Bauers Depeschen


Freitag, 17. Februar 2017, 1743. Depesche



 



FLANEURSALON LIVE

Unser Abend am kommenden Montag im Gustav-Siegle-Haus ist ausverkauft. Den nächsten Flaneursalon gibt es am Donnerstag, 6. April, in der geschichtsreichen Theater-Gaststätte Friedenau in Ostheim. Auf die Bühne gehen der Entertainer Roland Baisch und sein Gitarrist Frank Wekenmann, die Sängerin Thabilé und ihr Gitarrist Steve Bimamisa. Ich mache auch mit. Beginn 20 Uhr. Bewirtung im Saal ab 18 Uhr.

Reservierungen: 0711/2 62 69 24.



DAS LIED DES TAGES

aus dem großartigen Film "Hell or High Water"



Hier noch ein Ausflugstipp:



IM TAL DES TODES

Nach Süden, Wanderer, fort aus der Abriss-Stadt, raus aus dem Talkessel.

Kessel ist nur ein anderes Wort für Knast. Aber das wissen nur Leute, die lange genug in der Altstadt waren. Nur sie können den naturgegebenen Kessel (Stuttgart) von einem angefressenen Kessel (Wampe) und einem unverschuldeten Kessel (Stammheim) unterscheiden.

Vom Westen ging ich Richtung Karlshöhe, bald aber erschien mir dieses Ziel zu touristisch, ich bog ab in die Halbhöhenlage. Die Wannenstraße hinunter nach Heslach, guter Blick auf prächtige Villen und stolze Industrieschornsteine, die letzten Symbole des Rauchverbots.

Die Sonne schien, es war warm im Februar wie im frühen Frühling, und ich sagte: Wanderer, geh nach Süden, zu den wilden heiligen Wassern. Geh in den Wald, Wanderer, wo die Bäume zurzeit noch sicher sind, wo nicht wie in anderen Parks im Morgengrauen Vermummte mit Stihl-Sägen und Pfefferspraydosen anrücken. Die Wannenstraße hinunter, über die Afternhaldenstraße (mit dem schönsten aller Stuttgarter Straßennamen) zum Bihlplatz. Aus strategischen Gründen noch kurz in die Straßenbahn Richtung Kaltental, Ausstieg Haltestelle Waldeck.

Warum erzähle ich Ihnen das, eigentlich tauge ich nicht zum Wanderführer. Ich bin ein Straßenköter. Aber weiter. Vom Waldeck zum Heslacher Waldheim, der alten Trutzburg der Sozialdemokraten, sie erinnert an eine Zeit, als es noch anständiger Sozialdemokraten gab. Über hundert Jahre alt ist die Geschichte des Waldheims. Die Nazis haben es eine "marxistische Brutstätte" genannt und besetzt, bevor das Haus Opfer der Bomben wurde. Nach dem Krieg haben Heslacher Arbeiter das Gasthaus im Grünen wieder aufgebaut, 1976 sprach hier unter großer Anteilnahme der Bevölkerung der große Willy Brandt, und danach gab es keine anständigen Sozialdemokraten mehr.

Bevor ich das Waldheim links liegen ließ, hatte ich eine Dame in ihrem Vorgarten nach dem Weg zu den wilden heiligen Wassern gefragt. "Gehen Sie über die Teufelsbrücke", sagte sie. „Dann sind Sie richtig." "Nichts täte ich lieber", sagte ich, „die Teufelsbrücke ist meine Bestimmung.“ Der Weg war weich und bequem. Weiter bis zur Bahnunterführung, zur berüchtigten Seufzerallee und Richtung Schattenring und Vaihingen.

Diesen Marsch verkraftet man bei gutem Wetter und schlammigem Boden ohne Anstrengung,weil man Licht am Ende des Kessels wähnt.

Als ich endlich am Tunnel der Gäubahn ankomme, donnert wie bestellt ein Zug mit Schweizer Waggons bergauf, und ich rufe: Drücken Sie auf die Tube, Herr Lokführer, in der Schweiz wird es früher dunkel als bei uns, das kommt vom vielen Schwarzgeld. Es ist noch schön hell im Wald (der Dachswald heißt), und bald bin ich bei der Brücke über die Autorennbahn am Schattenring und ganz nah bei den wilden heiligen Wassern.

Als ich sie erreiche, hat man den Weg in die Tiefe von Amts wegen gesperrt. Ich muss über rot-weiß gestreifte Plastikbändel steigen, um an den geheimnisvollen Ort vorzudringen.

Es rauscht erregend an den wilden heiligen Wassern des Südens, wenn man hinabsteigt ins tiefe Tal, wo die schäumende Sturzflut (wenn ich so sagen darf) in einem von Menschenhand gebauten Tunnel verschwindet. Herzog Christoph hat dieses Naturschauspiel im Jahr 1566 anlegen lassen, um den Mühlen am Nesenbach mehr Wasser zuzuführen. Das Wasser hat man vom Pfaffensee aus dem Glemstal durch den Christophstollen in den Nesenbach geleitet. Dieser Ort mit seinem Moos und Treibholz, mit seinen Felsbrocken und steinernen Treppen ist ein famoses Stuttgarter Wiedergeburtsparadies, verwunschen und verzaubernd, dass ich die vereiste Steinplatte vor meinen Stiefeln übersehe.

Ich komme ins Schleudern, und ich schlittere lange genug, um unterwegs über mein ganzes verpfuschtes Leben nachzudenken. Irgendeiner hat die Fährte ins Tal des Todes nicht ohne Grund mit rot-weißen Plastikbändeln und Verbotsschild gesperrt, denke ich, als ich mich schon mit eingeschlagenem Schädel im Bach liegen sehe. Doch gleite ich, von einem unsichtbaren Schutzengel gesteuert, verblüffend senkrecht über das Eis und komme, so scheint mir, erst nach mehreren Stunden zum Stehen.

Ich weiß nicht, ob ich bei dieser Nummer eine gute Figur gemacht habe. Später behauptete eine weit abgeschlagene Beobachterin, ich sei kreidebleich gewesen, aber das glaube ich ihr bis heute nicht. In Wahrheit habe ich hinauf zum Himmel über dem Kessel gebrüllt: "Wer die Teufelsbrücke schafft, kommt überall durch."

Mit lädiertem rechtem Fuß humpelte ich über die Treppe zum Waldrand, schlich mich zur Haltestelle beim Wildparkstüble und flüchtete nach 37 Minuten Wartezeit mit dem Linienbus nach Vaihingen.

Wenn ein Mann zu den wilden heiligen Wassern will, muss er Opfer bringen. Er muss auf verbotenen Pfaden tanzen und bereit sein, für die Heslacher Wasserfälle auch in den Kessel zu gehen. Das ist seine verdammte Pflicht.

 

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