Bauers DepeschenDonnerstag, 03. Mai 2007, 13. DepescheDer April kühlt ab, der Hochsommerfrühling scheint vorbei zu sein. Vielleicht trauen sich die Menschen – mittlerweile alle am Freiluftwahn erkrankt – jetzt wieder in geschlossene Räume. Alle Veranstalter atmen durch.Einen Tag nach dem 1. Mai waren Los Gigantes und ich in der Stuttgarter Kiste, Altstadt. Sehr aufmerksames Publikum, kleiner, lustiger Auftritt. Vor der Jazzkneipe diskutierten Flaneursalon-Besucher und Mitglieder der Hells Angels, wem welche Parkplätze zustehen. Die Kiste und die Angels-Bar The Other Place liegen dicht nebeneinander. Jazz und Old Rock vertragen sich erstaunlich gut. Großstadt. Vor dem Auftritt genehmigten wir uns vorzüglichen Schweinebraten im benachbarten Brunnenwirt, der meistunterschätzten Küche der Innenstadt. Die Giganten Hiss und Groher in bester Laune. Wir sprachen über die Ausschreitungen am 1. Mai. Fakt ist, dass Jugendliche am Tag der Arbeit seit jeher zu anarchischen Umtrieben neigen: Früher hängten sie – ich hatte es wirklich schon vergessen – auf den Dörfern Fahrräder an Lichtmasten. Das war ihre individuelle Gestaltung von Maibäumen, allseits als Spaß akzeptiert. Heute werden in vielen Städten Autos zerstört, das Fahrrad hingegen profitiert von seinem politisch-ökologischen Artenschutz. Man zündet es nicht an. Man klaut es. Die Lehrergewerkschaft GEW ging das Thema Straßenfieber auf dem Stuttgarter Karlsplatz intellektueller an: Sie verteilte Broschüren zum Thema Burnout. Ein Punk brüllte „Demo gegen Demo“. Das war der Höhepunkt der autonomen Revolte von Stuttgart. Muss heute ins Zapata. Club-Chef Javier kündigt das zehnjährige Bestehen seiner Lehmhöhle an und prophezeit mir per Mail „die letzte Fahrt des Geisterschiffs“. Keine Ahnung, was das bedeutet. Bin wohl unter Piraten. |
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