Bauers Depeschen


Sonntag, 23. Dezember 2012, 1029. Depesche

 

SIGNIERTE BÜCHER

In Plattencafé Ratzer Records im Leonhardsviertel (neben dem Brunnenwirt) gibt es auch noch am Montag (10 Uhr bis 14 Uhr) signierte Exemplare meines neuen Buchs.



FLANEURSALON IM SCHLESINGER

Der erste Flaneursalon im neuen Jahr geht am Dienstag, 19. Februar, im SCHLESINGER über die Bühne. 20 Uhr. Erstmals mit UTA KÖBERNICK und ihrer Band Kritische Begleitung - und mit Dacia Bridges, Zam Helga und Roland Baisch. Karten gibt es in der Kneipe (Montag bis Samstag, ab 17 Uhr). Tel 07 11 / 29 65 15



MIT VINCE KLINK IN DEN WAGENHALLEN

Unter dem Motto "Der Häuptling spielt auf" gastiert der Meisterkoch und Basstrompeter Vincent Klink am Montag, 21. Januar, in den WAGENHALLEN. Begleitet wird er von dem New Yorker Bassisten Joe Fonda und dem Pianisten Patrick Bebelaar. Unsereins ist als vorlesender Gast dabei. Beginn 19.30 Uhr. Nach der Vorstellung werden die berühmten Fleischküchle mit Kartoffelsalat des Kochs Martin Ivenz serviert.



SOUNDTRACK DES TAGES



Morgen gibt's eine neue Kolumne, bis dahin etwas aus meinem Buch:



SCHNEEMANN IM REGEN

Shane MacGowan sah nicht gut aus, als er am 5. Juli 2011 im Höhenpark auf dem Killesberg einen Hang hinunterstürzte, kurz bevor er mit seiner Band The Pogues auf die Bühne musste. Die Spuren seines irischen Lebens waren deutlich zu sehen an diesem heißen Sommertag, und die Fans fühlten sich wie an Weihnachten. Schließlich verdanken sie dem Sänger Shane MacGowan eines der schönsten Weihnachtslieder der Popgeschichte. „Fairytale Of New York“.

Weil Mr. MacGowan ein Punk ist, gibt es in diesem Lied über einen Dialog in einer New Yorker Ausnüchterungszelle wüste Zeilen über Penner, Schlampen und schlechte Träume. Es erzählt auch von der Hoffnung auf Liebe, und der Refrain ist herzzerreißend:

„Die Jungs vom Chor des New Yorker Police Department haben ,Galway Bay‘ gesungen. / Und die Glocken haben geläutet zum Weihnachtsfest.“

Shane MacGowan weiß, wovon er redet. Geboren ist er am ersten Weihnachtsfeiertag. An diesem Christfest wird er, so Gott will, 54 Jahre alt.

Am Abend bin ich in meinem Viertel herumgelaufen und habe mir in der Imbissbude überlegt, woran die Weihnachtszeit in der Stadt erkennbar wird. Am Geschmack der prächtigen Zimtsterne, die mir an jedem Nikolaustag eine gute Nachbarin an die Türklinke hängt, am Gestank des Glühweins auf dem Weihnachtsmarkt, oder doch an der Musik.

Die Geruchstheorie gab ich auf, als ich in einem Drogeriefenster neben zwei weiß gepuderten Kunststoff-Tannenbäumen die Reklame las, ein Zimmerparfüm beschere uns „reinere, BEDUFTETE Luft“.

Angeduftet ging ich nach Hause, um zur Klärung der Lage eine Vinyl-Platte samt CD auszupacken, die ich an Weihnachten vor zwei Jahren gekauft, aber nie angerührt hatte. Lange plagte mich die Angst, die Platte könne mir den Rest geben, so wie Shane MacGowans Lady, wenn sie ihm im New Yorker Knast kein gute Zukunft prophezeit: „Ich bete zu Gott, dass es deine letzte Weihnacht sein wird . . .“

Meine Platte heißt „Christmas In The Heart“, sie enthält fünfzehn amerikanische Weihnachtsklassiker, aufgenommen von Bob Dylan. Als das Album 2009 erschien (eine Benefiz-Scheibe für bedürftige Menschen), ging das Gezeter los. Was sich der Meister erlaube. Ob er vollends durchgeknallt sei.

Was für dumme Fragen. Bob Dylan hat sich zeit seines Leben alles erlaubt, wozu er Lust hatte, und als ich die erste Seite gehört hatte, dankte ich dem Christkind, dass ich mir diese Platte schenken durfte. Bob Dylan verkündet das Fest der Liebe hart und gurgelnd, als wollte er den Soundtrack für die sarkastischen Weihnachtsszenen in „True Crime“ mit Clint Eastwood nachliefern. „Here Comes Santa Claus“ wirft er uns mit lustigem Chor zum Fraß hin, „Little Drummer Boy“ ist – ta ram tam tam tam – sowieso nicht kaputtzusingen, und dann ist auch schon Weihnachten: „I’ll Be Home For Christmas“.

Dieses Lied von einem, dem die Lichter seiner Heimatstadt den Weg nach Hause weisen, bevor er in den Armen der Geliebten landet, behandelt den Kern aller Blues- und Countrysongs. Die Menschen wollen nach Hause, und zur Not bläst ein alter Haudegen noch einmal seine Blockflöte, weil er glaubt, er habe noch genügend Atem, um irgendwo anzukommen.

Solche Dinge gehören zu Weihnachten. Und es gibt Gefühle, die man nicht verstehen und nicht beurteilen kann. Wenn im Stuttgarter Weltweihnachtscircus auf dem Wasen die Frauen und Männer des nordkoreanischen Nationalzirkus von Pyongyang ihre wahnwitzigen Trapez-Flüge starten, wird eine Instrumentalversion von „Those Were The“ Days eingespielt. Kein Weihnachtslied, doch passt es wie bestellt. Mary Hopkin hat es 1968 mithilfe von Paul McCartney berühmt gemacht, es erzählt von einer verlorenen Liebe in den Tagen, als alles anders war. Wohl auch damals, in den Tagen vor der Oktoberrevolution 1917, als das Original des Lieds in Russland gesungen wurde.

Keiner weiß, was die Titelzeile („Das waren noch Zeiten“) bei den koreanischen Akrobaten auslöst. Mitten in ihrem Stuttgart-Engagement, im Dezember 201, starb ihr Präsident Kim Jong-il, und im Zirkus stellte sich die Frage, wie es weitergeht. Die Artisten nahmen sich einen Tag frei für die Trauer um ihren Führer. Dann kehrten sie zurück in die Arena.

Es tut gut, Weihnachten in Liedern zu begegnen. Bis heute freue ich mich, weil ich vor ein paar Jahren eine CD mit sechzehn Country Christmas Songs für drei Euro fünfzig aus einem Ramschkorb fischte. Seitdem lasse ich sie als Eingangsmusik bei unserer Benefiz-Show „Die Nacht der Lieder“ laufen. Johnny Cash singt darauf „Christmas As I Knew It“.

Die Weihnacht 2011 wird nass und trüb, wie wir es kennen, und das erinnert mich an Leonard Cohen, wenn er in „A Thousand Kisses Deep“ singt: „Du siehst, ich bin nur ein weiterer Schneemann / Stehe da im Regen und Matsch.“

Vom Bahnhof her glaube ich im Regen den Polizeichor zu hören, und Shane MacGowan singt in seiner Zelle: „Glaub mir’, es kommen bessere Zeiten, und unsere Träume werden doch noch Wirklichkeit.“

Die Leute steigen in die Züge, um rechtzeitig am Heiligen Abend zu Hause sein, und im Internet leiten synthetische Klänge aus „Stille Nacht“ die Weihnachtsansprache des Oberbürgermeisters ein. 4:36 Minuten wird er reden. Längst schlaf‘ ich in himmlischer Ruh‘.



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