Bauers Depeschen


Dienstag, 28. Juni 2011, 748. Depesche



NECKAR-SAGA

An diesem Mittwochabend startet unsere voll beladene Butterfahrten-Arche mit der Creme der wasserscheuen Stuttgarter Musikanten auf dem Neckar - Flaneursalon im Fluss. Die Zeitungsredakeure streiken auch heute, und der Depeschen-Mann bittet um Geduld.



SOUNDTRACK DES TAGES



ARBEITSKAMPF

Redakteure und Drucker haben am Montag für drei Tage die Arbeit niedergelegt. Im Tarifkonflikt wird an diesem Mittwoch ein Ergebnis erwartet. Während des Arbeitskampfs wird in Stuttgart die "Streikzeitung" verteilt; die verantwortlichen Kollegen haben mich um einen kleinen Beitrag gebeten:



EIN LIED AUF DEN STREIK

In vielen Liedern besingt man den Eisenbahnmann. Seine Lokomotive pfeift schon lange nicht mehr, die große Zeit, als man sie mit Kohle fütterte, ist vergessen. Der Heizer liegt beerdigt an den Gleisen, er lebt nur noch in einem Countrysong. Der elektrische Zug rast vorbei. In unseren Radiosendern für Gestrige warnt bis heute ein 70er-Jahre-Hit die Kundschaft, sich mit Eisenbahnern einzulassen: „Never Marry A Railroad Man“. Schienen bedeuten Einsamkeit und Tränen... bum, bum, bum.

Der Teufel weiß, warum mir der Eisenbahner durch den Kopf geht, wenn gestreikt wird. Vermutlich weil der Zug wirklich stehen bleibt, wenn der Eisenbahner die Arbeit niederlegt. Weil sich der Eisenbahner womöglich bis heute im Arbeiterlied des Stuttgarter Revolutionsdichters Georg Herwegh wiederfindet: "Alle Räder stehen still, / Wenn dein starker Arm es will."

Damit sind wir in der Gegenwart. Eisenbahnerstreiks begreifen viele Leute – mit den Regeln der Demokratie nicht vertraut – als nationales Unglück, Sie nehmen die Sache persönlich. Wütend warten sie am Bahnsteig auf den Zug und schimpfen in die Kamera der „Tagesschau“.

An diese Bilder denke ich, wenn ich mich frage: Wozu streikt man heute noch? Hat dieser Arbeitskampf noch einen Sinn, wenn der starke Arm die Räder nicht alle zum Stillstand bringt?

Manchen Leuten mag die gute alte, immer aber neu gemachte Zeitung vorkommen wie die Dampflok, die überholt wird von Elektrozügen, die in in tiefer gelegte Bahnhöfe rasen. So simpel ist es nicht. Die Zeitung von heute, die Texte und Bilder mit dem schönen Soundtrack raschelnden Papiers liefert, ist ein wichtiges Medium. Und im Gegensatz zu anderen Computerprodukten eines, hinter dem lebendige und wache Köpfe stecken. Menschen aus Fleisch und Blut. Diese Leute haben einen Auftrag, nämlich die Dinge zu kontrollieren, ihre Laptops und Digitalkameras – vor allem aber ihr Hin einzuschalten, wenn etwas faul ist im Staate, der bei Gott nicht immer Dänemark heißt.

Aus gutem Grund hat man den Journalismus in der Bundesrepublik als vierte Macht ausgerufen, als Kontrollinstanz neben Legislative, Exekutive, Judikative. Um faule Dinge aufzudecken, gibt es den investigative Journalismus. Eine Methode, die mit extrem hohem Anspruch und Aufwand verbunden ist. Man kann auch das Lied vom detektivischen Journalismus singen. Der Redakteur, der Reporter, muss einer sein mit Neugierde für das Leben, für seine Stadt, mit Gefühl für die Menschen. Und er muss wissen, dass es schwieriger ist, die Nase im Wind zu haben, als sie oben zu tragen. Sonst ist der Berichterstatter nicht nur im Kabarett ein Bericht-Bestatter.

Qualität kostet Geld, diese Gesetz gilt vor allem im Journalismus. Um gut zu berichten – um präzise zu informieren und originell zu unterhalten – braucht man gut ausgebildete Frauen und Männer. Leute, die ihren Job verdammt ernst nehmen, die Zeit und Nerven investieren. Diese Kollegen wiederum brauchen Lebenspartner, Freunde, die es tolerieren, wenn der Eisenbahnmann unterwegs ist, um ein paar Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Mit romantischen Vorstellungen vom rasenden Reporter hat das nichts zu tun. Es geht darum, die finanzielle, die existenzielle Basis des Journalisten zu erhalten. Seinen Auftrag zu sichern. Darum streiken wir. Und nicht, weil wir scharf darauf sind, mehr Kohle einzustreichen. Manche Leute wundern sich, warum viele Journalisten bis heute Urlaubs- oder Weihnachtgeld beziehen. Kaum einer weiß, dass diese Gelder nicht als Luxus erkämpft wurden. Vielmehr haben uns einst die Verleger diese Leistungen zugestanden, um außergewöhnlichen Arbeitszeiten, nicht regulierbaren Arbeitsabläufe und vor allem journalistischem Engagement gerecht zu werden. Fantasie, Zuverlässigkeit und Haltung kann man nicht mit der Stechuhr herstellen.

Am Ende meiner kleinen Betrachtung muss noch einmal der Eisenbahnmann ins Spiel. Es stimmt, wenn Sie sagen: Die Räder stehen nicht mehr alle still, wenn heute die Kollegen aus den Redaktionen, aus den Verlagshäusern und Druckereien streiken. Diese Wirkung kann der Streik als gesetzlich verankertes Arbeitskampfmittel im Digital-Zeitalter nicht erzielen. Aber ein Streik ist nicht nur dazu da, die Produktion zu stoppen, dafür zu sorgen, dass die Zeitung als Notausgabe und wie ein Kaufhaus-Flyer den Briefkasten verstopft.

Der Streik ist heute eine demokratische Demonstration der Arbeitnehmer, um die Spielregeln der Demokratie zu überwachen, zu schützen und aufrechtzuerhalten. Deshalb, das räume ich ein, muss man die Frauen und Männer, die sich darum kümmern, nicht gleich heiraten.

KOMMENTARE SCHREIBEN: LESERSALON

DIE STN-KOLUMNEN



NÄCHSTER FLANEURSALON

Ich darf einen speziellen Abend in der Reihe unserer Lieder- und Geschichtenshow ankündigen. Am Mittwoch, 28. September, machen wir in den Rosenau einen Abend mit vergleichsweise kleiner Besetzung, einen intimen Flaneursalon mit dem Songschreiber/Sänger/Saitenvirtuose/Fußtrommler Zam Helga und der amerikanischen Sängerin Dacia Bridges. Könnte eine schöne Sache werden, eine familiäre Show mit pointierten leisen Tönen. Der Vorverkauf ist eröffnet: ROSENAU



KICKERS-SHOW

Fußball, Männer: Zum dritten Mal steigt „Hurra, wir kicken noch!“, die Unterstützer-Show für die Fans der Stuttgarter Kickers. Der Abend geht am Samstag, 6. August - am ersten Spieltag in der Regionalliga - im Stuttgarter Theaterhaus über die Bühne. 20 Uhr. Wir haben gute und vor allem hilfsbereite Künstler am Start; Stefan Kiss vom SWR-Fernsehen moderiert (unsereins organisiert und arrangiert). Alle spielen umsonst, der Einritt kostet zehn Euro – nur wenig mehr als eine Stehplatzkarte auf der Waldau. Der Vorverkauf ist bereits eröffnet. Siehe TERMINE und THEATERHAUS



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

FlUEGEL TV

VINCENT KLINK

RAILOMOTIVE

UNSERE STADT

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND

EDITION TIAMAT BERLIN (Hier gibt es mein Buch "Schwaben, Schwafler Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart")

Fußball-Kolumne Blutgrätsche







 

 

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