Bauers Depeschen


Mittwoch, 01. März 2017, 1748. Depesche



STUTTGART-DEMO FÜR DENIZ YÜCEL

Jetzt findet auch in Stuttgart eine Kundgebung für den in der Türkei eingekerkerten Journalisten Deniz Yücel und seine ebenfalls inhaftierten Kolleginnen und Kollegen statt: Freitag, 3. März, Türkisches Konsulat, Kernerplatz 7. Beginn 16 Uhr. Veranstalter sind Die AnStifter.



FLANEURSALON IN DER FRIEDENAU

Den nächsten Flaneursalon gibt es am Donnerstag, 6. April, in der geschichtsreichen Theater-Gaststätte Friedenau in Ostheim. Auf die Bühne gehen der Entertainer Roland Baisch und sein Gitarrist Frank Wekenmann, die Sängerin Thabilé und ihr Gitarrist Steve Bimamisa. Ich mache auch mit. Beginn 20 Uhr. Bewirtung im Saal ab 18 Uhr.

Reservierungen: 0711/2 62 69 24.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



BEIM BART DES PROFESSORS

Dietrich Krauß hat kein Auto. Mit Frau und Kindern wohnt er am Bopser, sein Büro teilt er sich mit Architekten, Webdesignern und einer Kuratorin in der Mozartstraße. Diese Adresse gehört zum Heusteigviertel, das mangels großstädtischer Quartiere im Kessel gern als Biotop urbaner Kreativität gehandelt wird.

Krauß könnte in jeder Gegend der Stadt arbeiten, die er ohne Verkehrsmittel erreichen kann. In Stuttgart, sagt der überzeugte Fußgänger und Straßenbahnpassagier, musst du eigentlich nie fahren, um irgendwo hinzukommen, der Kessel ist überschaubar. Zurzeit arbeitet Dietrich Krauß, Doktor der politischen Philosophie, an Texten zum Thema „Auto“ – erstellt Analysen, erforscht Aberwitzigkeiten. Wenn er davon erzählt, sieht man in seinen Augen, wie viel Spaß es ihm macht, dieses monströse Kapitel einer vergifteten Gegenwart aufzudecken. In einer Welt, in der man Sündenbock- und Propagandastrategien im Fall VW und den Autofetischismus keifender SUV-Piloten in der Enge der Stadt studieren kann.

Dietrich Krauß arbeitet für „Die Anstalt“ des ZDF. Seit 2014 ist er der Autor dieser Kabarettshow, Texter im Zusammenspiel mit den Bühnenkomikern Max Uthoff und Claus von Wagner. Den Grimme-Preis gab es dafür bereits 2015, jetzt ist die Sendung auch für die Goldene Kamera nominiert (Verleihung an diesem Samstag).

Als ich Herrn K. in der Mozartstraße besuche, treffe ich einen Mann von ungewöhnlicher Gelassenheit. Es braucht wohl diese innere Ruhe, um den Dingen mit radikalem Denken auf den Grund zu gehen. Kabarett gilt als die Kunst, die Realität so geschickt zuzuspitzen und zu überhöhen, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Das ist weiß Gott nicht immer lustig.

Dietrich Krauß, 1965 in Gerabronn bei Crailsheim geboren und in Stuttgart zu Hause, verkörpert das Handwerk der ZDF- „Anstalt“, die sich vom fernsehüblichen Nummernprogramm verabschiedet hat. Er ist ein erfahrenen Kabarettist, war in den Achtzigern und Neunzigern Partner von Wolfgang Kröper beim erfolgreichen Duo Die Märchenprinzen. Daneben studierte er in München Journalismus und arbeitete 20 Jahre lang beim SWR-Fernsehen, wo er bis heute unter Vertrag ist für Unterhaltung, Wirtschaft, Wissenschaft; der Sender hat ihn der „Anstalt“ ausgeliehen.

Die ZDF-Show mit den Herren Uthoff und Wagner ist ein Mix aus investigativem Journalismus und kerniger Satire. Da sehen wir Szenen, die gegen alle Regeln des deutschen TV-Kabaretts zu verstoßen scheinen. Gerade diese Gesetzesbrüche haben die Show erfolgreich gemacht: Seit Utthof, Wagner & Krauß in die „Anstalt“ eingezogen sind, schalten sich vermehrt junge Leute zu, viele im Internet. Das ist bei den Öffentlich-Rechtlichen schon deshalb eine Art Sensation, weil sich die Show nicht etwa mit Comedy-Blödeleien anbiedert, sondern zwischen starken Pointen das gute alte Schulbuch aufschlägt. Es ist definitiv lustig, wenn Herr K. erzählt, wie bei dieser Arbeit alte Rituale über den Haufen geworfen werden: Scheinbar hoffnungslos altmodisch, besinnt sich „Die Anstalt“ auf Werte wie Aufklärung und Didaktik. Da steht plötzlich ein Komiker wie ein Außerirdischer an der Tafel und erläutert dem Publikum mit Linien und Kreisen komplizierteste politische und wirtschaftliche Hintergründe.

Und beim Bart des Professors: Diese Pädagogik funktioniert, das Publikum nimmt die Belehrungen dankbar an – selbst dann, wenn erzählt wird, wie die Amis schon zu Jelzins Zeiten mit reichlich Dollars die Politik der Russen manipulierten. Normalerweise, von Vorurteilen versaut, hätte man vom jungen Publikum die Reaktion erwartet: Who the fuck is Jelzin? Die Neugier auf Wahrheit und Geschichte aber ist nicht tot – und die Lage so ernst und verworren, dass sie vielen Menschen womöglich am besten mit diesem virtuosen „Anstalt“-Mix aus Recherche und Humor zu erklären ist.

Herr K. sagt: Es ist verrückt, die Auftritte eines Präsidenten Trump sind schon im richtigen Leben dermaßen extrem und absurd, dass sie mit den Mitteln der TV-Komik kaum noch zu überbieten sind. In dieser surrealen Situation tut sich in der „Anstalt“ etwas Verrücktes: Die Komiker treiben die Dinge nicht mehr zum Äußersten – sie erklären mit penibel gesammelten Fakten die Zusammenhänge. Kabarett paradox. Nicht erst seit Trump.

„Die Anstalt“ hat das Kabarett nicht neu erfunden. Ihre Ensemble-Arbeit mit Gastkünstlern – eine Abkehr von der Solistenroutine, wie sie etwa der konservative Comedy-Pfau Dieter Nuhr in der ARD vorführt – orientiert sich an Großmeistern wie der britischen Truppe Monty Python. Wichtigster Grund für den Erfolg der Sendung ist neben der guten Chemie im Autorenteam eine vermeintliche Selbstverständlichkeit: Das ZDF, sagt Herr K., lässt dem Team alle Freiheiten. Nie tauchen Zensoren auf, die Qualitäten ideologisch oder nach Bauchgefühl beurteilen, ihrem Privatgeschmack, der vorzugsweise bei der amateurhaften Produktion schlechter Shows ausgebildet wurde.

Die Methode des „Anstalt“-Teams bringt naturgemäß reichlich Feinde in Stellung: Je nach Bedarf gelten die Künstler als „Nato-Huren“ oder „Putin-Lakaien“. Und nach guter deutscher Sitte bewertet man ihre Satire oft genug so humorlos, als handle es sich um Dokus oder „heute“- Kommentare. Die Meinungs- und Kunstfreiheit hat es nicht leicht in einem Land, in dem Humor bis heute gern als bloße Heiterkeit gedeutet wird.

Am meisten Zorn und Wut erntete „Die Anstalt“ übrigens bei ihrer skurrilen und informativen Show über die Geschichte des Feminismus: Da traf die Kritik an der herrschenden Frauenfeindlichkeit nicht mehr nur Bosse und Politiker– das Publikum, vor allem die versammelte Herrlichkeit, sah sich mit dem eigenen Schweinehund konfrontiert. So schwer fiel es noch nie, Betroffenheit zu heucheln.

Die nächste „Anstalt“ wird am 7. März ausgestrahlt. Produziert wird wie immer in München, wo sich Uthoff, Wagner & Krauß auch regelmäßig zum Hirnen treffen. Fußgänger Krauß wird zur finalen Arbeit an der Show rund ums Auto mit dem Zug anreisen.



 

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