Bauers Depeschen


Donnerstag, 18. Juni 2009, 341. Depesche



BETR.: NECKAR



Die wichtigsten Dinge zur Vorbereitung des Kickers-Abends im Theaterhaus sind erledigt (siehe unten und Depesche vom 15. 6.), Zeit für eine Fußballpause. Nächste Woche startet der (ausverkaufte) "Flaneursalon auf dem Fluss", wir fahren auf dem Neckar, deshalb heute eine Geschichte über den Schauspieler Bernd Gnann: Er lebt mit seiner Familie in einem einsamen Haus am Ufer.



"DER FLUSS IST DAS TOR ZUR WELT"



Hinterm Haus, im Steinbruch, hört man die Turmfalken schreien. Im Garten davor spielen Kinder. Links und rechts auf dem Anwesen wachsen Wein und Obst. "Es gibt noch eine vierte Seite vom Haus", sagt Bernd Gnann, 35, "das ist der Neckar."

Wir sind an der Grenze zwischen Bad Cannstatt und Hofen. Ein einsames Gebäude im Grünen. Einige Tage zuvor bin ich in einem Boot vorbeigefahren. Der Hausbesitzer war schnell ermittelt. Die "vierte Seite" im Paradies ist seit jeher bedroht. Die Wagrainstraße, eine Strecke für notorische Raser, tranchiert die Natur. Asphalt trennt Weinberge und Neckar.

Hier lebt Bernd Gnann mit seiner Frau Alexandra und den Zwillingen Emma und Anton, 5. Weil die Autos und Motorräder auf der Straße immer bedrohlicher wurden, hat er 2007 einen Plastikpolizisten mit Laserkanone an den Straßenrand gestellt. Wer auf ihn zufuhr, musste glauben, er werde geblitzt. Die Idee mit dem Kunstbullen, "Radar-Walter" genannt, kam nicht von ungefähr: Bernd Gnann ist Schauspieler; er war lange am Staatstheater, spielte einige Male im "Tatort"; inzwischen leitet er das Karlsruher Kammertheater und ist mit lustigen Solo-Shows unterwegs.

Das Ordnungsamt hat den Plastikpolizisten vor dem Haus verboten, Bernd Gnanns Kampf um mehr Respekt vor der Natur geht weiter. "Wenigstens ein Ufer des Neckars muss man beruhigen", sagt er, "es muss Platz geschaffen werden für Spaziergänger, für Kinderwagen, Inlineskater."

Der Schauspieler fuhr eines Tages die Wagrainstraße entlang und sah das Haus. Er hielt an und fragte den Besitzer, ob es zu verkaufen sei. Wenig später gehörte es ihm. "Ich habe mich", sagt Bernd Gnann, "sofort in den Neckar verliebt."

Wir fahren in seiner kleinen Segelyacht von der Anlegestelle in Hofen die wenigen Minuten neckaraufwärts bis zum Anwesen der Gnanns. Den Mast hat der Kapitän abmontiert, der Motor tuckert. "Der Fluss", sagt er, "ist für eine Großstadt das Tor zur Welt. Eines Tages möchte ich über den Neckar und den Rhein das Meer erreichen. Den Atlantik, Amerika. Ich weiß, das ist ein Traum. Aber ich glaube daran."

Bevor er 1992 an die Stuttgarter Schauspielschule kam, hatte er in Reichenbach bei Bad Schussenried gelebt. Auf der Donau fuhr er einmal mit einem Boot in dreieinhalb Wochen von Neu-Ulm Richtung Budapest. Wenige Kilometer vor dem Ziel gab er auf. "Die Donau", sagt er, "hatte für mich nie die Anziehungskraft wie heute der Neckar." Aus dem Fenster seines Hauses kann er sehen, wie sich der Fluss verfärbt. Bei viel Regen ist er braun, bei schönem Wetter grün. "Das Wasser gibt einem bei ruhigem Wetter Kraft", sagt er, "man spürt die Energie der Natur." Man merkt auch, wenn das Wetter umschlägt. "Bei extremem Regen ist der Neckar gefährlich." Als die Leute Bernd Gnann erzählten, der Fluss sei verschmutzt, ein "Dreckloch", hat er es nicht geglaubt. Seit Jahren Zeit nimmt er Wasserproben und lässt sie auf eigene Rechnung im Labor untersuchen. Dort hat man ihn gefragt, aus welchem "Badeweiher" er das Wasser entnehme. "Ich bade im Neckar", hat er geantwortet. "In jeder freien Minute bin ich am Neckar."

Die Familie Gnann lebt ohne Nachbarn abgeschieden vor dem Naturschutzgebiet am Steinbruch. Nein, sagt der Schauspieler, hier fühle man sich nicht einsam. "Früher habe ich im Westen gewohnt und zwölf Minuten mit dem Auto bis zum Staatstheater gebraucht. Heute brauche ich zehn Minuten." Die Politiker, sagt er, müssten endlich begreifen, dass der Neckar Teil der Stadt sei. "Die Ufer sind fast alle zubetoniert. Wir müssen den Fluss zugänglich machen." Für den Schauspieler ist das Leben am Fluss eine Mission: "Kunst und Natur gehören zusammen."

Oft trägt Bernd Gnann in seinen gewitzten Solo-Abenden im Stuttgarter Theaterhaus Texte von Heinz-Erhardt vor. Einen habe ich mir gemerkt: "Es ist gewiss was Schönes dran, / am Element, dem nassen, / weil man das Wasser trinken kann! / Man kann's aber auch lassen!"



Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten:

www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer



REKLAME:

Samstag, 8. August, Theaterhaus Stuttgart, 20 Uhr: "Hurra, wir kicken noch!", die Show zur mentalen Unterstützung der Stuttgarter Kickers-Fans und anderer Fußballfreunde. Mit Michael Gaedt + Michael Schulig & Band als Die Große Rockschau (Ex Kleine Tierschau), Nu Sports (Ska-Band), Timo Brunke (Sprachkünstler), Joe Bauer (Vorleser), Ralf Schübel (Hymnensänger). Moderation: Stefan Kiss (Sportreporter, SWR-Fernsehen). Eintritt: 9 Euro, so günstig wie ein Stehplatz auf der schönen Waldau. Der Vorverkauf hat begonnen. www.theaterhaus.com - Kartentelefon: (0711) 4 02 07 20



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