Bauers Depeschen


Samstag, 26. April 2014, 1276. Depesche



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ACHTUNG, TERMINE

> "Konferenz Kopfmachen": Bis zum Sonntag findet in Stuttgart der umfassende Kongress "20 Jahre Bahnreform - 20 Jahre S 21" statt, unter anderem mit einer Kundgebung und Demo an diesem Samstag ab 16 Uhr auf dem Marktplatz. Am selben Tag gibt es um 18 Uhr im Rathaus den "Presseclub", es geht um "Medien und Lobby". Podiumsgespräch mit Arno Luik (Stern), Johanna Henkel-Waidhofer (Badisches Tagblatt; Kontext), Hans-Werner Fittkau (Phoenix TV), Joe Bauer (Stuttgarter Nachrichten) ...

> Der Flaneursalon gastiert in Stuttgarts ältestem Live-Club, im Laboratorium im Osten: Mittwoch, 28. Mai 2014. 20 Uhr. Mit Stefan Hiss & Freunden, Dacia Bridges & Uwe Metzler (g), Roland Baisch. Karten im Internet: LABORATORIUM



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DA LÄSST SICH SCHON WAS MACHEN

In vier Wochen sind Kommunalwahlen, es geht um die Damen und Herren, die im Rathaus über die Stadt und die Menschen entscheiden. Beim Herumgehen könnte man glauben, es finde eine Altpapiersammlung statt. Oder ein Plakatwettbewerb: Stuttgart sucht die Supernasen. Was ich vermisse, sind Marktschreier und Gaukler. Frauen und Männer, die vor den Bürgern antreten. Politiker, die Plätze erobern, die in einem Rock’n‘-Roll-Bus herumkurven, hinausfahren ans Ende der Stadt.

Ich wünsche mir Typen, die das Wort Wahl-Kampf ernst nehmen. Geht in den Ring, ihr Feiglinge, zeigt euch, stellt euch den Leuten, sagt unter freiem Himmel, was ihr nicht zu sagen habt. Macht es auch bei Regen in den Straßen. Einen Knecht aus eurer Partei werdet ihr schon finden, der euch den Schirm oder sonst ne Stange hält. Bringt Musikanten oder Stelzenläufer mit, macht Lärm, denkt an die Liebesgrüße des Radfahrers Bölts an seinen Käpt’n Ullrich: „Quäl dich, du Sau!“ Diese Kerle waren zwar gedopt, aber die meisten Wahlkandidaten sind es auch. Mit Schlafmitteln.

Der Mai kommt, die Kastanienbäume stehen in voller Blüte, es riecht nach Aufbruch. Viele Plakate erinnern nicht mal mehr an Fahndungsfotos. Sie sehen aus wie Vermisstenanzeigen: Wer kennt diese Frau, diesen Mann? Wer hat sie zum letzten Mal gesehen? Gehörte das Gesicht da nicht mal dem Oberbürgermeister? Hieß er Fritz oder Kuhn? Lebt er noch? Hängt er womöglich schon zu lange am Laternenmast? Der sagt sogar ohne Wahlkampf nichts.

In der Stadt hat am Freitag eine politische Aktion mit dem etwas seltsam klingenden Motto „Konferenz Kopfmachen“ begonnen. SÖS, Linke und das Aktionsbündnis gegen S 21 arbeiten drei Tage lang mit zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen ein Doppeljubiläum auf: 20 Jahre Bahnreform und 20 Jahre Stuttgart 21. Als mentaler Einstieg stand im Rathaus Buster Keatons legendärer Stummfilm „Der General“ auf dem Programm. Logischerweise spielt in diesem Film von 1926 die Eisenbahn eine Rolle; der Held muss die im amerikanischen Bürgerkrieg von Nordstaaten-Spionen entführte Lokomotive „General“ retten. Der Komiker Buster Keaton hatte so viel Charakter, nie eine Miene zu verziehen. Er war ein Künstler, der die ­Komik sehr ernst nahm. Das unterscheidet ihn von Politikern. Die nehmen sich selbst sehr ernst und wirken oft auch dann komisch, wenn man ­ihnen kein Charlie-Chaplin-Bärtchen unter die Plakatnase malt.

Wenn ich heute daran denke, wie vor zwanzig Jahren Stuttgart 21 angefangen hat, muss ich mich in den Hintern treten. Ich war naiv, denkfaul, hatte keinen Schimmer, was da lief. Es interessierte mich nicht, ich war mir sicher, das Ding könnte niemals kommen. Jahrelang las man die Schlagzeilen „Grünes Licht für Stuttgart 21“ und „Durchbruch für Stuttgart 21“. Es waren so viele Schlagzeilen, dass jeder glauben ­musste: Bald kann es kein grünes Licht und keinen Durchbruch mehr geben in der Stadt. Der Vorrat ist verbraucht.

Selbstverständlich redete man 1994 ­immer nur vom „Bahnhof“. Die Begriffe Bodenspekulationen und Immobiliengeschäfte tauchten in der offiziellen Politik nicht auf. Dabei hätte ich schon als Kinogänger stutzig werden müssen. In Sergio Leones Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ unterhalten sich zwei Typen: „Aus ner Stadt, die an einem Bahnhof liegt, da ist schon was zu machen. Hunderttausende von Dollar. Tja, vielleicht auch mehr. Tausend mal tausend Dollar.“ – „Das nennt man ne Million.“ –„Hab ich doch auch gemeint.“

Bereits 1996 hatte Winfried Wolf, einer der Organisatoren der jetzigen Bahn-Konferenz, eine umfassende Broschüre über Stuttgart 21 mit dem Titel „Hauptbahnhof im Untergrund?“ herausgegeben. Darin findet sich dieses Zeitungszitat von 1995: „Das Bayreuth der Makler heißt Cannes. Dort treffen sich alljährlich im März die Großen der Branche zur MIPIM, der weltweit bedeutendsten Immobilienmesse . . . Seit zwei Jahren bietet auch Stuttgart seine Gewerbeflächen an der Côte d’Azur feil. Heuer reisten die Schwaben mit einem ­Modell von ‚Stuttgart 21‘ an. Die Papphochhäuser auf dem Bahnareal und der Plexiglasentwurf für einen neuen Tunnelbahnhof sicherten den Stuttgartern höchste Aufmerksamkeit . . . In der Berichterstattung über die Messe wird das Jahrhundertprojekt mitten im Stadtzentrum in einem Atemzug mit dem Wiederaufbau Beiruts und der Sanierung Ostberlins genannt.“

Beirut und Ostberlin. Krieg und Mauerfall. Tausend mal tausend Millionen. Es ging von Anfang an um Immobilien, um die Vereinnahmung einer Stadt. Als Oettinger, Schuster & Co. im Februar 2010 zur Show die S-21-Bauarbeiten eröffneten, ließen sie sich mit Bauhelmen in Siegerpose an einem Prellbock des Bahnhofs fotografieren. Es war der größte Verprellbock aller Zeiten.



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