Ralf Groher sich eh verspäten. Dann kommen Hiss und Groher, aber Bauer ist fort, und der Fotograf muss gleich weg. Und als Bauer wieder auftaucht, ist plötzlich Gaedt verschwunden, weil er zwischen Pornogitarren und frisierten Boxautos Zucker für den Kaffee sucht und Tassen. Eine ist aus Pappe und von McDonald's. Alle lachen.

Verglichen mit der morgendlichen Verabredung läuft der fulminante abendliche "Flaneursalon", der seit zehn Jahren durch diverse Lokalitäten der Stadt streunt und diesmal in der Rosenau gastiert, geordnet ab: Joe Bauer, der Kolumnist der "Stuttgarter Nachrichten", liest seine Geschichten, das heißt, er knurrt sie aus einem mit merkwürdigen Stuttgartern bevölkerten Wilden Westen heraus nach Stuttgart zurück. Oft klingt er dabei wie ein Westernheld, der mit Worten abdrücken muss, weil er seinen Colt zu Hause vergessen hat. Er ist der einzige Lohnschreiber hierzulande, der es mit einer selbst erfundenen journalistischen Stilform auf die Bühne geschafft hat. Und er hat es verdient.



Wenn Bauer fertig ist, dann spielen Los Gigantes, also Stefan Hiss (Akkordeon) und Ralf Groher (Trompete), und manchmal färbt dann gewissermaßen ein schaurig schöner Sonnenuntergang jene Wüste blutrot, in der die von Joe Bauer verbal niedergestreckten Unholde gerade ihr Leben aushauchen. Währenddessen parkt Michael Gaedt draußen vor der Rosenau sein Motorrad. Er ist von einem anderen Auftritt anderswo mit Flip-Flops an den Füßen herbeigerauscht, hängt sich beinahe pünktlich die Westerngitarre um, singt einen Countrysong oder stampft einen Witz auf die Bühne, der gut ist, weil er krepiert.

"Die Rolle des einsamen Wolfes, des Westernhelden, ist bei uns allen mehr oder weniger stark drin, und das kann man natürlich nicht ohne Ironie machen", sagt Stefan Hiss, der Akkordeonspieler beim morgendlichen Treffen. "Nein, ich bin so", behauptet Michael Gaedt, und dass der "Flaneursalon" auch viel mit Einsamkeit zu tun habe: "Wenn ich mit einem todsicheren Witz auf die Bühne gehe und versenke den, und keiner lacht, dann fühl ich mich ziemlich einsam . . ." " . . . dann kommst du zurück hinter die Bühne und wirst aufgefangen", erklärt Stefan Hiss, der weiß, dass Cowboy eigentlich "ein schlecht bezahlter Scheißjob" gewesen ist, als Inbegriff der Freiheit so unbrauchbar wie Fernfahrer. Deshalb ist es Joe Bauer wichtig, dass es nicht bloß um Cowboys geht: "Uns fasziniert auch der einsame Scout, der Schnüffler, der mit seinen zu hohen Absätzen durch die Stadt latscht und was sucht." Darauf Gaedt: "Es gibt auch Fallensteller in der Band."



Michael Gaedt meint wirklich Band. Der "Flaneursalon", bei dem viel gesprochen wird und ansonsten unplugged ohne Bass und Schlagzeug musiziert, habe "die Form eines Konzerts von verschiedenen Künstlern, die ebbes machen", beteuert er. "Beim Joe seinen Songs hat's manchmal ein bisschen wenig Musik, aber sein Vortrag geht nach außen, als ob er ein Instrument hätte." Ralf Groher, der Trompeter, der eine Bar namens Bar betreibt, ergänzt: "Es ist wie bei Rock am Ring."

Es hat vor zehn Jahren angefangen, als Joe Bauer ein Buch veröffentlich hat, das er im Gustav-Siegle-Haus vorstellen sollte. Er wusste nicht, wie. "Soll ich jetzt in einer Ecke sitzen und was vorlesen?" dachte er, und dass er das nicht könne. Stattdessen machte er das, was er seit Ende der achtziger Jahre immer wieder gemacht hat: er organisierte ein buntes Programm mit anderen, in dem diesmal eben auch seine eigenen Geschichten vorkamen. "Von auf die Bühne drängen kann keine Rede sein." Aber er blieb dennoch dort und stellte fest, dass vorgelesene Geschichten triftiger sein müssen als bloß aufgeschriebene. "So blöde Buchstabendreher und Kalauer funktionieren auf der Bühne nicht, das muss alles raus", sagt Bauer. Michael Gaedt schlägt vor: "Du hast die große Möglichkeit, Scheiße nicht vorzulesen!" Joe Bauer erwidert: "Wenn der Gaedt dahinter steht, lachen die Leute trotzdem." Einmal saßen beim manisch-komisch-melancholischen "Flaneursalon" der Polizeipräsident und die Hells Angels gleichzeitig in der Rosenau.

Joe Bauer probt trotzdem nicht verbissen: "Irgendwann hab ich das auf dem Sofa vor mich hingelesen, um es besser in den Griff zu kriegen. Aber ich habe keinen Unterricht genommen oder so was." Er setzt auf seine Gäste: "Der Gaedt und i hän immr zamma Sacha gmacht, seit Ende der achtziger Jahre", sagt der Einlader. "I glaub, mir sen befreundet", korrigiert Gaedt. "Und dann ist Talent zweitrangig", ergänzt Hiss. Der ist laut Bauer ein "großartiger Sänger und Akkordeonspieler - und ein Geschichtenerzähler, der klarer, gefühlvoller und schelmischer wirkt als viele Singer-Songwriter aus der Gitarrenecke. Der Groher passt da wie bestellt."



Michael Gaedts Gründe, am "Flaneursalon" teilzunehmen, hören sich wesentlich banaler an: "Ich habe mich nicht getraut, die Gigantes anzusprechen, ob ich ein Autogramm kriege. Dann habe ich mir gesagt: Komm, ich stell mich einfach neben sie auf die Bühne. Und dass der Joe Bauer halt auch dabei ist . . ." " . . . das ist der Preis, den man zahlen muss", so vollendet Stefan Hiss, dem gleich wieder Gaedt ins Wort fällt: "Ich habe einen unglaublich scharfen Verstand, eine schnelle Auffassungsgabe und einen gnadenlos guten Geschmack und bin wirklich froh, dass ich diese Herren meine Freunde nennen darf. Und ich bin stolz, wenn ich mit ihnen auf der Bühne bin." Ralf Groher bekundet noch, dass er an Michael Gaedt schätze, "dass er sich für überhaupt nichts zu schade ist", und Joe Bauer werde immer besser.

Doch auch die innigste Männerfreundschaft kennt Grenzen. "Wenn das Doppelbett zu eng ist", weiß Gaedt. "Oder wenn man in Grohers Bar nicht bezahlt", verrät Bauer. "Ich mag Joe, ich mag sein Herz", offenbart daraufhin Dacia, die Sängerin, die bald zum ersten Mal im "Flaneursalon" auftritt. Darauf Bauer zu seinen Männerfreunden: "Hört gut zu!"

Kontakt





 

 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·