Bauers Depeschen


Donnerstag, 30. Oktober 2014, 1371. Depesche



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LIEBES, HOCHVEREHRTES PUBLIKUM,

es gibt es in diesem Jahr noch zwei Flaneursalon-Abende. Am Samstag, 29. November, mit Zam Helga & Ella Estrella Tischa im Selbstverwalteten Stadtteilzentrum Gasparitsch in Ostheim, Rotenbergstraße 125. Und am Dienstag, 16. Dezember, in der Kneipe Schlesinger. Für den Schlesinger hat der Vorverkauf bereits begonnen, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an das herzerfrischend freundliche Gasthauspersonal. 07 11/29 65 15.

Wieder Karten in den günstigen Kategorien gibt es für die Benefiz-Show "Die Nacht der Lieder" am 9. und 10. Dezember im THEATERHAUS. Telefon: 07 11 / 4 02 07 20. Die Einnahmen gehen an die Aktion Weihnachten der StN und damit direkt an Menschen in Not aus der Region.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



IM HALLSCHLAG

Morgens um neun sitze ich mit Einheimischen an einem der zwei Tische in der Bäckerei Sailer im Hallschlag. Vor den Fenstern, auf der Bottroper Straße, rauschen die Autos vorbei. Solche Läden, einer der wenigen kleinen Treffpunkte, sind typisch für abgelegene Bezirke.

Der Hallschlag hat eine denkwürdige Geschichte und bis heute einen merkwürdigen Ruf. Viele kennen ihn noch als „Krawallschlag“. 1925 baute die Stadt die ersten Häuser der nördlich gelegenen Siedlung auf Cannstatter Gebiet. 1941 hat man im Rahmen eines städtischen „Kriegswohnungsbauprogramms“ 500 Wohnungen hochgezogen, später noch einmal so viele. Nach dem Krieg wurde auf dem Hallschlag fleißig weitergebaut: Wohnblöcke, Waschküchen, Grünflächen, Kindergärten. In seinem 2002 erschienenen Buch „Cannstatt und seine Geschichte“ schreibt der Publizist Jürgen Hagel, 1952 habe „die Presse“ den Hallschlag als einen „der schönsten Stuttgarter Stadtteile“ ­geschildert.

Ein kühler Oktobermorgen, ein langer Spaziergang steht bevor. Vor dem Ausflug zum Hallschlag habe ich im Kunstmuseum Hanno Rauterbergs neues Buch „Wir sind die Stadt!“ gekauft, die Auseinander­setzung mit einem trotzigen, neu erwachten urbanen Leben im Angesicht konfektionierter Investoren-Kästen. „In vielen Städten bemächtigen sich Shoppingmall-Konzerne der einst öffentlichen Räume und verwandeln sie in Konsumzonen mit Hausrecht“, schreibt der Autor. „Nicht selten handeln kommunale Verwaltungen gleichfalls nach diesem Muster und lassen einzelne Straßen und Plätze als halbprivate Business-Distrikte betreiben oder verkaufen öffentliche Gebiete an den Meistbietenden.“

Dieses geistlose Treiben kennen wir allzu gut in der Stadt. Im Hallschlag regiert die Immobilienfirma SWSG. Obwohl im Besitz der Stadt, schaltet und waltet sie wie überall nahezu unkontrolliert im Stil eines üblichen Profitunternehmens. Als ich auf dem großen, schönen Spielplatz mit Bolzplätzen ­zwischen der Straße Auf der Steig und der Dessauer Straße stehe, sagt man mir, die etwas älteren Kids hätten einen neuen Spielplatz. Mit der neuen Stadtbahnlinie 12 fahren sie hinunter zum Einkaufszentrum Milaneo in der Glas- und Betonwüste Europaviertel. Nicht viel los im Hallschlag.

An der Dessauer Straße baute man nach dem Krieg vierstöckige Blöcke mit fast 100 Wohnungen; drei Zimmer kosteten 41 Mark Miete. Diese Häuser stehen noch. Geht man ein Stück weiter, stößt man auf die Zeichen der Gentrifizierung. Am Hattinger Platz, mit seinem alten Gemüseladen, einem Holzbalken zum Sitzen und einem Brunnen ohne Wasser, entstehen nach einem Abriss derzeit „109 attraktive Wohnungen“, mit Balkonen, Terrassen, Tiefgarage.

Der Hallschlag ist ins staatliche Förderprogramm „Soziale Stadt“ integriert und ein Musterbeispiel für die heutige Stadtplanungspolitik. Einige engagierte Leute aus dem Quartier haben viel über die Ohnmacht der Bürger bei der Mitbestimmung erfahren. Eine Bürgerinitiative, die sich schon vor 20 Jahren für Mitgestaltung einsetzte, hat längst resigniert aufgegeben. Zurzeit ist noch eine Mieterinitiative aktiv.

Als Hallschlag-Zentrum ist heute das Römerkastell populär, das Firmen- und Entertainment-Areal auf dem Gelände der ehemaligen Reiterkasernen. Beliebter Treff Gutbetuchter. Das Terrain ist weitgehend in privater Hand. Herzstück des sogenannten Medienzentrums mit seinen Büros, Läden und Lokalen ist ein riesiger Parkplatz, früher ein Exerzierplatz. Außerhalb des Römerkastells findet man fast keine gute Gaststätte, sieht man von der kleinen Kneipe Nachbar im Familien- und Nachbarschaftshaus ab, einer Art Bürgerhaus gegenüber dem Römerkastell.

Im schönen alten, leider verwitterten Wirtshaus Römerkastell trinke ich am Mittag einen Kaffee. Die Kneipe steht an der Hallschlagstraße, einer unsinnig angelegten Rennstrecke, die Cannstatt mit Zuffenhausen verbindet. Nach und nach kommen ein paar Männer herein, ihre Gesichter erzählen, dass sie gelebt haben und nicht viel Glück im Leben hatten.

Bis 1999 empfingen 40 Prozent der 6000 Hallschlag-Bewohner Sozialhilfe; in den fünfziger Jahren hat man vorwiegend Arme, viele vom Krieg gezeichnete Migranten, untergebracht. Eine Zeit lang hatte die Polizei im Hallschlag etwas mehr zu tun als anderswo, es gab Probleme mit Alkohol und anderen Drogen. Sozialpädagogische Initiativen beruhigten die Lage. Schon 2007 sagte der Baubürgermeister Hahn (SPD), der Hallschlag sei „eigentlich eine bevorzugte Wohnlage in Stuttgart“. Das konnte auch heißen: grünes Licht für exklusive Immobilien. Engagierte, gute informierte Bürger im Hallschlag beklagen, das Rathaus habe keinerlei städtebauliche Ideen für neue urbane Lebensmodelle entwickelt.

Alles geht den gewohnten Gang. Günstige Wohnungen fallen weg, die sanierten und neuen Häuser werden so teuer, bis die Mieten für die Mehrheit der Menschen unerschwinglich sind. Ich gehe zur Stadtbahn, vorbei an einer Grillhähnchen-Bude und einem Kebab-Imbiss.



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