Bauers Depeschen


Montag, 05. November 2007, 82. Depesche

Letzte Ladung: Am, Dienstag, 13. November (20.30 Uhr), sind wir mit dem Flaneursalon in Tübingen, Club Mancuso.

Zu was sind eigentlich Depeschen gut? Ich sage es Ihnen: für einen guten Ausflugstipp. Die folgende Geschichte lag lange unfertig herum, aber es wäre schade, würde man sie dereinst vergessen.





DER HOHENASPERG



Der Hohenasperg gilt als schönes Ausflugsziel. Der Besucher, heißt es, werde nach seiner Ankunft mit einem herrlichen Panoramablick belohnt. Manch einem hat diese Aussicht alle Aussichten genommen. Der Dichter Schubart hat dort lange eingesessen, ein politischer Gefangener.

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich bis heute gescheut habe, den Hohenasperg (350 Meter hoch) zu besteigen. Alpinisten behaupten, es handle sich um den schwierigsten Berg des Landes: Die meisten Besucher seien wesentlich schneller oben als wieder unten.

Auf dem Hohenasperg steht das Justizvollzugskrankenhaus. Peter Graf, der Vater der armen Tennisspielerin, war hier zu Gast. Aber auch größere Geister weilten hier im Dienste der Gerechtigkeit, wenn auch nicht immer so lang wie der Dichter Schubart.

Anfang des Jahres 2004 gelang es einem 30 Jahre alten Häftling, aus der Knastklinik zu flüchten. Es ist immer wieder vorgekommen, dass sich ein Gefangener absetzte, ohne die Wächter um Erlaubnis zu fragen. In unserem Fall, teilte seinerzeit das Justizministerium mit, habe eine ‚‚Verkettung unglücklicher Umstände’’ die Flucht begünstigt.

Komisch, denke ich, wenn sich unglückliche Umstände ausgerechnet dort zur Verkettung entschließen, wo man sonst Unglückliche verkettet und verschließt.

Dabei hatte der Ausbrecher, ein Räuber, keineswegs nur Dusel, er profitierte vielmehr von dem glücklichen Umstand, dass in seinem Kerker die Wärter sehr laut schnarchten.

Diese Flucht des Räubers vom Hohenasperg war keine gewöhnliche Flucht: Nach Angaben der Behören flüchtete ein ‚‚Fußkranker’’. Mag der Fuß ein kranker Fuß gewesen sein. Lange war es ein freier Fuß, auf dem sich unser Mann befand.

Der Mann, der stiften ging, hatte im Oktober des Jahres zuvor zusammen mit drei Komplizen einen Tübinger Baumarkt überfallen, 40 000 Euro erbeutet und sich dabei einen Knöchel gebrochen. Als er tags darauf, in einem zivilen Krankenhaus, verhaftet wurde, hatte er 25 000 Euro bei sich, was den Schluss zulässt, dass er mit seinen Kollegen nicht gerade brüderlich geteilt hatte. Es scheint immer weniger ehrliche Banditen zu geben.

Der Täter war schlau. Er ging bis zum Tag seiner Flucht, die wie jede ordentliche Flucht in der Nacht stattfand, auf Krücken. Dies, so ließ hernach die Justizbehörde verlauten, sei ‚‚ein Trick’’ gewesen. Wie die Beamten dies herausfanden, ist nicht bekannt.

Der Baumarkträuber kletterte aufs Dach des Hohenasperghauses. Von dort aus stieg er, immer noch schwer fußkrank, auf eine vier Meter hohe Mauer und seilte sich mit Hilfe seiner zwei verbliebenen gesunden Hände an verknoteten Bettlaken ab. Um den Vollzugsbeamten dennoch eine Chance zu geben, löste er vor seinem Abgang Alarm aus.

Ein anscheinend wacher und nicht fußkranker Wächter schaute sofort nach dem Rechten, fand aber nichts, was seine Linke hätte beunruhigen können. Er dachte, ein Tier habe einen Fehlalarm ausgelöst, vielleicht eine Gazelle oder ein Elefant.

Ein Sprecher des Stuttgarter Justizministeriums sagte später, es habe sich bei dieser Flucht um einen ‚‚Zufallstreffer’’ gehandelt. Dem Untersuchungshäftling habe eine ‚‚bauliche Gegebenheit’’ geholfen, und nicht etwa seine Baumarkterfahrung. Bei der „baulichen Gegebenheit“ handelte es sich um einen ordnungsgemäß angelegten Schacht. Zufällig, stellte sich heraus, gehörte der Schacht zur Grundausstattung der Zelle, er sorgte für Abluft. So musste der Räuber nicht wie der Graf von Monte-Christo extra einen Tunnel graben. Der Schacht war einfach serienmäßig da, so wie die Toilettenschüssel und die Pritsche. Oder die RAF-Pistolen in Stammheim.

Das ist die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.



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