Bauers Depeschen


Donnerstag, 28. März 2013, 1079. Depesche



 

FLANEURSALON LIVE:

FAMILIEN-BANDE IN DER RAMPE

Bald kommt der Frühling, und dann ist es so weit: Flaneursalon im Theater Rampe. Als kleine Geste zum bevorstehenden Abschied von Rampe-Intendantin Eva Hosemann, die das Theater im Zahnradbahnhof in der Filderstraße geprägt hat, machen wir am Freitag, 17. Mai, unser Familienfest. Der Entertainer Roland Baisch tritt mit seinem Sohn Sam auf, Sam singt Songs zur Gitarre, und unser Sänger/Songschreiber Zam Helga bringt seine Tochter Ella mit - auch sie eine hoch talentierte Sängerin. Ergänzt wird der Flaneursalon-Clan von dem fantastischen Rapper Toba Borke und seinem virtuosen Beatboxer Pheel. Beginn ist um 20 Uhr. INFOS UND VORVERKAUF



DAS LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



KULTUR IST LUXUS

Manchmal, wenn ich die Treppe von der U-Bahn hochsteige und, vorbei am lustigen Imbiss Prager Treff, zum Theaterhaus gehe, denke ich daran: Es war ein verdammt weiter Weg. Von Schorndorf zur Messe auf den Killesberg. Hinunter zum Karlsplatz. Hinaus zum Wangener Viehwasen. Schließlich hoch auf die Prag nach Feuerbach.

Man könnte von einer Erfolgstournee sprechen, aber was heißt das schon. Die Tour war hart, sie geht weiter, und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. An diesem Karfreitag feiert das Theaterhaus leise Jubi­läum. Vor zehn Jahren, am 29. März 2003, wurde die Spielstätte nach ihrem Umzug von Wangen auf der Prag eröffnet.

Siemensstraße, die ehemaligen Rheinstahlhallen. Früher nannte man solche Orte „Kulturfabriken“. Während und nach der Studentenrevolte der sechziger Jahre hatten sich antibürger­liche Bürgerbewegungen bunte Läden erkämpft, die mit den üblichen Staatstheatern so wenig zu tun hatten wie mit den gängigen Kabarettbuden.

In Stuttgart galt es, eine besonders hartes Ei zu köpfen. Werner Schretzmeier, ein gelernter Industriekaufmann, der als Regisseur beim Fernsehen Karriere machte, hatte bereits 1968 in seiner Heimatstadt Schorndorf den "politisch-kulturellen Club" Manufaktur gegründet. Siebzehn Jahre sollt es dauern, ehe er auch in Stuttgart einen ­Laden eröffnen konnte: das Theaterhaus in Wangen, gegenüber von der Polizeiwache, nicht weit vom Hurenstrich an der Ulmer Straße. Schretzmeier, Jahrgang 1944, und seine Mitstreiter hatten die Idee in langen Jahren mit Solidaritätskonzerten auf dem Killesberg, mit Zirkuszelten auf dem Karlsplatz und reichlich Schlitzohrigkeit im Büro des OB Manfred Rommel durchgesetzt.

In den achtziger Jahren änderte sich das Klima in der Stadt, die den Ruf besaß, sie habe außer Daimler, Kehrwoche und frühzeitig hochgeklappten Bürgersteigen wenig zu bieten. Die Kneipen blieben länger offen, mit dem Theaterhaus bsaß die so­genannte Szene endlich eine Sammeladresse, die Popkultur hatte längst einen florierenden Markt hervorgebracht. Wangen lockte in großes Publikum, wurde aber von den konservativen Politikern nur als notwendiges Übel gesehen: „alternativ“ und „links“.

Diese Haltung hat sich in gewissen Kreisen bis heute nicht geändert. Nach wie vor spielen sich Abgeordnete auf, als sei Steuergeld für Kultur, die nicht die ihre ist, ein groß­zügiges Privatgeschenk, ein gönnerhafter Luxus. Es passt ins Bild, dass neulich ein CDU-Stadtrat namens Fabian Mayer forderte, die Summe des städtischen Zuschusses pro Besucher auf den Eintrittskarten von Kulturhäusern abzudrucken. Genauso gut könnte man verlangen, an jeder Straßenkreuzung, an jedem Bauzaun und an jedem BW-Bankschalter darauf hinzuweisen, wie viel Steuern dafür draufgegangen sind. Schön wäre auch, die ­Jacketts von Stadt­räten mit einem Preisschild zu schmücken: „So viel Sitzungsgeld erhält diese Figur aus dem von den Bürgern hart erarbeiteten Steuertopf.“

Das Recht der Bürger auf Kultur, die Wichtigkeit der Kultur für die Gesundheit der Menschen und das gesellschaftliche Klima werden in Amtsstuben und Parlamenten nicht respektiert. Entweder vergleicht man in Unkenntnis der Geschichte die deutsche mit der privat finanzierten Kultur der USA oder betrachtet sie als „wirtschaftlich relevanten Standortfaktor“. Im Zweifelsfall steht Kultur – 5,8 Prozent des städtischen Haushalts – ganz oben auf der Streichliste.

Ausgerechnet die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) verstieg sich kürzlich zu der Bemerkung: „Die freie Szene ist ein Opfer des Erfolgs, den das Theaterhaus hat. Dort muss man eben auch auf die Einnahmen schauen. Ein unlösbares Problem . . . “ Solche Sätzen stören den ­sozialen Frieden in der Kulturlandschaft. Um zu überleben, muss das Theaterhaus pro Jahr 4,4 Millionen Euro aus seinem Programm einspielen und noch einmal reichlich von Sponsoren und Mietern holen. Die Zuschüsse von Stadt und Land im 8,3-Millionen-Etat 2013 betragen 2,1 Millionen.

Dass da wenig Spielraum für die „freie Szene“, die Ärmsten der Armen im Kulturbetrieb leibt, ist der Preis der Größe. Politiker würdigen ohnehin nicht die Experimente. Sie sonnen sich im Glanz des Publikumserfolgs. Der aber kostet Geld – wie im Fall der Theaterhaus-Kompanie Gauthier Dance. Die Ausgaben für zwölf Tänzerinnen und Tänzer und sechs weitere Angestellte im Team von Eric Gauthier sind nicht einzuspielen. Dafür braucht es Subventionen. Das Theaterhaus unterhält auch ein Schauspiel-Ensemble und unterscheidet sich damit von fast allen „sozikulturellen“ Bühnen, den Lieblingskindern antiquierter Grünen- und SPD-Politikern. Wenn Frau Eisenmann Kulturschaffende gegeneinander ausspielt, ist das so klug wie die Behauptung: Weil sich die Stadt eine Kulturbürgermeisterin leistet, bleibt kein Geld für ein Mittagessen an öffentlichen Schulen.

Bühnen wie das Theaterhaus haben heute ein ganz anderes Problem. Wie ihre Macher sind die Besucher älter geworden. Die Veranstaltungskultur selbst kommt in die Jahre, das Durchschnittsalter des Publikums steigt. Da tun sich Fragen auf, die nicht allein mit Geld zu beantworten sind. Darauf Antworten zu finden, das ist die große Herausforderung für das Theaterhaus.



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