Bauers Depeschen


Dienstag, 23. Juli 2013, 1146. Depesche



Der Klick zum

LIED DES TAGES





LIEBE GÄSTE,

es ist zu heiß, um sich Gedanken zu machen. Da war noch ein Besuch am Montagabend bei Neil Young & Crazy Horse in der Schleyerhalle, auch dort viel Brennstoff in der Luft: etwas verbraucht wie die Rockmusik. Aber der Alte gibt nicht auf, Krach als Kunst: Er ist laut, kompromisslos und widerspenstig. Lustig auf der Bühne seine Fender-Turm-Ausstattung. -

Änderung: Vincent Klink hat seinen Auftritt für den nächsten Flaneursalon am 4. November im Theaterhaus abgesagt, weil er eine Einladung zu einer aufregenden Reise ins Ausland erhalten hat. Neu im Aufgebot unserer Show zum fünfzehnjährigen Bestehen des Flaneursalons ist die Sängerin Uta Köbernick. Vorverkauf via Theaterhaus.



Die aktuelle StN-Kolumne:



NIX LOS 

Flanieren, hat der große Flaneur Franz ­Hessel gesagt, ist das Lesen einer Straße mit den Augen. Ein Sommerwochenende wäre eine gute Zeit zum Straßen­lesen, würde der Leser nicht Kapitel aufschlagen, die seine Augen überfordern. Das vorletzte Stuttgarter Juli-Wochen­ende begann am Freitag mit einem S-Bahn-Chaos in der Stadt, nachdem ein aus Richtung Feuersee kommender Zug des Skandal-Modells ET 423 vor der Station Stadtmitte eine Oberleitung zerstört hatte. Es gab stundenlange Verspätungen, und die Fahrgäste hätten gern irgendwo gelesen, was da los ist. Die Deutsche Bahn aber blieb ihrer gewohnten Informationspolitik treu. Augen zu und unten durch.

Die Menschen erlebten unterdessen lustige Über­raschungen. In der Staatsoper begann am Freitagabend die konzertante Aufführung von Rachmaninows Opern­einakter „Francesca da Rimini“ mit einer Dreiviertelstunde Verspätung. Da die meisten klassischen Musiker und Sänger nicht wie ihre Popstar-Kollegen in Limousinen zur Bühne kutschiert werden, mussten sie sich vorkommen wie der Gefangenenchor der Deutschen Bahn.

Die Menschen freuen sich deshalb darauf, wenn es wegen Stuttgart 21 bei Unfällen keine Ausweichstrecken mehr für die S-Bahnen gibt. Wir werden ein anarch­istische Durcheinander in der Stadt er­leben, mit vielen Spontan-Konzerten in den Waggons. Ich hoffe, dass vor allem die Bläser und Schlagwerker mit unseren Schrottbahnen zur Arbeit fahren, damit wir den Soundtrack der Rebellion in vollen Zügen genießen können.

Dann wurde es Samstag und Zeit, die ganze Stadt mit den Augen zu lesen. Es war nicht viel los in der extremen Hitze dieses Juli. In der undurchdringbaren Menschenmasse auf dem Karlsplatz flogen die gut gefetteten Produkte des Hamburger Fischmarkts den Menschen von der Metallrutsche direkt in den schnapsgeölten Schlund. Auf dem Marktplatz leisteten ein paar Tausend Gratisparty-Gänger im aufgekochten Soundpudding des Festivals der Kulturen ihren Beitrag zur Integration noch nicht abgeschobener Ausländer. Und auf der ­anderen Seite der Autobahn durch Alt-Stuttgart achteten die Menschen im Getümmel des Bohnenviertelfestes auf die Unversehrtheit ihrer hirneigenen Oberleitungen.

Wie gesagt, ein beschauliches Juli-­Wochenende. Brot und Spiele. Wer sich zwischen Fischmarkt, Kulturen-Festival und Bohnen­viertelfest einsam fühlte, fuhr ­hinaus zur Langen Ost-Nacht nach Gablenberg und erfrischte sich in der Hauptstraße an den Heilsbringer-Buden von Gospel-­Forum, FDP und Junger Union. Die Ost-Nacht hatte auch politische Botschaften zu bieten wie das zirzensische Volksspektakel rund um das alte Straßenbahn-Depot. Fühlte sich immer noch einer gelangweilt, zog er weiter zum Festival „Hip-Hop Open“ ins Cannstatter Reitstadion. Dort feierten vierzehntausend Besucher ihre Rapper und sich selbst, als gäbe es morgen kein Stuttgart.

Da wird der alte Straßenleser neidisch, wenn er daran denkt, dass er am Samstagnachmittag unter lausigen 3800 Zuschauern beim Saisonstart der Stuttgarter ­Kickers auf der Waldau herumhing wie eine zu lange gebrutzelte Wurst. Die Kickers sind zurzeit noch keine Bereicherung für den Stuttgarter Standortfaktor Massen-Event. Doch lässt der im Sportplatz-Heft vor­gestellte Trupp an neuen Marketing- und Vertriebs­managern auf effiziente Strategien in der Produkt­vermarktung des Investors hoffen; zufällig ist der Investor auch S-21-Sprecher (und hat dem Verein nicht nur laut "Bild" einen Knebel-Vertrag verpasst).

Einer seiner Manager stand die gesamte Spielzeit in schwarzem Anzug und mit schwarzer Krawatte neben unserem Sportplatz, was für eine enorme Disziplin spricht. Bei den Temperaturen an diesem großen Tag für den Stuttgarter Standortfaktor Fußball hätte selbst der Präsident von Real Madrid seinen Janker ausgezogen.

Nur das Kickers-Produkt selbst scheint angesichts der strukturell neuen Ausrichtung im Entertainment-Business noch leicht zu kränkeln. Gegen Rot-Weiß Erfurt verloren wir nulleins. Sorgen macht mir der Gedanke, mangels Fußballprodukt könnten die vielen Vertriebsmanager ersatzweise die Fußballfans vertreiben – so wie die Sommer­feste in der Stadt die Gäste aus den Kneipen, Bars und Restaurants.

Wenn es kühler wird, wenn sich die Stadt allmählich leert, sind die Straßen wieder besser zu lesen, und es wird geschrieben stehen: In zwanzig Jahren, wenn die S-Bahn nie mehr pünktlich fährt, wird alles gut. Womöglich werde ich dann schon ein Stockwerk tiefer das Unkraut in den Schlag­löchern von unten zählen – und ­höhere ­Ergebnisse einfahren als ein Vertriebs­manager in der dritten Liga.

KOMMENTARE SCHREIBEN IM LESERSALON



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

BLICK NACH RECHTS

FlUEGEL TV

RAILOMOTIVE

EDITION TIAMAT BERLIN

Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche

VINCENT KLINK

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND

 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·