Bauers Depeschen


Donnerstag, 28. Juli 2016, 1661. Depesche



SAMSTAG: PLATZGESPRÄCHE

An diesem Samstag bin ich Gast bei den "Platzgesprächen" des Forums Lebendiger Westen im Westquartier am Bismarckplatz, Elisabethenstraße 26. Beginn 16 Uhr. Programm: Eine VertreterIn der Stadt berichtet über die Neugestaltung der Elisabethenanlage (Vorstellung, aktueller Stand, Diskussion). - 16.45 Uhr: Wilfried Dechau: "Stuttgart reißt sich ab - Bilder gegen den Abriss". - 17.30 Uhr: Joe Bauer, kurze Lesung.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



MUSEUMSPARTY

Hin und wieder schaue ich vom Charlottenplatz rüber zur Baustelle. So genau weiß man nicht, was hinter der Fassade läuft: Irgendwas mit Geschichte, versprachen einst die Transparente am Wilhelmspalais. Stuttgarts neues Stadtmuseum soll im Herbst 2017 eröffnet werden.

Die wirklichen Probleme dieser Welt werden oft erst spät erkannt, wie das Beispiel Stadtmuseum zeigt: Da streiten sich Oberbürgermeister und Stadträte tatsächlich über die Art der Bewirtung im neuen Haus. Die Leiterin des Planungsstabs für das Stadtmuseum, Anja Dauschek, hat vorsichtshalber schon den Anker gelichtet und gekündigt: Im kommenden Jahr wird sie in Hamburg Direktorin des Altonaer Museums. Ihre Entscheidung kann man verstehen. Raus aus dem Dorf.

Wie gewohnt, spielt sich der eine oder andere Rathauspolitiker auf, als befähige ihn sein politisches Amt auch zum Kurator und Historiker, zum Barmann und Bühnenmanager. Liegt ja bei entsprechendem Selbstverständnis auf der Hand: Fast jeder von ihnen hat vermutlich schon mal eine Kneipe auf Spesen und ein Museum mit Freikarte besucht – und ist somit ausgewiesener Experte mit gut ausgebildetem Kessel-Geschmack.

Ein Kolloquium mit Mitgliedern des Gemeinderats und des Museumsbeirats hat zuletzt ausgeheckt, das im ersten Stock geplante Café des Museums ins Erdgeschoss zu verlegen und dafür 800 000 Euro extra beim Umbau zu zahlen. Auf diese Weise könnten Gäste das Lokal abends länger – über die Öffnungszeiten der Ausstellungen hinaus – besuchen. Es gäbe so auch einige Kneipenstühle im Freien und mehr Möglichkeiten für Veranstaltungen, Events genannt – ­wobei der Herr Oberbürgermeister bereits mit astreinem Geschichtsbewusstsein versichert hat, man wolle „weiterhin ein Museum, keine Partylocation“ machen.

Da fällt einem echt ein Stein vom Herzen: Was für ein ehrenhafter Gedanke, ein geplantes Stadtmuseum in einem historischen Gebäude tatsächlich auch noch nach der Eröffnung als Museum zu bespielen.

Den provinziellen Streit um den Ausschank in der früheren Stadtbücherei hätte man leicht vermeiden können mit einem schnellen Blick auf die eigene Stadtgeschichte: Schon als das 2005 eröffnete Kunstmuseum am Schlossplatz geplant wurde, versagten die Küchenmeister im Gemeinderat komplett. Und in diesem Fall weiß ich nur zu genau, wovon ich rede.

Wo sich heute das Restaurant Cube im Museum befindet, im obersten Stock, war ursprünglich ein fragwürdiger „Skulpturengarten“ vorgesehen. Es war dann – Verzeihung – unsereins, der kurz vor Torschluss Sebastian Jehle vom verantwortlichen Architektenbüro Hascher Jehle bei einem subversiven Treffen vorschlug, die exponierte Lage des Hauses für ein Lokal mit Aussicht zu nutzen. Mit diesem Schachzug sollten nebenbei jene Parteitechnokraten beruhigt werden, die pausenlos über Kleinkram bei der Planung meckerten. Die Überlegung: Gönnt man diesen Herrschaften einen noblen Platz hoch über dem Schlossplatz, sind sie zufrieden und still.

In den Stuttgarter Nachrichten erschien dann eine Sonderseite mit dem – bewusst vorsichtig formulierten – Vorschlag, statt eines Skulpturengartens einen „Gastro-Garten“ einzurichten. Die Idee: Mit einem Restaurant – und gleichzeitig einer Bar im Erdgeschoss mit kleinen Veranstaltungen – wäre es möglich, das Haus auch nach der abendlichen Schließung der Ausstellungsräume ohne Sicherheitsrisiken für die Kunst zu öffnen. Dafür gab es Zustimmung aus weiten Kreisen der Bevölkerung. Das Ergebnis ist allgemein bekannt. Nicht allerdings im Rathaus. Sonst hätte man daraus Schlüsse gezogen beim Umbau des Wilhelmspalais – vor allem, was die Öffnungszeiten der Gastronomie betrifft.

Das Wilhelmspalais, einst Wohnsitz von König Wilhelm II., strahlte nach dem Umzug der ehrwürdigen Stadtbücherei in die feine Nachbarschaft des Shoppingcenters Milaneo eine ganz eigene Kraft aus. Bis zur totalen Ausbeinung der Räume bespielten es die Veranstalter der Wagenhallen als kunterbuntes Event-Haus und machten dabei eine bemerkenswerte Erfahrung: Das Publikum drängte ausgerechnet vor der Frontseite mit Blick auf den Charlottenplatz ins Freie. Das Gelände – direkt an der Stadtautobahn Konrad-Adenauer-Straße – wurde eine sehr beliebte Spielwiese, abends auch mit Brückenschlag zu den gegenüberliegenden Musikclubs Universum und Goldmarks.

Das Versäumnis im Rathaus: Nachdem die Innenräume des Wilhelmspalais rigoros entkernt worden waren, hätte man bei der Café-Planung wenigstens an das Zusammenspiel des Hauses mit seiner Umgebung denken müssen. Es handelte sich im Übrigen nicht um irgendwelchen Plunder, den man im Wilhelmspalais zerstört hat. Geopfert wurde – ganz im Stil des üblichen Umgangs mit der Stadtgeschichte – das einzigartige Fünfziger-Jahre-Ambiente, gestaltet von der Innenarchitektin Herta-Maria Witzemann beim Wiederaufbau Anfang der sechziger Jahre.

Selbstverständlich darf es nicht darum gehen, die heute für die Zusammenhänge von Erinnerungskultur und Gegenwartsbetrachtung immens wichtige Museumsarbeit durch unausgegorene Event-Ideen zu beeinträchtigen. Peinlich genug, wenn der OB das extra sagen muss. Die miserable inhaltliche Vorbereitung im Rathaus verrät wieder einmal etwas über die fehlende Sensibilität der Politik für die Psychologie von Orten und Architektur in unserer Stadt. Dies ist nicht besonders ermutigend für die künftige Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte im neuen alten Haus.

Im Grunde kann man nur beten, dass sich nach Frau Dauscheks Flucht nach Hamburg eine Persönlichkeit mit Charakter und Charisma nach Stuttgart traut, die sich nicht um die Partylaunen gewisser Rathauspolitiker schert – sondern das Haus in halbwegs großstädtischem Geist mit Leben füllt. An mangelndem Stoff dürfte das Unternehmen nicht scheitern. Diese Stadt hat eine Menge Geschichten und gute Künstler zu bieten, auch wenn etliche Leute, die dieser Stadt ihren Stempel aufdrücken, nie davon gehört haben.



 

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