Bauers Depeschen


Freitag, 07. Juli 2017, 1814. Depesche

TERMINE

MONTAG, 24. JULI:

Spezielle Montagsdemo der S-21-Gegner zusammen mit anderen politischen Initiativen: "Druck in den Kessel - Für ein anderes Stuttgart". Mit Winfried Wolf (Buchautor), Jürgen Resch (Deutsche Umwelthilfe), Sarah Händel (Mehr Demokratie), Angelika Linckh (Robin Wood), Hannes Rockenbauch (Stadtrat). Moderation Sidar Carman & Joe Bauer. Schlossplatz, 18 Uhr.



MITTWOCH, 26. Juli

Kleiner Erinnerungsabend zum 80. Todestag der Stuttgarter Kriegsfotografin Gerda Taro. Gerda-Taro-Platz, 18 Uhr. Es sprechen die Taro-Biografin Irme Schaber, der Historiker Michael Uhl und unsereins. Musik zum Thema macht STEFAN HISS. Bei Regen im Theater am Olgaeck, Charlottenstraße 44.



DIENSTAG, 17. OKTOBER

Joe Bauers Flaneursalon live im Club Four 42 in Stuttgart-Untertürkheim, Augsburger Straße 442. Jürgen Heyls bizarrer Keller mit Industriecharme. Auf die Bühnen gehen der Komiker Rolf Miller sowie die Musiker Loisach Marci (mit Jens-Peter Abele) & Anja Binder. Begrenztes Platzangebot - und hier geht's zum Vorverkauf: EASY TICKET

 

MUSIK ZUM TAG



Die aktuelle StN-Kolumne



BEIM METZGER

Es ist morgens um halb acht, in der ­Wurstküche riecht es nach frischem Fleisch und Arbeit. In der computergesteuerten Rauchkochanlage hängen Lyoner. Daneben steht die Mengenmulde, eine Wanne, Edelstahl wie der Kutter (englisch: Cutter) und der Vakuumfüller. Dieter Wagner und sein ­Kollege Peter Maier machen Würste und zeigen einem  blutigen Laien wie mir ihre ­Geräte.

Ich bin nicht zum Metzger gegangen, um  Blut zu sehen. Auf diese Idee kam ich, als ich über das Wort „Metzgersgang“ stolperte und nicht  wusste, was es bedeutet. Es hat weiß Gott nichts mit dem Gang zum Schafott zu tun. Laut Duden bezieht sich der Metzgersgang auf den „Umstand, dass früher die Metzger oft vergeblich über Land gingen, um Schlachtvieh zu kaufen“, und umschreibt ein „erfolgloses Unternehmen“.

So gesehen habe ich eine Million ­Metzgersgänge hinter mir, nie aber hatte ich mich ernsthaft in meiner Nachbarschaft mit Angelika und Dieter Wagner unterhalten. Nur ein paar Schritte entfernt von meiner  Bleibe im Westen, an der Ecke Schwab-/Klopstockstraße, führen sie ihre Metzgerei. Im kommenden Jahr wird  das 20-jährige Bestehen des Geschäfts gefeiert, 1998 haben sie es von Dieter Wagners Eltern über­nommen. Dieter, 53, hat nach der Fachhochschulreife im elterlichen Geschäft ­gelernt, Angelika, 49, war Diplomverwaltungs­wirtin, ehe sie eine ­weitere Ausbildung als Fleischereifach­verkäuferin absolvierte. Seit 55 Jahren ist die Metzgerei Wagner in Familienbesitz;   das Geschäft selbst gibt es schon länger.

Die Eheleute sind zunächst etwas ­skeptisch, als ich mit der Bitte in den Laden komme, mit ihnen über ihre Arbeit zu reden. Mit solchen Dingen hätten sie keine ­Erfahrung, sagen sie. Na ja, sage ich, ich wiederum hätte keinen Schimmer vom Metzgerhandwerk. Dann durfte ich doch in die Räume hinter dem Laden, in die Wurstküche und in die Schubladen mit den Kunst- und Naturdärmen schauen.

Wie jeder Ahnungslose will ich zunächst wissen, wo geschlachtet wird. Dumme Frage. Nicht  im Haus. Der Metzgermeister Wagner ist kein Schlachter. So gut wie nie komme er mit Blut in Berührung, sagt er. Im Laden gibt es nur noch wenig Blutwurst, sie ist nicht mehr gefragt.

Das seit Jahren heftig diskutierte Thema „Tiere töten“ klammere ich aus, frage nur, ob der Ruf des Handwerks mit dem ­Aufkommen der Vegetarier und Veganer gelitten habe. Nein, sagen die Wagners, davon bekämen sie nichts zu spüren, keine Anfeindungen. Hier und da erzählen mal Kunden, sie bräuchten künftig womöglich etwas weniger Fleisch und Wurst, die ­Kinder daheim wollten es nicht mehr. Wegen der Tiere.

Für mein Empfinden wäre es nicht ­besonders originell, mit eingefleischten Metzgersleuten über fleischloses Essen zu sprechen. Sie essen im Übrigen selber nicht immer Fleisch. Mich interessiert, was sich im Metier verändert hat. Eine Menge. Es gibt nicht mehr viele Metzger in der Stadt. Die Fleischerinnung Stuttgart­-Neckar-Fils hat heute 115 Mitglieder. 1962, als die Eltern Friedrich und Marga Wagner das Geschäft in der Klopstockstraße übernommen haben, gab es allein in Stuttgart 400 Metzgereien. Heute sind es in der Stadt nur noch 25 und einige Filialen von ­Geschäften aus dem Umland. Eine Metzgerei mit eigener Schlachtung gibt es bei uns schon lange nicht mehr, und der legendäre ‪Schlachthof in Gaisburg‬ ist  seit 25 Jahren Geschichte. ­Längst beherrschen Discounter mit ihrer Billigware aus den Schlacht­fabriken der Massentierhaltung den Markt. Reelle ­Qualität in den Stadtvierteln, gutes Handwerk jenseits der Shoppingmall-Klötze, Supermärkte und Luxustempel,  hat es ­heute schwer. Das gilt nicht nur für Metzger.

Die Wagners arbeiten   60 Stunden die Woche. Ihr Laden ist außer montags von halb acht an geöffnet, freitags und samstags schon um sieben. Neben den beiden Metzgern sind acht Frauen  als Angestellte mit im Boot. Die komplette Arbeit wird im Haus erledigt, selbst die Werbung und die Gestaltung der ­Homepage. „Der Computer“, sagt der Chef, „ist mein Hobby.“

Mehr als tausend Stammkunden ­verschiedener Generationen sind das Jahr über zu bedienen. Zweimal die Woche fährt Herr Wagner morgens um fünf zur Mega, dem Fachgroßhandel am Gaisburger ­Gaskessel. Dienstags lädt er 500 Kilo Fleisch in seinen Anhänger, drei Viertel vom Schwein, der Rest Rind und Kalb. An ­Festtagen wie Ostern und Weihnachten gibt es zusätzlich Lamm, Gänse und Wild. Die Ware liefert der Göppinger Metzgerschlachthof, sämtliche Produkte der Marke Staufenfleisch stammen von Höfen der Region. Sie werden bestellt und abgeholt. Gute Qualität ist in diesem Fall reine Vertrauenssache. „Ich bin kein Schnäppchenjäger“, sagt der Chef. „Wir essen ja unsere Sachen selber gern“, ergänzt seine Frau. Die Metzgerei setzt nicht auf ­Bio-Ware, aber es gibt klare Kriterien: Seit vielen Jahren wird beispielsweise kein ­Glutamat mehr verwendet. Die Wurst im Laden, darunter zehn Schinkensorten, ist überwiegend hausgemacht.  Die Essensgewohnheiten haben sich ­verändert. Kaum jemand  verlangt heute noch Fleisch für einen traditionellen Sonntagsbraten oder gar Innereien wie Herz und Kutteln, Nieren oder Kalbsbries. Diese Ära ist weitgehend vorbei – und die Zeit fürs Kochen am heimischen Herd  knapp geworden. Gefragt sind küchen­fertige Produkte: Filet im Blätterteig, ­panierte Schnitzel, gefüllte Rindsrouladen, gefüllte ­Kalbsbrust. Und Fleisch, das sich schnell zubereiten lässt: Filetstücke eben. Im Sommer, zur Grillzeit,  startet der Laden auch mal eine ­Burger-Aktion mit eigenen Kreationen.

Die gute alte Vesperwurst dagegen ist aus der Mode. Gekauft werden magere - etwas teurere - Sorten wie Lyoner und Bier­schinken, aber auch Weißwürste. Halten kann sich übrigens die ehrwürdige ­Saitenwurst. Echte Hits in den Vitrinen sind Salate aller Art: nicht nur mit Fleisch und Wurst, ­sondern vor allem Kartoffelsalat, auch ­Karotten-und Krautsalat, Eier- und Nudelsalat. Metzgersleute machen Menüs.

Ich habe   noch gefragt, ob ihnen, wenn ich so sagen darf, der Knochenjob noch Zeit für Hobbys lässt. Die Antwort hat mich ­beruhigt: Angelika Wagner singt im ­Kirchenchor, und das zeugt doch im harten Geschäftsleben von einem guten Verhältnis zur Harmonie.

 

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